Geschnitten wird so oder so

Text zum Thema Religion

von  Sylvia

Interessiert verfolgte ich einen Beschneidungs-Diskurs zum Für und Wider des Kölner Gerichtsurteils.
Jeder Teilnehmende bekam seine Freisprechminuten um darzulegen, warum das Urteil positiv bzw. negativ aufgenommen wurde. Für mich die Chance, kleine  Einblicke in die jüdische und muslimische Glaubensformen zu gewinnen, um mich darüber aufzuklären, warum die Beschneidung der Jungen so immens wichtig ist?

Einer der Talkgäste war ein Rabbiner. Er wirkte sympathisch, mit grauem Bart und einer genialen Gelassenheit, die nur Großvätern innewohnt, auch ehrlich. Sehr bestimmt zitierte er: „Ein männliches Kind wird am achten Tag nach seiner Geburt das Bündnis zwischen Gott und dem Volk Israel durch die Beschneidung der Vorhaut festigen.“ Punkt!

Ja, Punkt. Mein teilweise verschüttetes Erinnerungsrepertoire buddelte sich in die Gegenwart. Diesen 'Blick mit dem Punkt' kannte ich sehr gut. Da konnten sich meine Fragezeichen quer stellen, mit Hula-Hopp Reifen um sich werfen, oder sich lautlos durch meine Lippen zwängen. Punkt war Punkt und blieb Punkt. Danach gab es nur Wüste, Abgrund oder viel Nichts.
Eine muslimische Rednerin übte das mit dem 'Blick und Punkt' noch, doch klüger wurde ich nicht.
Als die Moderatorin einen Kurzfilm ankündigte, in dem muslimische Jungen zur Beschneidung befragt wurden, horchte ich auf.
Die Meisten empfanden ihre Beschneidung weder dramatisch noch einschneidend. Allerdings wurden sie schneidend still bei der Frage, warum die Beschneidung vorgenommen wurde? Der Antwortstenor lautete: weil es so ist.
Hm. Weil es eben so war, bekam ich keine nachvollziehbare Erklärung.
Fast nebensächlich erwähnte ein Jugendlicher, ohne Beschneidung bekäme er keine Frau und ein anderer flüsterte, man gehöre dann nicht zur Gemeinschaft.
Nun rollten meine Fragezeichen.
Inwieweit werden Jungerwachsene oder Eltern innerhalb ihrer Glaubensrichtung unter Druck gesetzt?
Wie sieht es mit der Toleranz einer Religionsgemeinschaft aus, wenn ein Gläubiger die Beschneidung verweigert?


Doch ich ahne, es bleibt bei 'Blick und Punkt'.

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Kommentare zu diesem Text


 Momo (18.07.12)
Hallo Sylvia,

es ist schon eine Weile her, dass ich mich ausführlicher mit der Beschneidung befasste, von Frauen als auch von Männern.
Ein wichtiges Argument, weil es immer wieder herangezogen wird zur Rechtfertigung, ist das der Reinlichkeit und Hygiene (bei Männern). Bei den Frauen bzw. Mädchen ist es wohl eher die Reduzierung ihrer Sexualität auf die Ehe. Indem ihre Lustfähigkeit weitgehend ausgeschaltet ist durch die Beschneidung, hat sie auch weniger Interesse an außereheliche Kontakte.
Aber die Beschneidung hat ja auch Auswirkungen auf die Sexualität des Mannes! Bei meiner damaligen Recherche stieß ich im Internet auf den Bericht eines muslimischen Mannes, der seine Beschneidung als Kind als Horror erlebte, als schmerzhafte Körperverletzung (sicher kein Einzelfall), und ein Mann, der sich später dazu entschlossen hatte, bereute es sehr, denn seine sexuelle Empfindsamkeit war durch die Entfernung der Vorhaut seitdem stark herabgesetzt.

Festzuhalten ist also, dass in beiden Fällen, bei der Beschneidung der Mädchen als auch der Jungen, die sexuelle Lustfähigkeit reduziert wird.
Vielleicht ist das auch einer der Gründe, die hinter dem Punkt ungesagt und damit unsichtbar stehen.

Liebe Grüße
Momo

 Sylvia meinte dazu am 18.07.12:
Hallo Momo,

dieses Ungesagte und Unkritische hinter dem Punkt empfinde ich als sehr störend. Gerade im Hinblick auf die Integrationsdebatten, die m.E. nur durch viel Verständnis mit- und füreinander funktioniert bleiben die Fragen der eigenen Toleranzfähigkeit ungeachtet.

Ich finde die Männer sehr mutig, die mit ihrem Erlebten nach außen gehen. Wohl wissend, das sie dann geschnitten werden.

Ich danke dir für deinen sehr aufschlußreichen Kommentar

lieben Gruß
Sylvia
swetlana (51) antwortete darauf am 14.10.15:
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Gringo (60)
(18.07.12)
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 thomas schrieb daraufhin am 18.07.12:
Das ist vernünftig.
Regenschirm schenk (Seide natürlich!)

 Sylvia äußerte darauf am 18.07.12:
Hallo Gringo,

ich fürchte, du hast es auf den Punkt gebracht. Denkbar schlecht ist es allerdings, von anderen Toleranz zu fordern, wenn keine eigene Toleranzbereitschaft besteht. Mies finde ich es dann, wenn keine Argumente mehr da sind, auf den zweiten Weltkrieg anzuspielen, der dann die ultimative Ohrfeige darstellen soll um freies Denken mund- und tonlos zu machen.

lieben Gruß
Sylvia
Gringo (60) ergänzte dazu am 18.07.12:
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 Sylvia meinte dazu am 18.07.12:
Hallo Gringo,

nein, dich meine ich nicht. Das war der Tenor verschiedener Diskussionsrunden innerhalb der Religionen.
Sorry, wenn es falsch rüberkommt.

lieben Gruß
Sylvia
fragilfluegelig (49)
(18.07.12)
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 Sylvia meinte dazu am 18.07.12:
Hallo fragilfluegelig,

die Fragen werden nicht aufhören.:-)

Selbst wenn die Beschneidung verschoben wird, bis der Junge selbst entscheiden kann, bleibt ihm nur die Wahl zwischen be- oder geschnitten. Eine Wahl, die wohl kaum eine Wahl sein kann. Es wird Blick und Punkt bleiben.

Danke dir und lieben Gruß
Sylvia

 thomas (18.07.12)
Moin!

Die Überschrift finde ich richtig gut!
Du näherst Dich dem Thema nach dem "Uschi-Prinzip".
Kann man machen ...

Gestolpert bin ich über:
"..., auch ehrlich"
"Eine muslimische Mittalkerin hatte das mit dem Punkt und nichts noch nicht drauf aber klüger wurde ich nicht."
"Glaubensform"

vg thomas

 Sylvia meinte dazu am 18.07.12:
Hallo Thomas,

ich danke dir für deine Anregungen und werde die RS verbessern.

Uschi Prinzip passt nicht zum Text und "auch ehrlich" ist im Hinblick auf die grundehrliche Großväterausstrahlung gemünzt

lieben Gruß Sylvia
Gringo (60) meinte dazu am 18.07.12:
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Steyk (61)
(18.07.12)
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 Sylvia meinte dazu am 18.07.12:
Hallo Stefan,

dieser automatische Ausschluss ist traurig. Hoffentlich wird es zukünftig nicht so bleiben.

Ich danke dir und lieben Gruß
Sylvia

 loslosch (18.07.12)
alternativ: wer nicht beschnitten ist, wird geschnitten. lo

 Sylvia meinte dazu am 18.07.12:
Hallo Lo

jepp, darauf läuft es wohl hinaus. Zweifel an der Religion gibt es nicht. Nur eine angebliche Wahl.

Danke dir und lieben Gruß
Sylvia

 MrDurden (11.08.12)
Ich finde es schlimm, dass viele Leute zu glauben beginnen, Beschneidung bei Jungen sei nur für religiöse Gemeinden wichtig.

Ebenso schlimm ist es, die möglichen Folgen außer Acht zu lassen, die auftreten können, wenn Jungs als Baby nicht beschnitten werden (z.B. extrem schmerzhafte Vorhautverengung, höheres Risiko von Geschlechtskrankheiten).

Aber mit Abstand am schlimmsten finde ich die "professionellen" Meinungen irgendwelcher "höchst besorgter" (weiblicher) Talkgäste, die selbst keinen Schwanz haben, aber dennoch glauben, sie täten kleinen Jungs einen Gefallen, wenn sie ihren absolut unsinnigen Senf zu einer Diskussion geben, über die sie sich vor diesem absurden Gerichtsurteil nicht mal ansatzweise Gedanken gemacht haben.

Mehr als ein Drittel der männlichen Weltbevölkerung ist beschnitten. Man sollte vielleicht mal ernsthaft gegen die Beschneidung von Mädchen vorgehen, statt sich über etwas vollkommen triviales den Kopf zu zerbrechen.

Guter Text übrigens David
swetlana (51) meinte dazu am 16.10.15:
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Baldachin (55)
(24.11.12)
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 Sylvia meinte dazu am 22.01.13:
Hallo Baldachin,

ich danke dir für die Glückwünsche und freue mich, das es noch Wunder gibt :))))

lieben Gruß
Sylvia
Schrybyr† (67)
(18.08.13)
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 Sylvia meinte dazu am 19.08.13:
Hallo Schrybyr,

"besteht Religion aus Rechthaberei?" Ja, zum Teil schon. Ich vermute, der Mensch brauch eine allgemeingültige Rechtfertigung für Kämpfe und Kriege und es ist doch einfach sich auf die Religion zu beschränken. Zumindest erlaubt die Religion die schlimmsten Gräultaten mit einer "weißen Weste" wenn man es krass formulieren würde :)
Hab Dank für deinen Kommentar, der wieder viele Fragezeichen aufwirft
lieben Gruß
Sylvia
Schrybyr† (67) meinte dazu am 19.08.13:
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 AlmÖhi (05.11.17)
Der theoretische Punkt schafft, nicht zu vergessen, einen faktischen Punkt. Die geschaffene Tatsache begleitet den Betroffenen für den Rest seines Lebens. Schon interessamt, daß von allen uralten Ritualen gerade dieses in dem Maße bis heute überdauerte.

 Sylvia meinte dazu am 05.11.17:
Ja, wobei viele Rituale, ich erinnere an Leben MIT der Natur, besser wären. Danke für deinen Kommentar.
LG Sylvia
Teichhüpfer (56)
(05.11.17)
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 Sylvia meinte dazu am 05.11.17:
Natürlich soll jeder selbst wählen. Doch ich finde es auch wichtig, Abläufe zu verstehen oder in Frage zu stellen. Religionen werden oft für Kriege missbraucht, der wahre Grund wird verschleiert, meines Erachtens nach. Also alles in Buddha :)
LG Sylvia

 harzgebirgler (30.11.17)
die vorhaut hat natürlich einen sinn -
das gegenteil steckt in beschneidung drin!

herzliche abendgrüße
harzgebirgler

 Sylvia meinte dazu am 01.12.17:
Äh, was da drin steckt, weiß ich nicht,
ist auch nicht meine Pflicht :0)

Hab einen feinen Abend und danke
Sylvia
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