Stefan Zweigs Erinnerungen

Sonett zum Thema Erinnerung

von  EkkehartMittelberg

Dieser Text ist Teil der Serie  Sonette auf berühmte Dichter und Philosophen
Die Welt von Gestern*, nie wird sie verschwinden,
und Rilkes Klänge werden nicht verwehen,
dein Kunstsinn wird Epochen überstehen,
dem Erzähler wird man Kränze winden.

Du hast den Wandel von der Monarchie
zum Dritten Reich in Lebensqual geschildert
und die Verrohung eindrücklich bebildert,
den Untergang der großen Sprachmagie.

Europas Humanismus brach in Scherben,
zertrümmert wurde deine Vision.
Du sahst, wie Bücher brannten, nicht das Sterben.

Dein Werk jedoch spricht der Vernichtung Hohn,
wir lesen höchste Sprachkunst, deine Erben,
es grünt des Lorbeers Zweig, dein schönster Lohn.

• In dem teilweise autobiografischen Werk "Die Welt von Gestern. Erinnerungen eines Europäers“ beschreibt Stefan Zweig seine Lebensgeschichte als Geschichte seiner Generation in einer humanistisch geprägten bürgerlichen Welt der Kunst, die durch zwei Weltkriege, insbesondere durch die kulturelle Barbarei des Nationalsozialismus, zerstört wurde. Für den literarisch Interessierten sind die lebendig geschilderten Begegnungen Zweigs mit den größten Dichtern seiner Zeit, zum Beispiel mit Rainer Maria Rilke, Hugo von Hofmannstahl, Romaine Rolland, Émile Verhaeren, Arthur Schnitzler, James Joyce und Maxim Gorki besonders reizvoll. „Das Buch entstand kurz vor Zweigs Tod in den letzten Jahren (von 1939 bis 1941) seines Exils und erschien postum 1942 im Bermann-Fischer Verlag AB in Stockholm.“ (Wikipedia)

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Kommentare zu diesem Text

AronManfeld (43)
(22.09.12)
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 loslosch meinte dazu am 22.09.12:
maria stuart war dem 20-jährigen lo nach 100 seiten zu anstrengend. insoweit abkehr, ja.
AronManfeld (43) antwortete darauf am 22.09.12:
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 22.09.12:
Aron, Stefan Zweig beschreibt in seinen Erinnerungen u. a. wie sich seine Freundschaften herausgebildet haben. Mehr aus dem Herzen, ohne sentimental kitschig zu werden, kann man nicht schreiben. Seine Schilderung der Entwicklung des Nationalsozialismus lässt an realer Klarsicht nichts zu wünschen übrig. Lies es und du wirst anderen Sinnes werden.

 loslosch (22.09.12)
laut wiki hat er im januar 1942 den freitod gesucht. 10 monate später, im herbst, war die 6. armee in stalingrad eingekreist.

dann hätte er davon abstand genommen. meine mutmaßung. lo
AronManfeld (43) äußerte darauf am 22.09.12:
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 22.09.12:
Bin ich im falschen Film, Aron? Wenn jemand bewusst die Stuben-Gelehrsamkeit gemieden und die lebendige Begegnung gesucht hat, war es Stefan Zweig.
Ich stimme dir zu, Lothar. Zweig hat die militärischen Möglichkeiten Hitlers überschätzt. Aber sein Umfeld in Brasilien hat ihm wohl nicht zu einer realistischen Einschätzung verholfen.

 Bergmann meinte dazu am 22.09.12:
Dass Hitler und die Verführung der Deutschen überhaupt geschehen konnte - das war so verletzend! Bis heute dauert diese Wunde an, und sie wirkt weiter und der Schmerz schwelt auch in mir.

LG, Uli

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.09.12:
Ja, Uli, auch in mir.

 Bergmann (22.09.12)
Als Schüler von 17 Jahren berührte mich tief, was Stefan Zweig über Nietzsche schrieb. Ich las gerade Thomas Manns Doktor Faustus und wollte mehr über Nietzsche wissen. Ich geriet an das, was ich in den Regalen meiner Eltern fand: "Der Kampf mit dem Dämon. Hölderlin – Kleist – Nietzsche". (= Die Baumeister der Welt, Band 2), Insel, Leipzig 1925
Hab Dank für das gut verzweigte Sonett!
LG, Uli

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.09.12:
Es gibt wohl keinen Zeitgenossen, der sich seiner philosophischen und literarischen Wurzeln in der europäischen Tradition des Humanismus so bewusst war wie Stefan Zweig und dieses kulturelle Erbe mit kosmopolitischem Denken so hingebungsvoll pflegte.
Weitere Beipiele sind.
Sternstunden der Menschheit. Fünf historische Miniaturen. Leipzig o. J. (1927, Insel Bücherei 165/2)
Drei Meister: Balzac – Dickens – Dostojewski. (= Die Baumeister der Welt. Versuch einer Typologie des Geistes, Band 1), Insel, Leipzig 1920
Vielen Dank, Uli
LG
Ekki
Nimbus (37)
(22.09.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.09.12:
Heike, wir werden uns der Geschichte des Nationalsozialismus auf unabsehbare Zeit stellen müssen. Ein Abtauchen/Wegtauchen ist unmöglich. Zweig versucht historisch denkend das Unfassbare zu verstehen, ohne die Deutschen zu verdammen. Er hätte allen Grund gehabt, es zu tun.
Danke für deinen Kommentar.
LG
Ekki
AchterZwerg (65)
(22.09.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.09.12:
Heidrun, zu Recht erinnerst du an Zweigs große Bedeutung als Übersetzer, zum Beispiel der großen französischen Lyriker. Seine Verdienst als Vermittler sind vielleicht noch höher einzuschätzen als seine psychologischen Novellen und der Roman "Ungeduld des Herzens" in der Tradition Freuds, einer der vielen Revolutionäre des Geistes, die er persönlich sehr gut kannte und die ihn sehr schätzten.
Danke und herzliche Grüße
Ekki

 toltec-head (22.09.12)
Musil, der Zweig sehr wenig schätzte, weil er schon früh ein Gespür für dessen Talmiglanz entwickelt hatte, erwog einmal die Möglichkeit zu emigrieren. Man schlug im Brasilien vor. Sein Antwort:

"Da kann ich nicht hin, da ist doch schon Zweig."

Heute ist Zweig ein zu Recht beinah vergessener Schrifsteller.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.09.12:
"Talmiglanz" ist ein Vorwurf, dessen Berechtigung jeder für sich selbst entscheiden kann, indem er Zweig liest, danach seine Kriterien offen legt und dann belegt.
Zweig hatte ungewöhnlich viele Freunde unter den Künstlern seiner Zeit. Ich habe in diesem thread nur einen kleinen Teil von ihnen aufgeführt. Dass ein Schriftsteller von allen als Mensch und Künstler gemocht wird, ist unmöglich. Wir haben die Freiheit der Entscheidung, und das ist gut so.
wa Bash (47)
(22.09.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.09.12:
Danke, wa Bash, das war er sicherlich.
LG
Ekki

 ViktorVanHynthersin (22.09.12)
Lieber Ekkehart,
ich muss gestehen, ich kenne den Namen Stefan Zweig, habe aber von ihm (noch) nichts gelesen. Wenn ich mir aber die klugen Kommentare der Vorgänger anschaue, glaube ich zu erkennen, dass Dir der LorbeerZweig für dieses Sonett gebührt.
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.09.12:
Lieber Viktor,
lies mal den gute Wiki-Artikel über Stefan Zweig. Dann kannst du immer noch entscheiden, ob du diese Spur weiter verfolgen möchtest.
Herzlichen Dank und beste Grüße
Ekki
SigrunAl-Badri (52)
(22.09.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.09.12:
Besten Dank, Sigrun. Du wirst deine Aufmerksamkeit nicht bereuen. "Die Welt von Gestern" ist viel spannender als jede Literaturgeschichte.
Liebe Grüße
Ekki

 irakulani (22.09.12)
Lieber Ekki,

Stefan Zweig, der bereits den ersten Weltfrieg erlebt hatte und vorzeitig aus dem Militär entlassen wurde, zerbrach (meiner Meinung nach) am Gesehen des II. Weltkrieges und suchte den Freitod (in den ihm übrigen seine zweite Frau folgte).Seine Lyrik als Eiseskälte zu verstehen kann ich nicht nachvollziehen.

Ich kenne nur "Schullektüre" von ihm und einige seiner, wie ich finde, sehr schönen u. melanchilischen Gedichte. Ich habe jedoch Lust bekommen, z. B.: seine ERinnerungen an Begegnungen mit Zeitgenossen zu lesen. Ein gelunges Sonett, in deiner immer noch anwachsenden Reihe!

Herzliche Grüße,
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.09.12:
„Wer jetzt kein Haus hat, baut sich keines mehr. Wer jetzt allein ist, wird es lange bleiben…“ schreibt Rilke in seinem Gedicht „Herbsttag“. Er war immer ein Unbehauster und es war sehr schwierig, ihn zu treffen, weil er seine Aufenthaltsorte ständig wechselte. Solche Informationen erhält man bei Stefan Zweig, der mit den großen Künstlern seiner Zeit persönlich verkehrte. Ich habe mir Rilke immer als einen völlig introvertierten Menschen vorgestellt. Dies bestätigt Stefan Zweig mit Beispielen konkreten Verhaltens dieses stillen Menschen, der leise wie ein Windhauch kam und verschwand. Man erfährt auch Kleinigkeiten, die die Großen menschlich machen. So trug Rilke zum Beispiel ein silbernes Kettchen an seinem Handgelenk: Zeichen versteckter Eitelkeit oder nur Bewunderung des Schönen, das er nahe bei sich haben wollte. Zweig lässt das offen.
Ich will damit sagen, Ira, Zweig schildert lebendige Künstler, die in Literaturgeschichten zu Formeln erstarren. Es lohnt sich. Vielen Dank für deine Offenheit und dein Interesse.
Herzliche Grüße
Ekki
MarieM (55)
(22.09.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 23.09.12:
Man muss nicht immer große Kommentare schreiben, Marie. Ich weiß, wofür du dich bedankst und danke zurück.
LG
Ekki
Steyk (61)
(24.09.12)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 24.09.12:
Lieber Stefan, Stefan Zweig umkreist in seinen Erzählungen sehr lange die psychischen Beweggründe für das Handeln eines Menschen. Während er dies tut, bleibt die äußere Handlung gleichsam stehen. Kein Kunder also, dass du als junger Mensch damit noch nicht viel anfangen konntest. Heute würde dir dieses geduldige Nachforschen wahrscheinlich gefallen.
Ich danke dir dir für deine Offenheit und grüße dich herzlich
Ekki

 Dieter_Rotmund (24.08.19)
Ja, das Buch ist super!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 25.08.19:
Danke, ich freue mich über deine Reaktion, Dieter.
Servus
Ekki

 Verlo (04.03.23, 14:50)
Danke, Ekki!

Auch für deine Kommentare.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 05.03.23 um 20:32:
Vielen Dank, Verlo, dass du mich wieder an den geschätzten Stefan Zweig und an dieses Sonett erinnerst.
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