Das Schicksal steuern?

Glosse zum Thema Schicksal

von  loslosch

Ducunt volentem vata, nolentem trahunt (Seneca, um die Zeitenwende bis 65 n. Chr.). Den Willigen lenkt das Schicksal (Moira), den Widerstrebenden zerrt es mit sich.

Als Ausdruck stoischer Einsicht, dass das Schicksal vorherbestimmt sei. In der Schlussphase des Lebens, falls der vom Tod Gezeichnete noch bei relativ klarem Bewusstsein ist, löst die innere Gewissheit des nahen Todes bei einem bestimmten Typus Betroffener eine Art Todeskampf aus, von den Angehörigen oft als belastend empfunden. Der dazu konträre Typus sieht dem Ende äußerlich gefasst entgegen ohne Merkmale eines Todeskampfes. Unter den Heil- und Pflegeberufen ist die Auffassung verbreitet, dass der im Stöhnen mit dem Tod Ringende seine Lebenszeit um Minuten, wenn nicht Stunden, verkürzt, während die Friedlichen und Sanften diesen Effekt unbewusst vermeiden (ähnlich A.-M. Tausch, Reinhard Tausch, Sanftes Sterben, 1985). Somit könnte man, Senecas obsolete Behauptung eingrenzend, für den Sonderfall der allerletzten Lebensphase sagen: Willigen schenkt das Schicksal minimalen Aufschub, Unwillige zerrt es ohne Erbarmen mit sich.

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Kommentare zu diesem Text

Jack (33)
(29.09.12)
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 loslosch meinte dazu am 29.09.12:
das mag so sein. aus sicht der gläubigen könnte man behaupten, die 2. gruppe sei zeitlebens pseudo-religiös gewesen. mein versuch war ein phänotypischer. mal schaun, zu welchem typus unsereins zählt. lo

 Momo (29.09.12)
Jeder ist seines Glückes Schmied ist nur eine andere Lesart dafür, dass jeder für sein Schicksal selbst verantwortlich ist. Nur wer das nicht sieht, dürfte entsetzt sein, wenn es ihn schlägt.

Sich wehren und an etwas festhalten zögert in aller Regel eine Sache hinaus und beschleunigt sie nicht. In deiner Argumentation ist es umgekehrt. Das scheint mir widersinnig zu sein. Von daher wirkt der Text auf mich recht konstruiert und bemüht.

LG Momo
janna (66) antwortete darauf am 29.09.12:
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 loslosch schrieb daraufhin am 29.09.12:
das buch von tausch erschien nicht 1982 (vertipper), sondern 1985. die rd. 360 s. basieren auf beobachtungen sterbender und sterbemeditation. ein abschnitt befasst sich mit dem tod von anne-marie tausch. das buch des damals anerkannten norddeutschen psychiaters erscheint mir beim erneuten durchblättern ideologiefern. die hauptkritik gilt der kalten ärztlichen "kunst".

die stelle mit dem todeskampf finde ich nicht mehr. er schreibt in mehreren teilen des buchs darüber.

ich habe menschen nie sterben sehen (was kein vorzug ist!). vermutlich spürt janna aufgrund eigener beobachtung, dass mein text nicht "konstruiert" ist.

wenn etwas konstruiert ist, dann das aufdocken auf senecas stoizismus, der nur für die allerletzten stunden des menschen geltung hat.

es ist eine kritik an seneca. er hat unfreiwillig zu 1% recht. lo

 Momo äußerte darauf am 29.09.12:
@Janna
Scheint plausibel, andererseits ist es ja so, dass erst der Wille (zum Kämpfen) geistige Energien freisetzt.

@Loslosch
Ich kenne Seneca zu wenig, aber ich denke, dass er hier eher die Aufmerksamkeit des Willigen meint, die Zeichen der Zeit zu erkennen und danach zu handeln.

LG Momo
Adelheid (54)
(29.09.12)
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 loslosch ergänzte dazu am 29.09.12:
prinzipiell richtig. die textstelle haben andere schon so interpretiert. wenn man seneca kennt, weiß man, dass der sich fast täglich mehrfach widersprochen hat.

er schrieb im ruhestand und wusste um die mordgelüste seines "ziehsohns" nero, der vermutlich seine schriften lesen ließ. denke ich mir mal so. lo
Regentrude (53)
(29.09.12)
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 loslosch meinte dazu am 29.09.12:
oh doch, 2 jahre von ca 85 minus 4 (frühkindheit), also 81 jährchen bewussten (?) lebens sind ne menge, aus menschensicht, nämlich 2,5%.

danke. es ist alles schon gesagt ... lo
Regentrude (53) meinte dazu am 29.09.12:
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 loslosch meinte dazu am 29.09.12:
abba wir wuseln rum, als seien wir ewig!

 EkkehartMittelberg (29.09.12)
Wenn man Senecas Wort auf Tragödien bezieht (und Seneca kannte sich damit aus), dann ist es platt, weil es immer wieder Tragik schafft und niemals steuerbar ist.
Für das nicht domestizierbare Schicksal würde ich formulieren: "Das Schicksal schlägt den Willigen wie den Widerstrebenden." Ödipus und Antigone lassen grüßen.

 loslosch meinte dazu am 29.09.12:
in einer spruchsammlung lese ich, thematisch geordnet, einiges über das schicksal (fatum, fortuna), ekki. etliche seneca-sentenzen. leider nicht widerspruchsfrei.

ich sachma vorsichtig: die alten kannten kein tippex. aber copy&paste benutzten sie schon. das weiß der alte fuchs aus hessen. t.t. lo
(Antwort korrigiert am 29.09.2012)
AchterZwerg (65) meinte dazu am 30.09.12:
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