Feiertag II

Gleichnis zum Thema Apokalypse

von  pentz

Wache spät auf, wovon?
Klingel, Anruf, Uhrwerk?
Greife hinter mir nach
dem Handy oder Wecker;
verpasse es; grapsche;
verschütte Wein und end-
lich: oho, Festtag Zwo.

Rätsel lösen angestrengt,
nichts gelingt mir: nur
Fehler oder sehe ich
sie wirklich nur dort,
wo ich sie sonst nicht
nicht wahrnehme, wahr-
wahr-, wahrnehmen tue…

                *

Stimme verfolgt mich:
es muss wahrnehmen!
Wer muss aber etwas?
Wahrnehmen! Aber was?
Ich renne auf die Straße,
die Stimme hinterher:
Du musst wahrnehmen!

In der U-Bahn-Unterführung,
die Stimme schreit und ist
mir dicht auf den Fersen:
du kannst hier nicht wahr-
nehmen; also muss du
irgendwie weitergehen;
weitergehen; weiterfahren!

                  *

Doch habe ich keine
Fahrkarte, als man mich
kontrolliert, aber es, es
muss doch weitergehen!
Die U-Bahn kommt und
ich gehe weiter, gefolgt
von einer lauten Stimme:
„Bleiben Sie stehen!“

Schwarzfahren, flüchten,
egal, hauptsache weiter
geht’s. Stimme bittet um
Karte; schlage ihm nicht
Faust ins Gesicht; schreie
nicht, nein, ganz brav
fahre ich einfach weiter.

                *

Sollte ich bei der Flucht
vom ihm erwischt werden,
einsperren wird man mich,
aber es muss weitergehen;
vor den Kadi gezerrt und
verurteilt zur Untätigkeit,
nicht zum Tode, leider; dort
ginge es weiter irgendwie.

Lese amerikanische Lebens-
Anleitungsbücher. Weiter-
gehen muss es. Nichts fällt
mir ein. Ich schreibe dies –
es muss weitergehen. Lese
Lyrik in Französisch, Bio-
graphien in deutscher Zunge.
So sitze ich im Zug, der nicht
abfährt: weiterfahren bitte!

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