Einleitung

Text zum Thema Glaube

von  Rudolf

Das Glaubensbekenntnis ist fester Bestandteil der Liturgie unserer Gottesdienste. Auch wenn ich in den meisten Gottesdiensten einsam zwischen leeren Stuhlreihen sitze und nur wenigen Menschen begegne, nehme ich an, die Bedeutung des Wortes Gottesdienst ist allgemein bekannt, und sei es, weil die Dienste unüberhörbar mit ruhestörendem Glockenlärm eingeläutet werden. Das Wort Liturgie dagegen gehört zum Fachchinesisch der Kirche und könnte genauso gut Tagesordnung, Programm, Ablauf oder Agenda heißen. Mit „unseren“ Gottesdiensten meine ich die Gottesdienste der Evangelischen Kirche im Rheinland, aber gebetet wird das Glaubensbekenntnis weltweit. Meist leitet unsere Pfarrerin das Glaubensbekenntnis mit der Aufforderung ein:

„Lasst uns gemeinsam mit allen Christen an allen Orten und zu allen Zeiten unseren christlichen Glauben bekennen.“

Die Gemeinde, gemeint ist die Handvoll Leute, die an einem Gottesdienst teilnimmt, erhebt sich und dann leiern alle zusammen mehr oder weniger deutlich, mal klar artikuliert, mal leise genuschelt, mal schweigend in Gedanken den Text runter – logischerweise nur die, die den Text auswendig können. Die Pfarrerin liest das Bekenntnis in der Regel ab; der Text ist so sperrig, dass sich selbst professionelle Gottesdienstteilnehmer beim freien Sprechen verhaspeln.

Jedes Mal von Neuem hadere ich mit mir, welche der Sätze ich wirklich glaube, welche Teile ich aufrichtig zustimmend mitspreche und welche ich einfach der Gewohnheit folgend mitplappere. Ich schweige an der einen oder anderen Stelle, weil ich plötzlich einem Geistesblitz oder einer Idee nachhänge, die eine der Glaubensfloskeln in mir ausgelöst hat.

Das Glaubensbekenntnis ist ein uralter Text. Es entstand mit der Kirche. Als das Neue Testament aufgeschrieben wurde, wurden auch die Vorläufer unseres Glaubensbekenntnisses formuliert. Lange bevor es orthodoxe, koptische, katholische, evangelische, unierte, lutheranische, reformierte, baptistische, apostolische, anglikanische, puritanische, methodistische Christen gab, gab es Formeln, die den christlichen Glauben gegen den Glauben anderer abgrenzten.

Heute steht man als ziemlicher Idiot da, wenn man auf die Jungfrauengeburt pocht, oder darauf beharrt, dass ein Mensch erst echt tot und dann wieder echt lebendig war – und noch ist. Tote werden nicht lebendig. Lebende werde nicht 2.000 Jahre alt. Und kommt jemand auf die „heilige Kirche“ zu sprechen, ergießen sich kübelweise unheilige Geschichten über ihn. Nebenbei bemerkt, ist es interessant, was manche Leute über das Christentum wissen, ohne gläubig zu sein, ohne in die Kirche zu gehen, ohne sich in irgendeiner Form mit Kirche zu beschäftigen. Sind es göttliche Eingebungen?

Trotzig wird das Glaubensbekenntnis Sonntag für Sonntag, Gottesdienst für Gottesdienst aufgesagt. In einem Akt von Selbstverleugnung, wider besseres Wissen werden die Glaubenssätze wiederholt. Glauben Gottesdienstbesucher, was sie bekennen. Die Antworten reichen von einem klaren Ja – die Glücklichen – bis zu einem klaren Nein. Und werden sie gefragt, warum sie mitsprechen, wenn sie es nicht glauben, werden Erziehung und Tradition genannt. Man dürfe es nicht wörtlich nehmen und müsse es richtig auslegen. Sie heben das Glaubensbekenntnis auf eine unangreifbare Metaebene, sodass es als Bekenntnis des Glaubens abgelegt wird, ohne dass daran geglaubt wird. Hört sich komisch an, ist aber so.

Menschen können das. Sie wünschen Dir „einen guten Tag und viel Erfolg“, drehen sich um und überlegen, wie sich Dich am besten übers Ohr hauen.

So sprach und spreche auch ich diesen Text immer aufs Neue und immer aufs Neue kratzt es mich, warum Gott nicht machen kann, dass mir der Text ohne Zweifel und Nachdenken über die Lippen geht. Hier die Version, die mich seit Konfirmationszeiten begleitet:

1. Ich glaube an Gott,
2. den Vater, den Allmächtigen,
3. den Schöpfer des Himmels und der Erde.

4. Und an Jesus Christus,
5. seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn,
6. empfangen durch den Heiligen Geist,
7. geboren von der Jungfrau Maria,
8. gelitten unter Pontius Pilatus,
9. gekreuzigt, gestorben und begraben,
10. hinabgestiegen in das Reich des Todes,
11. am dritten Tage auferstanden von den Toten,
12. aufgefahren in den Himmel;
13. er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
14. von dort wird er kommen,
15. zu richten die Lebenden und die Toten.

16. Ich glaube an den Heiligen Geist,
17. die heilige christliche Kirche,
18. Gemeinschaft der Heiligen,
19. Vergebung der Sünden,
20. Auferstehung der Toten
21. und das ewige Leben.

Amen.

Quelle: Apostolisches Glaubensbekenntnis, Evangelisches Gesangbuch (Rheinland, Westfalen, Lippe)

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Kommentare zu diesem Text

Caty (71)
(10.06.12)
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 loslosch (10.06.12)
Glauben Gottesdienstbesucher, was sie bekennen. [fragezeichen]

ein (promovierter?) theologe weiß, dass pontius pilatus ein fremdkörper im bekenntnis ist. hier gehts zum eigenlob:   Sprichwörtlicher Pilatus lo
(Kommentar korrigiert am 10.06.2012)

 Rudolf meinte dazu am 10.06.12:
Wie es Pontius Pilatus ins Glaubensbekenntnis geschafft hat, ist mir auch absolut schleierhaft. Noch bekloppter finde ich, dass das ganze Leben Jesu auf eine Zeile eingedampft wird: gelitten unter besagtem.
Danke und schönen Sonntag.

 loslosch antwortete darauf am 10.06.12:
"post mortem" aber in 6 ziffern!
(Antwort korrigiert am 10.06.2012)

 Dieter Wal schrieb daraufhin am 29.01.24 um 12:06:
@Rudolf: Dass im Glaubensbekenntnis das gesamte Leben Jesu großzügig übergangen wird, liegt am paulinischen Christentum. Denn was sich in den meisten christlichen Konfessionen etablierte, ist prinzipiell paulinisches Christentum, das komplett ohne die Evangelien und Jesu Predigten auskommt, doch da dies nur die halbe Wahrheit ist, auch über Evangelientexte predigt. Die russ. orthodoxe Kirche hat einen etwas stärkeren Akzent auf johannäischem Christentum inklusive der damit verbundenen Fehler.
Menschenkind (29)
(17.06.12)
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 Rudolf äußerte darauf am 17.06.12:
Das ist ja mal Kommentar! Ich freue mich und bekomme Lust, mehr zu schreiben. Vielen Dank.

 MrDurden (18.06.12)
Ich finde diesen bedingungslosen Fanatismus in 21 Punkten, den Menschen ohne Zweifel und Nachdenken wie Mantras vor sich hinbrabbeln, nicht weniger als gefährlich. Diese weltfremde Borniertheit hat so viel Leid über die Welt gebracht. Das tut sie noch immer und das wird sie immer tun.

Jedem seinen Glauben. Aber sich das Hirn mit hirnlosen Phrasen waschen zu lassen, ohne überhaupt einen Gedanken daran zu verschwenden.... an solchen Menschen hat die Evolution wirklich versagt. Glücklich derjenige mit der Chance, sein Weltbild selbst zu formen, statt seinen Eltern und Mitmenschen ausgeliefert zu sein.

 franky (29.07.12)
Hi Rudolf,

„11. am dritten Tage auferstanden von den Toten,
12. aufgefahren in den Himmel;“

Frage mich: Warum muss Jesus lebendig werden, um in den Himmel auffahren zu können? Kann nur ein lebendiger Jesus neben seinem körperlosen Vater im Himmel sitzen;
Den Gläubigem Volk wurden Unzahl von Dogmas in den Kopf gesetzt, damit sie besser steuerbar werden und nur Priester berechtigt waren, kleine Gedankenausflüge unternehmen zu dürfen.

Dein Beitrag hat mir Eindruck gemacht.

Liebe Grüße

Franky
Gedanke zum Sonntag
Caty (71)
(29.07.12)
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Adelheid (54)
(27.09.12)
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