Der erste Auftrag

Geschichte zum Thema Fantasie

von  ThalayaBlackwing

Thalaya erwachte. Sie war müde und sie fühlte sich schwach. Wo war sie? Ihr Kopf schmerzte, ihr ganzer Körper, wenn man es genau nahm. Sie blickte sich um. Ein Krankenzimmer. Sie lag an Geräte angeschlossen auf einem sterilen Bett. Langsam kam die Erinnerung zurück. Sie hatte ihre Weiheprüfung gehabt, sie hatte sie bestanden, aber sie war schwer verwundet worden. Und weil ihr die Weihe so wichtig war, hatte sie den Rat des Arztes ignoriert und war direkt am Tag nach der Prüfung hinuntergegangen, um sich weihen zu lassen. Dann verschwamm alles ein bisschen. Sie erinnerte sich, dass man sie hochgebracht hatte, sie erinnerte sich auch an den Schmerz einer Trennung. Alderic. Der Schmerz, der ihr Herz zu zerdrücken schien, sie schloss ihn aus, verbannte ihn. Alderic war selbst schuld. Sie würde es nicht zulassen, dass er mit ihrem Leben spielte.

Kaum hatte sie diesen Entschluss gefasst, als Alderic, bleich im Gesicht, hereinkam. Und als er sah, dass sie wach war, lächelte er leicht. Thalaya aber hatte ihre Gefühle aus dem Gesicht verbannt. Irgendwas in ihr sehnte sich danach, ihm zu verzeihen, mit ihm zusammen gemeinsam den Weg weiterzugehen, aber der größte Teil wollte es nicht, ließ es nicht zu. Und Alderic sah, dass sie ihm keine freundschaftlichen Gefühle entgegenbrachte, anders noch als vor ein paar Tagen. Was war geschehen?

„Hey Thalaya ... ähm ... du ... siehst besser aus.“

„Was willst du hier, Alderic? Es kümmert dich nicht, was mit mir ist. Das war offensichtlich.“

„Das ist nicht wahr, Thalaya. Warum sagst du sowas?“

„Ist doch klar! Ich hab dich abgelehnt, als du mehr wolltest als Freundschaft und dann bist du gegangen, hast mich zurückgelassen. Wenn ich dir etwas bedeutet hätte, hättest du deinen verletzten Stolz beiseite geschoben, bis es mir wieder besser ging. Hast du aber nicht. So jemanden kann ich an meiner Seite nicht brauchen. Ich würde nie wissen, ob ich mich hundertprozentig auf dich verlassen kann. Und das ist alles, was zählt.“

„Du kannst dich auf mich verlassen. Ich ... ich weiß, dass das nicht in Ordnung war ... deswegen bin ich gekommen ... ich … ich wollte mich bei dir entschuldigen.“


Und mit einem Mal sah er in Thalayas Augen, was ihm Hoffnung und Angst zu gleichmachte. Den sehnlichen Wunsch, ihm trauen zu können und die Ablehnung, fast den Hass. Thalaya zeigte nicht nur in ihren Augen diesen Kampf. Sie focht ihn aus, innerlich, blitzschnell. Schließlich, es schien eine Ewigkeit vergangen zu sein, dabei waren es nur wenige Sekunden gewesen, nickte sie langsam. Auch ihre Augen zeigten, welche Seite gewonnen hatte. Die Kälte, die ihnen normal innewohnte war gewichen. Die Augen wirkten fast normal.

„Okay ... Ich ...ich geb dir noch ne Chance. Nur noch diese eine.“

Alderic wirkte erleichtert bei ihren Worten. Sicher nicht nur wegen der zweiten Chance, sondern auch, dass er sich nicht die talentierteste der Assassinen zum Feind gemacht hatte. Das wäre eine sehr ungünstige Ausgangsposition gewesen. Und er mochte Thalaya wirklich. Jetzt nahm er sich einen Stuhl, setzte sich neben das Bett, und obwohl sie sich beide anschwiegen, war es kein unangenehmes Schweigen. Thalaya hatte sich wieder im Bett zurückgelehnt. Sie betrachteten einander eine Weile. Schließlich war Thalaya wieder müde und schlief ein und auch Alderic musste seinen Pflichten nachgehen.

So geschah es, dass er jeden Tag kurz zu Thalaya kam, sie sich unterhielten, lachten und Thalaya genas. Bald begann sie wieder mit leichtem Training. Ihre Muskeln hatten sich schon deutlich abgebaut durch die Verletzung und Thalaya war schnell erschöpft, aber sie trainierte unermüdlich. Sie zeigte auch jetzt wieder den gleichen Ehrgeiz, wie schon in ihrer Ausbildung. Und sie war nicht umsonst die jüngste vollständig ausgebildete Assassine. Nach und nach wurde das Trainingspensum wieder größer und kurz darauf wurde sie aus der stationären Behandlung entlassen. Sie hatte noch immer einen strikten Trainingsplan, aber sie hatte wieder mehr Freiheiten. Und zwei Monate, nachdem sie mit dem Aufbautraining begonnen hatte, war sie auch wieder komplett genesen.

Der Alltag kehrte wieder ein. Thalaya trainierte immer noch unermüdlich. Sie war niemals mit sich zufrieden, selbst als sie von Meister Madison eines seiner sehr seltenen Lobe bekam. Bald konnte keine der Assassinen mehr mit ihr mithalten. Es gab nur eine Ausnahme: Meister Madison. Er war Thalaya im Übungskampf immer einen Schritt voraus, aber er sagte auch, dass das normal sei, er habe einfach viele Jahre mehr Erfahrung.

Und Alderic? Er wurde von Thalaya mitgezogen. Er entwickelte sich ebenfalls prächtig. Er konnte nicht mit Thalaya mithalten, aber er wurde auch besser, Tag für Tag. So dauerte es nicht lange, bis es alle Spatzen von den Dächern pfiffen. Thalaya und Alderic waren das wohl besteingespielte Team und vor allem auch das gefährlichste. Und doch gab es etwas, das diesen Ruhm noch trübte. Thalaya hatte noch keinen Auftrag gehabt. Sicher, sie war erst seit kurzer Zeit eine Assassine und sie war lange verletzt gewesen, aber doch jetzt schon fast ein halbes Jahr. Und so kam es, wie es kommen musste, wie es erwartet worden war. Meister Madison hatte einen Auftrag für das Team Thalaya/Alderic. Sie sollten ein Artefakt „bergen“. Es befand sich im hoch gesicherten Haus eines der mächtigsten Adeligen, die die Stadt Scintfort zu bieten hatte. Thalaya und Alderic waren nicht die Ersten, denen diese Aufgabe anvertraut worden war. Nur hatten alle ihre Vorgänger versagt. Und eines war auch klar, wenn es nicht einmal den beiden gelang, das Artefakt zu bergen, würde es keinem mehr gelingen. Ein Gedanke, der Angst machte. Nichts war den Assassinen unmöglich. Sie hatten für jede Aufgabe die passenden Leute. Und dieses Weltbild drohte zu zerbrechen. Und so kam Meister Madison zu Thalaya und Alderic, als diese gerade trainierten. Er rief sie zusammen und erläuterte ihnen die Aufgabe. Thalaya überlegte kurz. Sie hatte alle Informationen, die vorhanden waren, vor sich liegen und sie wusste, es würde schwer werden. Aber Thalaya wusste auch, dass es nicht unmöglich war. Sie stimmte dem Auftrag zu. Sie wollte sich dem annehmen. Dann blickte sie hinüber zu Alderic. Der schien nicht glücklich zu sein. Er war eben nicht so gut wie Thalaya.

„Alderic, ich kann das nur mit dir an meiner Seite schaffen.“

Und das gab den entscheidenden Push in die richtige Richtung. Er stimmte ebenfalls zu. Thalaya und Alderic hatten sich der Aufgabe angenommen und wegen der Schwierigkeit wurde ihnen kein zeitlicher Rahmen gesetzt.

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