Klattkes bittere nächtliche Einsicht: "Der meent ja mir!"

Kurzgeschichte zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  Klattke

Klattke hatte den ersten Termin bei seiner Fallmanagerin hinter sich. Pflichtbewusst wie er war, kümmerte er sich nun um das Bewerbungstraining, das er absolvieren sollte. Den Sinn sah er zwar immer noch nicht ein, aber schon am nächsten Tag telefonierte er mit einem Bildungsträger und machte einen Termin für die kommende Tage aus.

Der Bildungsträger lag etwas weiter von seinem Wohnort entfernt und er war dort bereits um 8.00 morgens angekündigt. Klattke stand also früh auf und fuhr mit der U-Bahn zum Träger. Dort ging auch alles ganz schnell. Er erledigte an der Anmeldung die Formalitäten - schon kommenden Monat ging das nächste vierwöchige Bewerbungstraining los. Gerade zehn Minuten dauert das Ganze und Klattke verließ die Projektgesellschaft, wie sie sich selbst bezeichnete wieder Richtung Heimat. Um sich in der U-Bahn die Zeit zu vertreiben und den Blicken der anderen Fahrgäste auszuweichen schaute er auf einen der Werbemonitore und ließ sich mit Nachrichten und Werbung lustlos berieseln.
Eine Nachricht fand dann aber doch sein gesteigertes Interesse. Theo Sarattzki, ein eher mittelmäßig bekannter Politiker, erregte sich über ausländische Mitbürger. Denen fehle der Integrationswille, sie seien bildungsfern und kosten den Staat nur. Außerdem würden sie viele ihrer schlechten Gewohnheiten ohnehin von Geburt an haben, dies wäre ihrer Herkunft geschuldet.
"Naja", dachte sich Klattke, "Damit übatreibt diesa Sarattzki ja wohl nen bissjen, dit mit der Herkunft und so, dit habn wa ja nun hinta uns jelassen, aba wo a recht hat, hatta recht. Keen Integrationswille, nur Kindajeld kassieren und nich vanüftich deutsch können, recht hat der Sarattzki, endlich mal eener, der Klatext redet!" Mit diesen Gedanken war Klattke an seinem Ziel angekommen, er stieg aus der U-Bahn aus und ging geradewegs nach Hause.

Hier legte er sich noch etwas auf seine Couch schlafen und klapperte danach die Fernbedienung ab, um sich die Zeit seines Hartz IV-Alltags zu vertreiben.
Gegen Abend machte er sich etwas zu Essen und schaltete dann den Computer ein, um in sein Mailfach zu schauen, vielleicht hatte ja doch jemand auf seine Bewerbungen reagiert. Dies war jedoch nicht der Fall, weshalb er das Mailfach wieder verließ.
Da fiel ihm Theo Sarattzki wieder ein. "Ma kieken, wat diesa Sarattzki noch so allet zu sagen hat, wa ja heute morjen nich so vakeht, wat ick inna U-Bahn jelesen habe" sagte Klattke zu sich selbst. Die Suchmaschine warf denn auch gleich zahllose Seiten mit Theo Sarattzki aus, darunter auch viele mit dem Thema Hartz IV. "Muss icke doch ma kieken, wat olle Sarattzki zu Hartz IV zu sajen hat" dachte sich Klattke ganz gespannt. Die erste Seite hatte auch gleich eine ordentliche Zitatsammlung zum Thema parat. So sprach Sarattzki davon, dass in einer Leistungs-gesellschaft die Faulen und Dummen eben nichts auf dem Arbeitsmarkt zu suchen hätten. Von Hartz IV könne man ohnehin gut leben, die meisten Hartz IVler wären ja nicht gerade unterernährt und würden ohnehin nur zu Hause sitzen und die Heizungen aufdrehen. "Ooch sehr deutlich, wat da hier von sich jibt, diesa Sarattzki, hat aba ooch wieda nich unrecht, man muss ja nur ma die Glupscher uffmachen, wenn man uffn Jobcenta sitzt. Wer weeß, wer da so allet sitzt und nich arbeeten will. Ach und nen Buch hat der Sarattzki ja ooch jeschrieben, dit muss icke mir jleich morjen kooufen jehen!"
Schließlich hatte Klattke aber dann doch genug Zitate von Sarattzki gelesen und fuhr seinen Computer herunter. Nach einer weiteren Fernbedienungssession schaltete er auch seinen Fernseher ab und legte sich langsam schlafen.

Der Schlaf währte jedoch nicht lange, unruhig wälzte er sich in seinem Bett und stieß schließlich mit dem Kopf kräftig gegen den Holzrahmen. Er wachte natürlich auf, rieb sich seinen Kopf und sprach zu sich: "Man hab ick mir meene Bonje gestoßen, wenn ditte keene fette Beule jibt."
Mit diesen Worten stieg er aus dem Bett und tastete sich durch den Flur zum WC. Im Flur machte er kein Licht an, so dass nur ein Schein aus seinem Schlafzimmer einfiel. Im Halbdunkeln sah er sich im Spiegel. Er meinte sich zu erkennen, nur das er schwarze Haare und einen dunklen krausen Vollbart trug. Er erschrak und fasste sich an die Stelle, wo er sich den Kopf gestoßen hatte. Wieder sprach er zu sich: "Oh Mann, wat bin ick nur fürn Dussel. Wat hab ick bloß inna Birne, des ick diesen Politika Sülzkopp uffn Leim jejangen bin. Von dem wollt icke mir ooch noch nen Buch kooufen. Aba wie üblich, et jeht jejen andere, wer iss mit dabei, icke Klaus Klattke. Dit war schon inna Schule so. Et jing jejen die andern, ick hab hinjehört. Irjendwann stand ick denn ooch uffa Liste, und selbst da hab icks noch nich begriffen, des se mir meenen. Dieser Sarattzki, der meent ja mir. Wann werd ick bloß vanüftich, jetz bin ick fast fünfzich und muss ma erst de Bonje stoßen, um für fünf Minuten klar zu denken. Eenes Tages wird dit noch meen Unterjang sein. Ick kann mir nur selbst üba mir wundern..."

Klaus Klattke wird nun für einige Tage eine dicke Beule haben. Nicht auszudenken, wenn viele Menschen sich mal eine Beule im Schlaf holen würden. Was dann wohl am nächsten Morgen los wäre…?

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Kommentare zu diesem Text

parkfüralteprofs (57)
(11.09.14)
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Graeculus (69)
(11.09.14)
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