Die Entdeckung des Himmels von Harry Mulisch

Rezension zum Thema Buch/ Lesen

von  Ganna

Dieses Buch ist witzig, es ist geistreich, versorgt den Leser mit Wissen aus vielen Gebieten und philosophischen Ergüssen und doch musste ich mich zwingen, die ersten 150 Seiten überhaupt durchzustehen, so langweilte ich mich inmitten der männlichen Gesellschaft, die Frauengestalten nur als notwendige Statisten zulässt, denen nicht das Recht und die Macht zugestanden wird, selber zu agieren und die somit notwendigerweise allesamt zu Opfern werden müssen.

Frauen tauchen als Lustobjekte männlicher Begierde auf und werden darauf reduziert, männliche Kinder zu gebären oder aufzuziehen. Jede weitere Sinngebung ihrer Existenz kann der Autor nicht erkennen. Das Geschehen zu bestimmen bleibt allein den männlichen Wesen vorbehalten. So musste ich mich zunehmend fragen, in welche Gesellschaft ich da als Leserin hineingeraten war, denn genau das war es ja, mit dem ich mich schon im Alltag herumschlagen musste. Nun bekam ich diese Situation kritiklos als Unterhaltung vorgesetzt. Der Autos selber hatte nicht durchschaut, in welcher Welt er lebt.

So ist dieses Buch ein unvollkommener Spiegel unserer Welt, der inneren Welt des Autors entsprechend. Dadurch wird dieser Roman auch nur ein halber Roman, dem eine Seite fehlt, um eine Mitte bilden zu können. Ihm fehlt es an Halt, an Zusammenhalt der einzelnen Geschehnisse, am roten Faden und letztlich auch an Sinn.
Es kann eben nichts Rundes, Ganzes entstehen, wenn ein wesentlicher Teil weggelassen wird. Der Anspruch, ein „faustisches“ Werk zu schaffen wird somit um Längen verfehlt.

Dem Romankind, von göttlichen Wesen auf der Erde erschaffen, fehlen dann auch alle weiblichen Anteile. Er zeigt keine Gefühle und er lässt keine Zärtlichkeit zu. Dafür wird ihm überwältigende Schönheit angedichtet, die ihn sofort in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt…Wunschdenken eines Mannes, der sich in narzistischer Selbstbetrachtung verliert.

Harry Mulisch kann unterhaltsam schreiben, ihm gelingen witzige, treffende Formulierungen, geschichtliche Bezüge sollen das Geschehen vertiefen, einzelne Fragmente können durchaus für sich stehen, doch fehlt dem Roman Tiefe und eine sinngebende Mitte.
Ich kann ihn daher nicht empfehlen.

„…wenn man endlich das erreicht hat, was man erreichen wollte, ist es nicht mehr das, was man erreichen wolllte, sondern nur noch das, was man erreicht hat. Es ist eine Selbstverständlichkeit geworden. Genaugenommen, verliert man eigentlich, was man gewinnt und wenn man obendrein bedenkt, was man hat alles anstellen müssen, um es zu erreichen, dann vergeht einem die Befriedigung ziemlich schnell…“ (Seite 415)


Auch Passagen wie die obige, die ich durchaus mit Vergnügen lese, erweisen sich bei näherer Betrachtung als oberflächlich und ungenau.
Ziele an sich verändern sich nicht. Wenn man erreicht hat, was man wollte, muss man plötzlich erkennen, dass das, was man wollte zu einem großen Teil aus dem bestand, was man ihm angedichtet hatte. Daher verlieren alle Ziele im Nachhinein ihre vormalige Anziehungskraft.
Daraus lässt sich aber nicht schlussfolgern, dass man verliert, was man gewinnt, sondern dass man Erkenntnis gewinnt, die sehr oft mit Ent-täuschung einhergeht. Es sind also wir selbst, die wir uns suggerieren, ein Ziel wäre erstrebenswert, indem wir dieses Ziel zu dem machen, was es gar nicht ist. Dafür kann nicht das Objekt unserer Begierde, sondern nur unsere eigene Verblendung.
Dies, seine eigene Verblendung zu erkennen, steht Harry Mulisch noch bevor.

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Kommentare zu diesem Text


 blauefrau (16.02.13)
"Die Entdeckung des Himmels" war lange Zeit mein Lieblingsbuch. Ich betrachte den Aufbau des Buches als großen Wurf.
Unangenehm hängen geblieben ist bei mir die Beziehung der älteren Frau, der Mutter der ins Koma gefallenen Frau(?) zu einem der beiden Männer. Sie konnte ihre Lust nicht bei Tage zeigen. Sie tat zudem mehr oder weniger so, als sei die Beziehung nicht existent.
Andererseits hat der "Geliebte" sie abserviert, als er eine andere, jüngere Frau fand. Er hat ebenfalls Schuld auf sich geladen, auch wenn Psychologen da anders argumentieren würden.
Wie hätte er ihr helfen können?

Harry Mulisch ist 2010 gestorben. Er kann nichts mehr auswerten oder korrigieren.

Lieber Gruß blauefrau
(Kommentar korrigiert am 16.02.2013)

 Ganna meinte dazu am 16.02.13:
...Deine Meinung ist interessant...für mich ist dieses ganze Konstrukt nicht natürlich, auch nicht nachvollziehbar, weit weg vom Leben...auch wenn es nachgespielt erscheinen mag...nichts, was mein Interesse angesprochen hätte, so dass ich mich gähnend durch die Seiten quälte...insofern erscheint mir der Aufbau auch gequält, zu künstlich und gewollt...aus der Wunschvorstellung eines Mannes heraus geschrieben...

...die Sicht des Autors auf die Frauen hat mir nur seine eigene Einstellung zur Weiblichkeit offenbart, es sei ihm verziehen nicht nur, weil er schon gestorben ist, sondern auch einer anderen Generation angehörte...

liebe Grüße
Ganna

 blauefrau antwortete darauf am 16.02.13:
An ihre Plätze gestellt und entsorgt werden hier auch die Männer. So wird Max durch einen Meteoriten erschlagen, Onnos Freundin Helga wird erschlagen, woraufhin Onno als Bettler nach Rom geht.

Max ist ein Schwerenöter, Onno ist Autodidakt und Sohn aus reichem Hause, auch nicht unbedingt Schwiegermutters Traum[Wobei: es kommt dann ja tatsächlic die Schweigermutter ins Spiel].

Zu den Frauen:
Ada liegt im Koma,
Helga wird ermordet,
Adas Mutter zieht mit Max das Kind Quinten groß; sie wird auf ihre Funktion als mütterliche Begleitperson reduziert.


Stark gezeichnet wird Ada:
Ada ist eine bekannte Cellistin, sie nimmt sich das Recht heraus, ihre Liebe auszuleben, und sie entscheidet sich auch neu,wenn sich ihre Gefühle ändern. Auf ihre Art ist auch Adas Mutter stark.

Ich werde das Buch noch mal lesen müssen.
Lieber Gruß blauefrau

 Ganna schrieb daraufhin am 16.02.13:
....ja, es ist sehr konstruiert, das umfasst alle Personen, wenn sie nicht mehr gebraucht werden, dann erschlägt sie eben mal schnell ein Meteorit, das kommt ja auch alle Tage häufig vor...ein gutes Buch ist für mich etwas anderes...wobei ich auch keine starke Frauenpersönlichkeit entdecken konnte...Ada darf noch nicht einmal bis zur Geburt ihres Kindes "mitspielen", sie wird zur Gebärmaschine reduziert und nach der Empfängnis aussortiert...die Schwiegermutter zieht sich "freiwillig"?? ins Reich der Schatten zurück...was ist daran stark?...und kommt dem nach, ein Kind großzuziehen, da das ja nun einmal jemand machen muss...hat sie ein eigenes Leben? ...ich sehe keins...

...ich lese es gewiss nicht noch einmal...

liebe Grüße
Ganna

 Lala (16.02.13)
Dem Romankind, von göttlichen Wesen auf der Erde erschaffen, fehlen dann auch alle weiblichen Anteile. Er zeigt keine Gefühle und er lässt keine Zärtlichkeit zu. Dafür wird ihm überwältigende Schönheit angedichtet, die ihn sofort in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit stellt…Wunschdenken eines Mannes, der sich in narzistischer Selbstbetrachtung verliert.

Ein männlicher Autist, dem die Weiber hinterherlaufen? Das ist das göttlich erschaffene "Romankind"?

Interessant. Ich dachte immer, ich sei in den Puff gegangen - die anderen geben das ja eh nie zu - weil mich überwätligend schöne Frauen, oder die, die ich dafür halte, für einen kleinen Obolus in den Mittelpunkt stellen? Manchmal ist der gar so gering, das schon eine Empfehlung oder Favorisierung ausreichte, um einen geblasen zu bekommen - Aron Manfeld ist in dieser insicht recht störrisch und Toltec Head belehrte mich gerade in seinem kurzen Gedicht, dass es eh nur ums Ficken und gefickt werden geht.

Also m. E. Ganna hat Mulisch, sofern Deine Charakterisierung zutrifft, dem Romankind die Eigenschaften einer Hure angedichtet, die diese selbstredend haben muss, um die andauernden Besteigungen seitens der Leser (Freier) irgendwie zu überleben. Was daran nun weiblich oder männlich ist? Entscheide selbst.

 Ganna äußerte darauf am 16.02.13:
...nicht nur die Weiber, auch die Männer und eher sogar diese können sich seinem Äußeren nicht entziehen...vor allem scheints, der Autor sieht in diesem von ihm selbst geschaffenen Geschöpf den göttlichen Ausdruck seiner Selbst...

...aber Hure? ...sehe ich nicht so...eine Hure steht anderen zu Diensten, hier aber scheint es sich um einen Narziss zu handeln, der sich selbst genug ist...und im Grunde auch die Leser nicht braucht...
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