Amen

Text zum Thema Glaube

von  Rudolf

Ein Amen darf nicht fehlen. So sei es.

Das Glaubensbekenntnis ist ein Spiegel der südosteuropäischen Kultur vor 2.000 Jahren. Es liest sich wie das Parteiprogramm einer Volkspartei. Alle Glaubensrichtungen werden mit vereinnahmt und mit verwurstet. Von allem etwas und am Ende bleibt ein verknorzter Trümmer von Text, in dem eine göttliche Botschaft steckt. Heute stiftet er mehr Verwirrung, als dass er Glaubens- und Denkhilfen gibt. Wer eine Stütze im Glauben sucht, wird hier nicht fündig. Die Institution Kirche klammert sich an den Text, der Jahrhunderte überlebt hat und aus einer Zeit stammt, als es nur eine Kirche gab. Sie klammert sich daran trotz der Gefahr, dass sich heute mehr und mehr Menschen abwenden und den wahren, echten und lebendigen Gott suchen, von dem das Glaubensbekenntnis eine verkrustete Fratze zeigt.

Menschen haben sich weiterentwickelt das Glaubensbekenntnis nicht. Die Kirche hat eine schwere Last zu schultern. Es kann nicht sein, dass ich erst drei Jahre Theologie studieren muss, um so etwas Elementares wie ein Glaubensbekenntnis zu verstehen. Jesus, der Sohn eines Zimmermanns, verbrachte nicht Jahre in akademischen Seminaren, bevor er anfing zu lehren. Er sprach direkt mit den Leuten ohne jedes Kauderwelsch – und sie verstanden und folgten ihm.

Satz für Satz wurde das Glaubensbekenntnis in den vergangenen Jahrhunderten demontiert. Aussage für Aussage wurde ausgedeutet und am Ende trennt dieser Text Menschen von Gott, anstatt sie im Glauben zu stützen.

Das Glaubensbekenntnis ist so überholt wie die Kirche, die es hochhält. Wie ein Gegenstand im Museum aus vergangenen Jahrhunderten löst es Verwunderung oder gar Widerstand aus. Der Einsatz eines Schröpfglases war einst höchste medizinische Kunst, ein Pranger gehörte zum normalen Repertoire behördlicher Sanktionen, Kreuzigen war eine gebräuchliche Hinrichtungsmethode. Medizin, Behörden und Hinrichtungen gibt immer noch, aber eben anders.

Was macht Gott, was machen die Menschen? Sie finden auch ohne die Glaubensformeln der Kirche zueinander. Schade, sollte es doch andersherum sein. Gutes Kirchensteuergeld verplempert für überforderte Kirchenbeamte, die einen sterbenden Glauben verwalten.

Gott scheint es nicht zu stören. Satz für Satz, Wort für Wort hat er im Laufe der Jahrhunderte enttarnen, auflösen und der Lächerlichkeit preisgeben lassen.

Der Versuch die Einheit der Christen zu demonstrieren, indem man einen Text beten lässt, der aus einer Zeit stammt, bevor sich katholische, orthodoxe und evangelische Kirchen formierten, ist interessant. Ihm gebührt mehr Raum im Gottesdienst, zu groß ist der Abstand zwischen Gelegenheitskirchgängern und den Berufsgläubigen, die den Text gelangweilt runterleiern. Die Liturgie ist überfrachtet mit unverständlichen Formeln. Liedgut, Bibeltexte, Psalme nutzen eine abstoßende Sprache. Auf meine Frage, warum  Bekannte nicht zur Kirche gehen, kommt wieder und wieder dieselbe Antwort:

„Ich verstehe das nicht. Mir ist im Gottesdienst langweilig.“

Die, die es sich zum Beruf gemacht haben, Menschen zu Gott zu führen, verbarrikadieren sich hinter starren Regeln, anstatt den Suchenden Hilfe zu leisten. Diejenigen, die von Gott gerufen werden und die den Ruf hören, finden zwischen sich und dem lebendigen Gott einen unüberwindbaren Berg aus Glaubensmüll, der sich in Jahrhunderten angesammelt hat.

Ich will einfach nur die paar Tage, die mir auf der Welt gegeben sind, gottgefällig ausfüllen. Mein Gott! Wie viele Tonnen Druckerschwärze wurden für diesen Quatsch schon verdruckt. Wie viele Bäume mussten ihr Leben lassen, weil Sinnlosigkeiten breit und breiter getreten wurden und niemand den Mumm hatte, den Ballast der Jahrhunderte abzuwerfen.

Schade.

Was ist vom Glaubensbekenntnis am Ende für mich persönlich glaubwürdig? Hier der Rest, ein mächtiger Rest, den ich glaube:

Ich glaube an Gott.

Und an Jesus Christus, unsern Herrn
gelitten unter Pontius Pilatus,
gekreuzigt, gestorben und begraben.

Ich glaube an den Heiligen Geist,
die Gemeinschaft der Heiligen.

Amen.

Wem das zu kurz ist, den möchte ich auf die Nummer 816 im Evangelischen Gesangbuch verweisen:

Wir glauben an Gott,
den Ursprung von allem,
die Quelle des Lebens,
aus der alles fließt,
das Ziel der Schöpfung,
die auf Erlösung hofft.

Wir glauben an Jesus Christus,
den Gesandten der Liebe Gottes,
von Maria geboren.
Ein Mensch, der Kinder segnete,
Frauen und Männer bewegte,
Leben heilte und Grenzen überwand.
Er wurde gekreuzigt.
In seinem Tod
hat Gott die Macht des Bösen gebrochen
und uns zur Liebe befreit.
Mitten unter uns ist er gegenwärtig
und ruft uns auf seinen Weg.

Wir glauben an Gottes Geist,
Weisheit von Gott,
die wirkt, wo sie will.
Sie gibt Kraft zur Versöhnung
und schenkt Hoffnung,
die auch der Tod nicht zerstört.
In der Gemeinschaft der Glaubenden
werden wir zu Schwestern und Brüdern,
die nach Gerechtigkeit suchen.
Wir erwarten Gottes Reich.

Hier haben wir eine „bereinigte“ Version. Alle meine Kritikpunkte sind neu formuliert oder einfach weggelassen. Ich erinnere an: Vater, Allmächtiger, Empfängnis durch den Heiligen Geist, Jungfrauengeburt, Himmels- und Gottesbeschreibungen, Auferstehung der Toten, ewiges Leben. Dieser Text zeigt, dass die Organisation Kirche nicht stehen geblieben ist.

Der Weg geht weiter.

Amen.

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Kommentare zu diesem Text

Karmesin (20)
(04.12.12)
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 Dieter Wal (30.01.24, 21:15)
Amen  ist eine Verbalform des hebräischen Substantivs "Ämunah", was Festigkeit, Beständigkeit, Stärke bedeutet. Amen heißt z. B. "es ist bekräftigt".

Kommentar geändert am 30.01.2024 um 21:15 Uhr

 Dieter Wal (30.01.24, 21:39)
Es kann nicht sein, dass ich erst drei Jahre Theologie studieren muss, um so etwas Elementares wie ein Glaubensbekenntnis zu verstehen.
Lieber Rudolf,

Du hast völlig recht. Es sollte modernere Texte über das Vaterunser als  Luthers Großen Kathechismus geben. Zumal zumindest in meinen Augen Luthers gut gemeinter Text alles andere als aktuelle theologische Erkenntnisse enthält. Insofern danke ich Dir sehr für Deine diesbezüglichen Bemühungen und ihre Mitteilung via kV.

Nimmt man die in Deutschland besonders seltene Gelegenheit wahr und besucht eine "gnostische Messe" der  Ecclesia Gnostica Catholica, sprechen die Beteiligten an einer bestimmten Stelle folgendes "Glaubensbekenntnis in deutscher oder englischer Sprache:


“I believe in one secret and ineffable LORD; and in one Star in the company of Stars of whose fire we are created, and to which we shall return; and in one Father of Life, Mystery of Mystery, in His name CHAOS, the sole viceregent of the Sun upon Earth; and in one Air the nourisher of all that breaths.
And I believe in one Earth, the Mother of us all, and in one Womb wherein all men are begotten, and wherein they shall rest, Mystery of Mystery, in Her name BABALON.
And I believe in the Serpent and the Lion, Mystery of Mystery, in His name BAPHOMET.
And I believe in one Gnostic and Catholic Church of Light, Life, Love and Liberty, the Word of whose Law is THELEMA.
And I believe in the communion of Saints.
And, forasmuch as meat and drink are transmuted in us daily into spiritual substance, I believe in the Miracle of the Mass.
And I confess one Baptism of Wisdom whereby we accomplish the Miracle of Incarnation.
And I confess my life one, individual, and eternal that was, and is, and is to come.
AUMGN, AUMGN, AUMGN.”
 Quelle


Die poetischen Aussagen darin finde ich sehr schön. Doch wenn man wirklich verstehen will, was sie bedeuten, kann man dem Link folgen und findet dort Erklärungen.

Dieses "Glaubensbekenntnis" dient demnach eher der rituellen Einübung und Anreiz, sich darin geistig zu vertiefen, als dass es die Voraussetzung dafür bildet, was man tatsächlich glauben oder bekennen sollte. Es ist ja auch keine konfessionelle Gruppe wie die EKD, sondern eine neognostische. Das NT entstand unter anderem in Auseinandersetzung und Abgrenzung zur antiken Gnosis. Unsere heutigen kirchlichen Glaubensvorstellungen sind auf gnostischem Humus mit gewachsen. Gnostische Texte wurden bis ins 3. Jahrhundert auch in christlichen Klöstern noch als Erbauungstexte von Mönchen gemeinsam laut gelesen. Die wichtigsten Schlüsselbegriffe der oben zitierten winzigen Gemeinschaft (ca. 100 Mitglieder in Deutschland) lauten: "Light, Life, Love and Liberty".

Nach meinem Dafürhalten verstehen nicht einmal die allermeisten evangelischen Theologen wirklich die Inhalte des Apostolischen Glaubensbekenntisses.

Wie gefällt Dir das  Nicänische Glaubensbekenntnis?

Gruß
Dieter



Kommentar geändert am 30.01.2024 um 22:27 Uhr
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