Geboren von der Jungfrau Maria

Text zum Thema Glaube

von  Rudolf

In Zeile Sieben des Glaubensbekenntnisses erreiche ich einen Gipfel der Unglaublichkeiten: die Jungfrauengeburt. Bibelforschung redet von einem Übersetzungsfehler, „junge Frau“ sei gemeint nicht „Jungfrau“. Verschwörungstheorien ranken sich um alte, ergraute, gehässige Männer, die die Geschichte Jesu verzerrten, die den lebenslustigen Jesus, der den menschlichen Lüsten offen gegenüberstand, für ihre Zwecke zurechtstutzten. Wie kann Jesus aus dem Haus David sein, wenn er gar nicht von einem Nachkommen Davids gezeugt wurde. Was soll der Stammbaum Jesu Christi von Abraham bis Josef, wenn Josef gar nicht zum Zug kommt? Fragen über Fragen. Mein Pfarrer, der auf alles eine Antwort hat, sagt, mit Logik und Wissenschaft könne man die Bibel nicht begreifen, nur mit dem Herzen.

Wie bitte? Auch professionelle, bezahlte, Vollzeit-Gläubige strecken die Waffen?

Mein Herz schreit: „Glaube es nicht!“

Welch kleingläubige, engstirnige Vorbeter haben diese Zeile in das Glaubensbekenntnis gezwungen. Wie eine Phalanx stehen sie der Sehnsucht der Menschen nach Gott und seiner Sehnsucht nach ihnen trennend im Weg. Die Tore zwischen Gott und den Menschen sind verbarrikadiert durch offensichtlich falsche Aussagen, die den Gläubigen gebetsmühlenartig eingetrichtert werden. Was mehr als Lippenbekenntnisse kann ich heute erwarten? Und doch wird krampfhaft daran festgehalten, darauf gepocht. Mitgliederzahlen sinken, da die göttliche Glut erstickt wird und der Funke nicht überspringen kann. Ich wünsche mir möglichst viele Austritte aus den Kirchen, bis die Obrigkeit den Wahnsinn endlich abstellt.

Maria wird zur Nymphe (de)gradiert. Jesus wird beschädigt. Ich glaube an den Menschen Jesus. Das Glaubensbekenntnis dagegen verlangt, dass ich einen Gott oder Halbgott verehren soll.

So stehe ich sonntags in der Kirche und muss mich wundern, wie unlogisch, unwissenschaftlich und unglaublich das Christentum ist. Wundern. Das Wunderbarste an der Jungfrauengeburt ist, dass Millionen von Menschen diese unglaubliche Zeile aufgezwungen wird und sie sich dennoch als Christen bezeichnen. Ein Wunder, dass 99 % der Christen, wissen, dass Jungfrauen keine Kinder bekommen und trotzdem ohne Murren diesen Satz beten. Welch eine Demut!

Ich bin Christ, ich glaube an Gott, aber ich glaube nicht an die Jungfrauengeburt.

Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren

Kommentare zu diesem Text


 franky (29.07.12)
Hi lieber Rudolf,

Kann deine Gedankengänge nachvollziehen und teile deine Schlussfolgerungen. Dass Jesus das einzige Kind von Maria war, ist auch so ein Unding in der Kirchlichen Philosophie. Jesus ist doch mit seinen Brüdern durch die Welt gezogen und hat seine Wunder vollbracht, was ihm nicht abzusprechen ist, es gibt sie auch heute noch.

Sonntagsgrüße

Franky

 loslosch (29.07.12)
ich konnte das mal frei aufsagen alles.

auf den nächsten text bin ich gespannt:

geboren von der Jungfrau Maria,
gelitten unter Pontius Pilatus, ...

so heißt es im apostolischen glaubensbekenntnis weiter.

wie kam eigentlich P. P. ins glaubensbekenntnis? lo

 Lala (29.07.12)
Mit dem Satz hatte ich nie großartige Probleme. Warum sollte so einer wie Gott sowas nicht schaffen können, hm? Und selbst wir Homos müssten es doch heute auch schaffen können, oder? Oder nicht?
Rein wissenschaftlich gesprochen und unter Mißbrauch einer unschuldigen Jungfrau, könnte man doch mit sehr vorsichtiger In-vitro-Fertilisation und keinen anschließenden wöchentlichen, wenn auch göttlichen, Ultraschalluntersuchungen sowie eines nicht vaginalen Auslieferwegs dafür aber einem smarten Kaiserschnitt so ein Jesus-Jungfrauenbaby nachamen können, oder? Sogar als Massenware, wenn das funzen würde?
Wir könnten das ja mal an Schafen ausprobieren. Am besten an jungfräulich geklonten Dollys. Da fällt mir ein, wenn ich Gott gewesen wäre, ich hätte Abraham, Moses oder Noah oder wer da grad in der Wüste oder auch unter einem Baum auf einen Input wartete auch nichts vom Urknall, von mehrdimensionalen, fadsenförmigen Welten erzählt, vom faszinierendem Verhalten eines Elektrons, von Dolly dem Schaf oder sie mit Schrödingers Katze konfrontiert. Die hätten mir doch dann keine zwei Sekunden zugehört bzw. auch nur ein Wort geglaubt! Die hätten sich weiter an ihren Schafen vergangen, lieber Rudolf und dann hätte es sich was gehabt mit Gott, dann wäre ich, sorry: Gott gleich Geschichte gewesen.
Dann lieber schön unwissenschaftlich, aber leidenschaftlich durch einen brennenden Dornenbusch - oder ähnlich coolem Budenzauber - verkünden: Am Anfang war das Wort und das Wort war bei Gott.
Bei Gott ein grandioser Anfang und viel geiler als dieser dann doch eher flach anmutende Taschenspielertrick mit der jungfräulichen Geburt angesichts eines Wizards Of Urknall.

Schönen Gruß vom Aushilfsgott

Lala
(Kommentar korrigiert am 29.07.2012)

 Mondgold (29.07.12)
klingt ein wenig wie: des kaisers "alte" kleider. doch wer zeigt hier mit dem nackten (?) finger und ruft?
Mein Herz schreit: „Glaube es nicht!“

ein beherzter (herzkluger) denker?
auch da wird wohl der leser, nicht nur seinen kopf fragen müssen (-:
ich für meinen teil glaube nicht, dass gott wollte, dass wir unseren verstand ausknipsen, sondern eher, dass wir ihn "hellwach halten müssen", damit er damit was anfangen kann ...
wie im himmel so auf erden, sollte ja hoffentlich keine drohung sein *g*

sonntagsgrüße M*

 Dieter Wal (31.01.24, 12:06)
Eine kommentierte Bibel und Bibellexika könnten hier helfen. Dann versteht man, wie die Biblia Hebraica (Tanach) während der Zeit des hellenistischen Judentums als Septuaginta auf Griechisch übersetzt wurde und welche Bedeutungsverschiebungen damit verbunden dafür sorgten, dass auch heute noch zahlreiche Jesusschlümpfe an die Jungfrauengeburt glauben. Selbst die revidierte katholische Einheitsübersetzung erklärt die Stelle erstaunlicherweise mittlerweile philologisch korrekt und nicht röm.-kath. dogmatisch, wenn ich nicht irre.
Möchtest Du einen Kommentar abgeben?
Diesen Text kommentieren
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram