Streichelzoo

Erzählung zum Thema Kinder/ Kindheit

von  tueichler

Sie waren schon lang nicht mehr bei mir in Frankfurt gewesen. Nicht in den letzten 6 Jahren, wir kannten uns vom Studium. Er, also Manuel, studierter Elektrotechniker der ehemaligen Hochschule für Verkehrswesen, jetzt TU Dresden war seit Anfang der Neunzigerjahre fest bei der Bahn verdrahtet. Manuela, seine Frau, war Heilpraktikerin im Zweitberuf, da im mittelfränkischen Bergland leidlich wenige diplomierte Apparatebau er gebraucht wurden. Die Zeit war in den letzten sechs Jahren nicht stehen geblieben und aus den zwei Leutchen ist mittlerweile eine kleine Herde von 5 Leutchen geworden. Die Kleinste ist gerade 2 Jahre, die anderen 4 und 5 Jahre alt. Alles kleine Weiber. Mein Plan, das Wochenende in mehr oder wenige vielen Äpplerkneipen bei handgemachter Musik zu verbringen und alte Dummheiten aufzuwärmen änderte sich jäh, ich hatte ja keine Ahnung. Der kleine Stamm schlug auch nur deshalb bei mir auf, weil sie gerade auf dem Weg nach Frankreich waren und eine Absteige fürs Wochenende suchten.
Ankunft also Freitag Abend, Rotwein, Nudeln, Piep-piep-piep, Kinder bespaßen, Abendrituale und dann quatschen bis weit nach 2 Uhr. Nur Manuela war schon im Bett, die frrängische Mama musste schon um fünfuhrdreisig mit den Kleinen im Garten die Sonne begrüßen - gut dass ich das nicht miterleben musste.
Frühstück achtuhrdreisig und Tagesplan. Schirn oder Städel waren undenkbar mit den Kleinen, der Wetterbericht versprach satte 32 Grad und wolkenfreien Himmel aber das Badezeug war in Manuels Touran im Staufach unter dem Kofferraumboden. Wer denkt denn im Sommer daran, spontan Baden zu gehen. Also saßen Manu und Manu und ich nach dem Frühstück bei einer weiteren Tasse Kaffee auf der Terrasse und beratschlagten den Tag während die kleinen Weiber aus meinen mühsam gezogenen blühenden Stauden um die Wette Kränze fertigten, die entweder gleich zerfielen oder aber nach wenigen Minuten in der Sonne deutlich an Leuchtkraft verloren. Ich tröstete mich damit, dass ich am Vorabend ohnehin vergessen hatte, den Garten zu wässern und es deshalb auch nur noch eine Frage von Stunden gewesen wäre, ehe der Rest der Blüten am Strunk verdorrt wäre.
Wie auch immer, wir kamen nach wenigen Viertelstunden überein, den Frankfurter Zoo zu besuchen.
Nun, fast Mittag, stellte sich bei den Kleinen spontaner Hunger, speziell nach Eis, ein. Der Großteil der Tiere blieb also links oder rechts liegen und wir gaben den kleinen Quänglern mit einer Suche nach dem Eisstand nach. Da war es unerheblich, dass mich Schilder neugierig machten, auf denen lustige Dinge standen wie 'Achtung, Tier spritzt' oder 'Vorsicht, riecht streng'. Leidlich durch die Suche erschöpft erreichten wir einen Nahrungsstützpunkt. Es gab Eis für die Kinder, die auch prompt anfingen, wie Humpatz zu kleben. Mama bekam Wasser und wir zwei Kerle ein Weizen. Also jeder eines. Da es am Fressstand Currywurst scheinbar immer, außer mittags gab, schlugen Manu und Manu vor, den Erwachsenen was Essbares zu organisieren. Ob ich denn so lange die Kleinweiber hüten könne. Glücklicherweise (wie ich zu diesem Zeitpunkt noch dachte) befand sich unser derzeitiger Standort direkt am Streichelzoo.
Es gibt hier vielerlei Getier, dass mehr oder weniger gern begrapscht wird, meist in der Hoffnung, irgend ein Leckerli vom Automaten am Eingang zu bekommen. Enten waren da noch das Harmloseste. Es gab Zwergesel, allesamt größer als die Kleinweiber, Rehkitze, die rumgezickt haben und immer wegrannten und weitere zwei- und mehrfüßige Kreaturen. Eine, bestimmt nette, Tierpflegerin betrat den Streichelbereich um ein kleines Holzhaus zu öffnen. Von Manu und Manu war weit und breit keine Spur, ebenso wie vom Essen. Das, so würde ich in wenigen Augenblicken erfahren, hätte sich ohnehin bald erledigt.
Ich hatte die ganze Tragweite des Öffnens der Holzhütte noch nicht erfasst, als die Kleinweiber zu mir gerannt kamen und dem jeweiligen Alter entsprechend mehr oder weniger artikuliert so was wie 'Guck mal, wie süß' brabbelten. Nach einigen Augenblicken sah ich, was gemeint war. Dutzende, wenn nicht gar mehr, kleiner Ziegen hielten auf uns zu. Ich bin zwar nicht sehr groß, überragte aber die Durchschnittsklientel im Streichelzoo um etwa 150 Prozent und war somit der Neugier der kleinen Zwergziegen schutzlos ausgeliefert. Fast alle sahen aus, als wären sie trächtig. Und just fragten mich die Kinder auch danach. Ich kam gerade so davon, mich nicht auf eine Aufklärungsdebatte mit Under-teens einzulassen und sagte nur, dass es die Viecher wohl ganz gern haben, wenn man ihnen den Bauch krault und klopft. So geschehen. Als ich vereinsamt in der Mitte des Streichelreviers stand und Eltern ihre schreienden Kinder versuchten aus dem Bereich zu retten, konnte ich mir das noch nicht sofort erklären. Auch die Kleinweiber hielten sich verdächtig weit am Rand auf und sagten eher nichts. Erwähnenswert ist, dass dieser Hochsommertag mit einer bemerkenswerten Windstille einherging. Genau deshalb bemerkte ich auch erst, als es zu spät war, was die Zieglein so gedrückt hat. Ich hab mit den Kleinen natürlich kräftig Ziegen gekrault und getätschelt, jedoch aus einer anderen Kopfhöhe heraus. Nun, nach einiger Zeit stieg, was die Kinder zur Flucht veranlasste, in meine Höhe. Unbeschreiblich! Der Dickbauch der Ziegen war nichts als monströser Ziegenfurz, der Entladung suchte. Man macht sich kein Bild von dem Gestank. Ich schloss mich also der Mehrheit an und verließ den Streichelbereich, nicht ohne  jedoch feststellen zu müssen, dass man mir auswich. Manu und Manu waren mit drei Currywürstchen inzwischen zurück und wunderten sich erst nicht schlecht, die drei Kleinweiber so anhänglich vorzufinden. Erst bei meiner Annäherung an den ergatterten Partytisch vor dem Gehege rümpften auch sie die Nase und hielten Abstand. Auf den Verzehr meines Würstchens habe ich verzichtet, da mein mir anhaftender Geruch sowohl Hunger als auch Appetit zu kompensieren vermochte. Ich habe seitdem den Streichelbereich nicht mehr betreten. Nicht in Frankfurt oder Anderswo, nicht mit und nicht ohne Kleinweiber oder andere Kinder. Und ich werd das nie wieder tun. Ziegenfurz!
Manu und Manu reisten schon Samstag ab und nicht erst Sonntag. Ich nahm mehrere Duschen, habe das Auto gelüftet und das Gästezimmer mit Wunderbäumchen behängt. Manu und Manu mussten ihre miefenden Kinder auf dem Weg nach Frankreich wenigstens 12 weiterre Stunden ertragen. Ein Trost für mich, wenn auch ein kleiner.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (23.12.12)
Deine realistische Beschreibung des infernalischen Gestanks würde man nicht bis zum Ende durchhalten, wäre sie nicht so humorvoll.
LG
Ekki
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