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Kurzgeschichte zum Thema Liebe, lieben

von  RainerMScholz

Wir haben immer gut miteinander kommuniziert, allerdings nur über unsere Geschlechtsorgane. Als mein Herz sprach, ist sie gegangen, und seitdem vergeht kein Tag, an dem ich nicht an sie denke, voller Wut und Hass und Verzweiflung und mehrmals am Tag onanierend, um die Frustration zu bekämpfen und alles andere - was nicht besonders gut funktioniert. Dann trinke ich. Sehr viel. Aber das bringt sie natürlich nicht zurück, relativiert aber die Tagträume und die sehnsuchtsvollen Gedanken.
Wenn es um Ficken geht, war Ellena immer spitze. Wir haben es stundenlang getan. Wir haben es ständig miteinander getrieben, immer und überall. Und alle meine Freunde waren neidisch auf mich, allerdings nur so lange, bis Ellena es auch mit ihnen getan hatte und da sahen sie die Sache wohl mit anderen Augen. Vor allem sahen sie mich mit anderen Augen, weil ich ihr stets verzieh, mit allen Kräften ihren Betrug ignorierte und verdrängte. Wir haben immer wieder von vorne angefangen, unter Tränen und stundenlangem Vögeln, Ficken und Bumsen. Ich wollte und konnte einfach nicht begreifen, dass ich mit der Dorfmatratze liiert war, weil ich ihr völlig verfallen gewesen bin. Das hinderte mich scheinbar auch daran echte Beziehungen zu anderen Frauen aufzubauen, die es in den Pausen, als ich mit Ellena gerade nicht zusammen war, beziehungsweise sie nicht mit mir, durchaus gab. Ich lernte sie kennen, während Ellena, sagen wir einmal mit Olaf herummachte oder mit Alexander oder Thomas oder Jens oder dem anderen Thomas oder Jochen oder oder oder. Und ich stieß diese Frauen weg, wenn Ellena aus unerfindlichen Gründen wieder zu mir zurückkehrte. Wegen der unsterblichen Liebe, die wir zueinander empfanden, wie ich fest glaubte.
Anne, zum Beispiel, liebte mich von ganzem Herzen, wie sich später an ihrem abgrundtiefen Hass mir gegenüber ablesen ließ, und dass ich das genau wusste, macht den Verrat an ihr um so perfider, als ich ihn schlussendlich beging. Wir waren sogar zusammengezogen, in die Zwei-Zimmer-Wohnung, die ich damals behauste, gegenüber dem Supermarkt an der Bushaltestelle und in der selben Straße in Eschersheim, in der sich unsere Stammkneipe „Zum Elfer“ befand, also die Stammkneipe von Ellena und mir. Beim Sex mit Anna rief ich in Agonie Ellenas Namen, und das, nachdem wir uns eine Waschmaschine gekauft hatten. Dann ging ich in den „Elfer“ und ließ mich volllaufen, nicht ohne nach Ellena Ausschau zu halten und mit Annas Mösensaft am Sack.
Endgültig paranoid wurde ich jedoch, nachdem ich als trunkenes Intermezzo Susanne mit nach Hause genommen hatte, als Anne nicht da war. Da lief zwar nicht viel, weil ich viel zu betrunken war, aber Anne bekam das irgendwie mit. Und seitdem hasst sie mich wie klebrigen Aussatz, was mir womöglich für den Rest meines Lebens nachhängen wird. Ich meine es ernst. Denn ich habe sie sehr geliebt. Wie ich hinterher feststellte. Ihre Art sich zu bewegen, zu lachen, ihre Impulsivität. Und ihr Körper. Damit scheint es jetzt vorbei zu sein. Sie hat drei Kinder von drei verschiedenen Vätern und lebt von Hartz IV. Und ich habe mir jahrelang überlegt, ob nicht zumindest das erste Kind von mir sein könnte. Bei jeder jungen Frau, die im tochterfähigen Alter hätte sein könnte und mir aus unerfindlichen Gründen näher auf die Pelle rückte, brach ich schier in Panik aus. Es tut mir sehr leid, Anne.
Denn mit Susanne – das war wirklich der letzte Bullshit. Ich führte sie jedem kaputten Freak vor, den ich kannte. Black Metal und Abschlachtvideos in Chris´ Ein-Zimmer-Kellerwohnung, wo die Pumpe unter der Kloschüssel die Kacke erst lautstark auf Abwasserrohrhöhe befördern musste. Dazu unsere exzessiven Gewaltphantasien, die durch Unmengen von Binding Bier in ihrer verbalisierten Ausführung noch exklusiver wurden. Dann waren wir bei Gerrit, der noch ein paar Psychopilze von seiner letzten Party in Teotihuacan da hatte. Oder ich nahm sie mit zu Wodka nach Niederursel, der seine Beine im Suff von einer Straßenbahn abgeschnitten bekam, die über ihn gefahren ist und der quasi den Knotenpunkt all diesen Wahns bildete in dem Haus, das seinem Nazivater gehörte und dessen Fenster stets abgedunkelt sind. Für Susanne war das alles zuviel und insgeheim hatte ich es wohl auch darauf angelegt. So bot sie mir eines Abends endlich ihre Jungfräulichkeit an, indem sie sich weit gespreizt vor mir auf den Teppich warf. Ich lehnte dankend ab, ich weiß auch nicht genau weshalb, denn darum ging es doch schließlich. Aber ich war müde und lustlos, und ihre geöffnete Vagina reizte mich nicht im geringsten. Und ich war misstrauisch. Ich wollte eigentlich eine andere Frau haben. Wieder zurückhaben. Die Frau, die ich vor der anderen Frau, die ich ebenfalls zurück haben wollte, zurück haben wollte. Also: ich verzichtete. Ich war misstrauisch, weil ich den Gedanken nicht loszuwerden vermochte, dass Ellena Susanne in gewisser Weise auf mich angesetzt hatte, damit sie sich zwischen mich und Anne dränge, die ich geliebt hatte, wie jeder sehen konnte. Und da Susanne und Ellena Schulfreundinnen waren und sich auch gelegentlich im „Elfer“ trafen, ging mir dieser Gedanke nicht mehr aus dem Kopf.
Endgültig Feierabend war, als ich gegen ihre rumänischen Cousins beim Armdrücken verlor – Gott, muss ich blau gewesen sein -, und zwar auf meiner eigenen Geburtstagsfeier, woraufhin ich sie alle unter Gasschusswaffenandrohung aus der Wohnung jagte, die ich fortan wieder alleine bewohnte. Ich strich alle Wände schwarz, zog die Vorhänge zu und hörte Tag und Nacht Heavy Metal.

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