Am Abend, als ich meine Frau verließ, briet ich ein Huhn

Monolog zum Thema Ehe

von  ZAlfred


Natürlich würde ich es niemals wieder tun. Wirklich! Kein zweites Mal. Es soll nicht wieder vorkommen. Es ist ja auch wenig wahrscheinlich. Lucille nähme mich niemals zurück – selbst wenn ich mit einem Lottoschein angekrochen käme und ihr einen Sechser mit Superzahl und fünfzehn Millionen im Jackpot präsentieren könnte. Deshalb könnte ich sie auch kein zweites Mal verlassen.

***Keine Frau hält eine zweite Chance parat für den Mann, der sie schon mal allein zurückgelassen hat. Nicht, wenn sie noch alle Sinne beisammen hat. So blöde ist keine. Die Beule, die Lucilles Nudelholz mir heute Nachmittag auf die Stirn gepflanzt hatte, pochte mir schon seit Stunden das einzige wirklich schlagkräftige Argument meiner Ex direkt ins Hirn.

***Wie sehr hatte es mich getroffen - damals, vor vier Wochen, als meine Lucille, meine Ehefrau, Freundin und Geliebte, mir erklärte, sie hätte mit ihrem Kollegen geschlafen. Ich kannte ihn schon lange aus ihren Erzählungen. Michael hier, Michael da! Michael, der sie morgens im Büro aufmunterte, wenn sie schlechter Laune war. Michael, der sie selbstverständlich zuhause abgeholt und in seiner S-Klasse zu dem Konfliktmanagement-Seminar in den Schwarzwald kutschiert hatte.

***Und die Überschrift Konfliktmanagement nahmen die beiden zum Anlass, im Konflikt zwischen Reise- und Seminarkosten auf der einen Seite und partnerschaftlichen Verpflichtungen auf der anderen, sich zu Gunsten ersterer zu entscheiden. Sie hatten dann offenbar drei aufregende, knisternde Nächte miteinander erlebt – was sag' ich, durchgefickt hatten sie! Das gesamte Kamasutra durchgebumst, einmal rauf und wieder runter! Gerammelt, bis sie wund waren! Und als Lucille dann am Donnerstag der Kater packte und bei ihr der große Katzenjammer einsetzte, war sie mit dem Zug nach Hause gefahren!

***Ich stand am Donnerstagabend daheim in der Küche und hatte ein Hähnchen in der Röhre. Ein Brathähnchen so wie die Oma es immer gemacht hatte. Gefüllt mit Semmeln, die mit Bier vollgesogen waren, Rosmarinzweige, Knoblauchzehen und bretonische Butter mit groben Meersalzbrocken unter die Haut geschoben, garte das Tierchen bei knapp neunzig Grad langsam vor sich hin und wartete auf die abschließende Hitzeperiode unter dem Grill.

***"Mhmm, wie das duftet!" Das waren ihre ersten Worte, nachdem Lucille durch die Tür gekommen war. Und dann folgten die unheilverkündenden Worte: "Ich habe eine Dummheit gemacht ... mit Michael ... " Weiter kam sie nicht. Ich hatte mich auf der Stelle umgedreht, die Schürze geöffnet und ihr über den Kopf geworfen. Damit erstickte ich ihren Wortfluss und gewann die Sekunden, die sie brauchte, um sich darunter zu befreien, um den Autoschlüssel und meine Jacke zu greifen. Ich stürmte durch die Haustür zum Auto und war fort, bevor sie auch nur begriff, dass ich gegangen war.

***Nur dumm, dass ich ihr das Hähnchen ließ, das war meins!

***Auch egal. Mir reichte es endgültig! Nach Thomas, dem doch nicht schwulen Friseur, war es Achim, der niiiedliche Fitness-Trainer gewesen und danach war es Claude, der Masseur im Club-Med oder war doch Heinz-Herman, der Abteilungsleiter in der Agentur davor dran gewesen? Egal, jedes Mal war es dasselbe gewesen "Ich hab eine Dummheit gemacht ... Wenn Du mich liebst, dann verzeihst Du mir doch?" Jedes Mal hatte ich ihr verziehen. Dieses Mal nicht!

***Doch nach vier Wochen ohne Lucille - vier Wochen ohne Licht, ohne Wärme, ohne Leben – war klar, ich konnte nicht ohne sie leben. So war ich heute zu ihr zurückgekommen. Und dann das: Sie lachte mich aus. Michael stand neben ihr und lachte mit ihr.

***Er trug meine Schürze.

***Und meine Flip-Flops!

***Und er hielt meine Lucille in seinem Arm!!

***Und er trug meine Flip-Flops!!!

***Ich wollte ihm an die Gurgel, als Lucille mich mit dem Nudelholz niederschlug.

***Jetzt weiß ich Bescheid.

***Und heute Abend brate ich mir ein Huhn!



© ZAlfred 2011


Anmerkung von ZAlfred:

Meine liebe Kolleginnen schrieb mir diese eMail:

Hallo ZAlfred,

mir saß heute in der S-Bahn eine Frau gegenüber, die ein Buch mit dem völlig bekloppten Titel "An dem Abend, als ich meine Frau verließ, briet ich mir ein Huhn" las. Ich dachte, das wäre doch mal eine Herausforderung für Dich! Schreibe doch mal eine Kurzgeschichte zu diesem Thema

An dem Abend, als ich meine Frau verließ, briet ich mir ein Huhn

Ich bin gespannt und könnte mich bei dem Titel immer noch halb abrollen )

Gruß und bis morgen

Natürlich habe ich diese Herausforderung bereitwillig angenommen. Diese Geschichte kam dabei raus.


Übrigens, sie hatte dieses Buch gemeint, das dann folgerichtigerweise für meine Geschichte titelgebend geworden ist:

Am Abend, als ich meine Frau verließ, briet ich ein Huhn: Ein kulinarischer Roman

von: Abe Opincar
Gebundene Ausgabe: 196 Seiten
Verlag: Schirmergraf; Auflage: 1., Aufl. (22. September 2006)
Sprache: Deutsch
ISBN-10: 3865550339
ISBN-13: 978-3865550330
Originaltitel: A Food Memoir

Eines sei hier noch zu meiner Schande angemerkt, ich habe bis heute ich jenes Buch nicht gelesen.

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (31.07.12)
DIESES Rezept werde ich mir ausdrucken! ;)
Seeehr unterhaltsam!

 ZAlfred meinte dazu am 31.07.12:
Danke für Dein schönes Feedback. Du bringst mich auf den Gedanken, in Erwägung zu ziehen, den Spuren von  Marx Rumpolt   zu folgen.
Berichtest Du, wenn Du es nachgekocht und gekostet hast, wie es Dir geschmeckt hat?
(Antwort korrigiert am 31.07.2012)
Gringo (60)
(31.07.12)
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 Skala antwortete darauf am 31.07.12:
Die Idee mit dem Titel des Monats finde ich genial!

Und auch sonst möchte ich mich Gringo größtenteils anschließen, bis auf die Sache mit dem Prot. Ich kann durchaus verstehen, dass er nach dem x-ten Mal Gehörntwerden irgendwann die Pöle zieht... na ja, hinterher wieder angekrochen zu kommen ist vielleicht nicht sooo konsequent, aber immerhin waren da ja noch Schürze und FlipFlops, die hätte ich mir auch wiedergeholt. :)

LG, Ranky.
(Antwort korrigiert am 31.07.2012)

 ZAlfred schrieb daraufhin am 31.07.12:
Moinsen, meine liebe Gringa,
bei deinem Kommentar, da schlüge ich vor Freude glatt 'nen Purzelbaum, wenn dem nicht mein Leben (und mein Lebensalter) im Wege stünde. Ich teile mit meinen Protagonisten (diesem wie auch so manch andrer Figur, die ich entwarf) grundsätzlich das grausame Los, kein strahlender Siegertyp zu sein, bei dem alles gut ausgeht. Mir gefällt es, das Leben und die Menschen so unvollkommen und verletzlich zu zeigen, wie mir beides oftmals erscheint. Keine Macht dem Happy-End, das darf Hollywood gerne behalten.

Mir gefällt Dein Gedanke, auf einen gemeinsamen "Titel des Monats" verschiedene Autoren loszulassen. Mit Blick auf die hiesigen Lesegewohnheiten sollten wir [Ja, wir! Soll heißen: ich bin dabei!) uns freiwillig auf eine anzustrebende Wortzahlobergrenze (z.B. 750) beschränken. Andernfalls liest - abgesehen von denen die "mitspielen" - diese Geschichten womöglich kein Schwein.

Um mal einen Anfang zu machen, eine willkürliche Auswahl absurder Buchtitel, nur so, zur Einstimmung:
"Begegnung mit dem Serienmörder. Jetzt sprechen die Opfer" von Stephan Harbort
"Die Hungrigen trinken zuwenig" von Elseff Hobschar
"Idylle mit ertrinkendem Hund" von Michael Köhlmeier
"Gräber selbst gestalten: Individuell Stilvoll Pflegeleicht" von Ulrike Müller-Kaspar und Manuela Prinz
"Sexualmoralische Verstehensbedingungen. Gleichgeschlechtliche PartnerInnenschaften im Diskurs" von Hedwig Porsch
"Wer bin ich - und wenn ja wie viele?" von Richard David
"Landwirtschaftliche Fahrzeuge beim Gülle- und Mistfahren" von Michael Schauer
"Ich reiß mir eine Wimper aus und stech dich damit tot" von Josef Winkler
"Vom Lustgewinn beim Speisen im Freien" von Ingrid Schick
"Glücksgeschwür" von Flavian Kurth

 ZAlfred äußerte darauf am 31.07.12:
Moinsen Ranky,

ja, genau, beim "Titel des Monats" geht's mir auch so. Alles sonst zu dem Thema habe ich oben bei Gringo schon abgeladen, außer der Frage, ob Du die dritte Interessentin wärest?
___________________________________________________

Schön, dass Du die etwas skurrileren Gedankenwelten von meinem Protagonisten nachvollziehen kannst. Noch viel mehr gefällt mir, wie zielstrebig Du die absolute und völlig subjektive Wichtigkeit der Flip-Flops bloßlegst. )

Ich bedanke mich ganz herzlich für Deinen liebenswerten Kommentar.

VlG
ZAlfred

 Skala ergänzte dazu am 01.08.12:
Ich hätte als Titel noch anzubieten: "Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand" (liegt gerade vor mir, deswegen. :D)

Ich mag die obigen Titel, hab ich festgestellt... ja doch. :D
Gringo (60) meinte dazu am 01.08.12:
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 ViktorVanHynthersin (31.07.12)
Eine schöne Idee gelungen umgesetzt. Hier noch ein Buchtitel:
Wie dick muss ich werden, um kugelsicher zu sein?
von Mick O'Hare - in diesem Sinne
Viktor

 ZAlfred meinte dazu am 31.07.12:
Lass Dich willkommen heißen und Dir für Deinen Kommentar danken, Viktor.
... einen hab ich auch noch für Dich:
"Oraler Sadismus und die vegetarische Persönlichkeit" von: Glenn C. Ellenbogen
VlG
ZAlfred
Gringo (60) meinte dazu am 31.07.12:
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 ZAlfred meinte dazu am 31.07.12:
Liebe Gringa,
ich lege noch einen Roman obendrauf. DAS Buch habe ich tatsächlich gelesen! Vor etwa fünfunddreißig Jahren. Den Titel werde ich meinen Lebtag nicht vergessen:
"Und meinem Neffen Albert vermache ich die Insel, die ich Fatty Hagan beim Pokern abnahm." von David Forrest

Eins noch: Deinen französischen Akzent find ich rattenscharf. *gg*
Gringo (60) meinte dazu am 01.08.12:
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