In einem Atemzug

Kurzgeschichte zum Thema Katastrophen

von  max.sternbauer

Der Mann  hinter der gelben Maske rennt aus dem Gebäude.
Seine schnellen Schritte bremsen abrupt vor der Treppe ab.
Sekunden rührt er sich nicht.
Wieso ist der Motor still.                                                                                                                        Nichts ist zu hören.
Ein Sprung über die Stufen, jagt über das asphaltierte Feld.
Mit der Faust schlägt er an ein Seitenfenster.
„Tu es“, brüllt er hinein.
Zwei, dreimal, ertönt etwas maschinelles Leben vorne.
Dann ist es wieder weg.
Die Gestalt im Wagen sackt in sich  zusammen.
Schwere  Atemstöße.                                                                                                                                Kurz und unregelmäßig.
Das war alles zu viel.
Nicht mehr zu ertragen. 
Der Sturm dauert schon viel zu lange.
Bei einer Katastrophe denkt man immer das sei etwas gewaltiges.
Das schnell und zermalmend  hereinbricht.
Wie eine Flutwelle.
Kurz und Gnadenlos.
Aber solche Dinge haben ihre Ruhephasen.
In denen zwischen den Trümmern gelebt wird.                                                                                  Und  man auf die nächste Welle wartet.
Der Mann hinter der gelben Maske spürt es.
Den Druck der sich hinter den Häusern  aufbaut.
„Er will nicht, dieser elende Dreckshaufen startet  nicht.“
Der Mann hinter der Gelben Maske schiebt die Gestalt von dem Fahrersitz weg.
Er betätigt die Zündung.
Eine Rote Lampe leuchtet.
„Du hast vergessen vor zu glühen. Blöde Sau.“
„Was,“ jammert  die Gestalt und beugt sich nach  vorne.
Seine Kraft gut einzuteilen erfordert noch mehr Kraft
Er muss etwas tief in sich aufstauen.                                                                                                Das es nicht ausbricht.
Idiot!
Noch nicht zusammen brechen.
Noch nicht.
Warten folgt, auf das die Rote Lampe erlischt.
Der Schrott muss sich erwärmen, sonst startet er nicht.
Das dauert.
Und hinten in den Gassen kommt es näher.
Die Motorhaube erzittert und rattert.
Da ist ein Schatten vorne.
Er hat es vergessen.
Er fliegt nicht, er hechtet nicht, er rennt nicht.
Er brennt die Weite nieder.                                                                                                              Zwischen sich und der Kiste mit dem Impfstoff.
Hin und zurück zum Wagen.
Zurück zum Wagen.
Zurück zum Wagen.
Zurück.
Schwarze Scheiben des Krankenhauskomplexes spiegeln alles.
Seinen ganzen Weg.
Seinen ganzen verfluchten langen Weg.
In Sicherheit, fahren wir in Sicherheit.
Da leuchtet eine Lampe aus einem Fenster.
Zwei Hände von unterschiedlichen Menschen packen die Gangschaltung.
Der Motor gurgelt.
Ist Bereit.
„Wir müssen nachsehen, sollen wir nachsehen.“
„Sag so einen Scheiß nicht, du weißt genau was wir müssen.
Wir sind schon viel  zu  lange hier.“
Keine Diskussionen.
Der Mann hinter der gelben Maske sprintet aus dem Wagen.
Hinter ihm Schrille Schreie.
Wieder spiegeln die Schwarzen Scheiben seine Schritte.
Ich will weg.
So viel von  irgendwas zwischen mich und dieser Scheiße bringen.
Aber die Arme Sau da oben kann er nicht alleine lassen.
Laufen durch leere Gänge.
Laufen durch Gänge wo die Dinge wie von einen Sturm quer geworfen herum liegen.
Wo ist das Zimmer?
Bin ich richtig?
In einem Zimmer voller Fische bleibt er.
Die Fische haben verträumt große Augen.
Und jeder zieht einen Regenbogenstreifen über die rosa Tapete.
Er sieht es nicht.
Ein Piepsen bringt ihn darauf.
Zu einem Glaskasten.                                                                                                                    Unterhalb der Lampe die noch leuchtet.
Er spürt das etwas darin schläft.
Etwas das zerbrechlich ist.
Wieso hast du dich vergessen lassen.
Mit einem klaren Blick  sieht er hinein
Ein kleiner Arm schaut zwischen den Decken heraus.
Wo auch transparente Schläuche hinein tauchen.
Wieso hast du dich vergessen lassen.
Er schiebt den Kasten soweit es mit den Stromkabeln eben geht.
Bis sie wie dicke Taue spannen.
Ich brauche einen Generator.
Oder was mache ich   
Er versucht einen Ordner zu finden.
Eine Krankenakte.
Wo vielleicht was drinnen steht.
Finden, finden tut er nichts.
Ich bin kein Arzt.
Bin kein Arzt.
Zurück bei dem Glaskasten sieht er wieder wie sich etwas bewegt.
Kurzer Blick auf die Kabel.
Scheißegal wir schleppen es nach unten.
Du musst durchhalten.
Wer du auch bist da drinnen.
Zurück zum Wagen.
Laufen durch leere Gänge.
Im Dunkeln läuft er gegen einen Fremden.   
Der drückt auf der Schalttafel des Lifts herum.
„Der geht nicht, warum geht denn der nicht, wissen sie vielleicht..........“
Kopfschütteln, dann drückt er wieder auf die Knöpfe.
Er murmelt ganz leise.
Macht keine Pause zwischen den Worten.
Weil es keine Pausen gibt in seinem dahin fließenden Singsang aus Worten.
Der Mann hinter der gelben Maske versucht in dessen Gesicht zu blicken.
Die müden alten stumpfen Augen suchen verwirrt nach einem Punkt.
Sie finden ihn nicht.
Der alte Mann war alt.
Den alten Mann später mit nehmen.
Auf dem Parkplatz ist es kalt
„Da oben sind noch  Zwei.“
„Was?“
„Ja die wurden vergessen.“ 
Schnell räumen sie den Wagen leer.
Doch leer wird er nicht.
Zu voll ist er auch noch, nachdem nur noch das nötigste im Wagen ist.
„Dann muss einer von uns hier bleiben.“
Das sagt er laut
Damit der alte Mann einen Platz hat.
Das spricht er nicht aus.
Beide schauen sich an.
Keiner will da bleiben.
„Gut wer macht es.“
Gut das du es noch aussprichst.
Den Gedanken folgt ein anderer Gedanke.
Den keinen von ihnen gefällt.
Zuerst tragen sie den Glaskasten zum Wagen.
Ein  letztes noch bevor wir gehen.
Der alte Man darf nicht weg sein.
Er darf sich nicht versteckt haben.
Diese Angst bringt ihn zum Schwitzen.
Ein alter verwirrter Mann verschwindet schnell in einem so riesigen Komplex.
Er findet ihn nicht.
Ich finde ihn nicht.
Laufen durch eine Galerie mit Fenstern auf der Rechten Seite.
Ein Stockwerk weiter unten sitzt er am Fenster und liest.
Der Mann hinter der gelben Maske erreicht den Raum.
Dort erwartet ihn ein Blick auf die Uhr und eine Frage.
Sie sind  nicht die Schwester.
Ohne ein Wort tritt der Mann hinter der Gelben Maske vor und packt einen  Arm.
Nein nicht, was wollen sie?
Kein Wort.
Keine Zeit.
Der Mann hinter Gelben Maske schraubt den Arm des Alten Mannes bei sich fest.
Leises Wimmern folgt der Abwärtsbewegung der Nadel.
Der Nadel der Spritze.
„Wieso wwwieso waswas.....................“
Der alte Mann wehrt sich so stark wie er kann.
Doch seine Kraft ist am  Ende.
Der Mann hinter der gelben  Maske rennt wieder den Gang hinunter.
Der alte Mann würde sicher vergessen was passiert war.
Und einfach schlafen.
Das war die beste Gnade die ich ihn geben kann.
Auch wenn ich dazu brutal sein musste.
Er würde es vergessen.
Wahrscheinlich.
War die Dosis hoch genug?
Sicher.
So sicher fühlt es sich gar nicht an.
Panik erwartet ihn draußen.
„Ich glaube es ist Tod.“
Glaubst du oder weißt du es.
Hast du es nicht feststellen können.
Das spricht er auch nicht aus.
Weil er sich selbst diese Fragen auch gestellt hat.
Im Glaskasten scheint sich nichts mehr zu bewegen.
Oder ist er nur so aufgeregt das er nicht mehr klar sieht.
Er muss hinein langen.
Die Luft wiegt bleiern schwer.   
Die Hand auch die er ausstreckt.       
Dann eine Sirene in der Ferne.
Beide schauen in verschiedene Richtungen.
Der Ton ist überall.
Beide rennen zum Wagen.
Weg weg weg, nur nichts wie weg.
Im Fahrzeug fühlt er sich kurz vor dem Zerreißen.
Die Erde wird sich nicht auftun.
Kein gezackter Riss wird vor dem Kühler  sich aufreißen.
In einer langen Schlaufe fährt der Wagen über den leeren Parkplatz.
Weg von dem leeren Krankenhaus in der leeren Stadt.
Wie viele sie gerettet haben?
Wie viele da raus gekommen sind?
Er hat das Fenster runtergeschraubt und seine Maske abgezogen.
Nur für eine kurze Sekunde.
Nur den Wind seine verschwitzten Haare durchstreichen lassen.
Das ganze  Land war kontaminiert.
Sei es drum.
Dann fühlt er den brennenden Dolch in seiner Brust herum wühlen.
Eine lange Straße sorgt dafür das er ihn sieht.
Im Rückspiegel.
Hinter dem Wagen ziehen schwere graue Wolken auf.
Und der alte Mann winkt ihnen vom Parkplatz aus zu.


Anmerkung von max.sternbauer:

Ein kleines Experiment in Gedanken.
Du siehst zwei kleine Inseln vor dir, die von Fluten umspült sind und darin versinken werden.
Auf jeder Insel lebt ein Mensch.
Ein seniler alter Mann, der nicht mehr seine eigenen
Kinder erkennt.
Ein kleines Mädchen das gerade seine ersten Schritte
gemacht hat. Wen rettest du??

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (09.08.12)
Hallo Max,
superspannend! Die Sätze, die im Stakkato daherkommen, lassen mich wie gewollt an ein Endzeitszenario denken. Dabei geht es dir um die Frage der Fragen: wen rettest du - alt oder jung. Ich glaube daran, dass es eine höhere Macht gibt, die einem in solchen Momenten die Hand führt. Aber das ist meine Auffassung.
Auf jeden Fall ein Denkanstoß, dein Text.
Ich möchte dir ans Herz legen, die Rechtschreibung noch einmal zu überprüfen. Wenn so Sätze zu lesen sind wie: „Ich glaube es ist Tod.“, dann stockt der aufmerksame Leser unweigerlich und die aufgebaute Spannung ist dahin, einfach dahin! ;)
Llu ♥
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