Seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn

Text zum Thema Glaube

von  Rudolf

Noch eine Zeile, die wie ein alter Wollpullover auf nackter Haut kratzt. Ich, wenn ich denn ein ordentlicher Christ sein will, soll glauben, dass Gott einen eingeborenen Sohn hat. Das ist ein starkes Stück. Wie schon bei Vater, Allmächtiger und Schöpfer sehe ich die Verletzung des Bildnis-Verbots.

Gott hat einen Sohn, das ist Gotteslästerung.

Eingeboren, was soll das bedeuten? Dass er genau einen Sohn hat, der nicht gezeugt wurde, sondern Teil des Ursprungs aller Ursprünge ist? Quatsch! Warum habe ich ihn in der zweiten Zeile als Vater angeredet? Ich bin auch sein Sohn. Oder sind nur Gott und Jesus Vater und Sohn? Und überhaupt! Eingeborene sind an den Rand gedrängte Ureinwohner. So macht glauben keinen Spaß! Sinnfreie Floskeln in einer unverständlichen Sprache. Wenn Jesus so mit seinen Getreuen geredet hätte, wäre ihm das Kreuz erspart geblieben.

Am einfachsten ist, man streicht den „eingeborenen Sohn“ aus dem Glaubensbekenntnis. Außer Verwirrung bringt er nichts.

Dagegen steht, dass Jesus ans Kreuz geliefert wurde, genau aufgrund der Aussage, er sei Gottes Sohn, gerade weil es so gotteslästernd ist. Als Gottes Sohn bekommt er Autorität. Gott ist der Vater, der Allmächtige. Ich stecke in einem klassischen Dilemma. Egal was ich glaube, es ist falsch, aber wo steht, dass glauben einfach ist.

Das „unsern Herrn“ akzeptiere ich. Das muss ich nicht glauben. Jesus ist der Herr. Ich kann ihn leicht als solchen annehmen. Im Glaubensbekenntnis stehen keine weiteren Anforderungen an mich. Mir entstehen keine Verpflichtungen.

Die Geschichten aus dem „Neuen Testament“ liefern das Bild eines sehr verständnisvollen Herrn. Nie überfordert er jemanden, immer holt er die Menschen dort ab, wo sie sind. Erst bei näherem Hinsehen werden Abgründe sichtbar, was ich alles in meinem Leben ändern muss, um Jesu im Sinne eines Herrn zu folgen.

Im Glaubensbekenntnis spielt es keine Rolle. Jesus wird mit dem unglaublichen, unverständlichen „eingeborenen Sohn“ und dem mit Vorsicht zu genießenden „unseren Herrn“ eingeführt.

Es ist der Anfang der Entmenschlichung Jesu.

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Kommentare zu diesem Text

Jack (33)
(15.07.12)
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 Dieter Wal meinte dazu am 31.01.24 um 10:32:
Danke für den wundervollen Kommentar, Jack.

 Sturmhexe (29.07.12)
Wenn dich das "eingeboren" stört: im Englischen steht für eingeborener Sohn meist "only begotten Son", was sich auch einziggezeugter Sohn übersetzen lässt, oder als in die Welt gesetzt. Ist das etwas beruhigender?

 Dieter Wal (31.01.24, 10:37)
Ist hier nicht vielleicht mit die Logos-Lehre des Johannesenvangeliumsprologs mit gemeint? Mir erscheint diese Formulierung auf die später entstandene Trinitätslehre indirekt hinzudeuten, wo solches "Eingeborensein" schematisch und logisch durchdacht thematisiert wird.
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