Winter

Kurzprosa zum Thema Meditation

von  Ganna

Ich lasse alle Gedanken fallen, so dass sie langsam nach unten gleiten und sich zu meinen Füßen sammeln. Dort rascheln sie mit sich selbst beschäftigt.
Endlich von ihnen befreit, öffnet sich mein Blick und das Staunen kehrt zurück.

Morgendliches Licht dämmert fein in aller Stille.
Die Sonne muss nachts unermüdlich gewandert sein, da sie nicht dort erscheint, wo sie sich abends verabschiedete.

Jetzt im Osten, tastet sie sich mit einigen Strahlen vorsichtig hoch zum Bergrücken und blinzelt in das Tal, das noch von der Nacht regiert wird.
Langsam schiebt sie sich nach oben, selbstsicher und ignorant.
Die Aufmerksamkeit gehört selbstverständlich ihr.

In prachtvoller Reinheit steht sie über den Felsen und beglückt die Landschaft mit ihrem Licht.
Stück für Stück verdrängt sie alle Schatten und legt sich flach auf kalte Wiesen.

Unter ihrem Licht werfen Gras und Büsche langsam ihren weißen, eisigen Pelz ab, mit dem die Nacht sie bedeckt hatte.
Und der Reif gibt eine sanfte Farbigkeit frei.

Die Welt liegt bewegungslos unter klarem Himmel und lauscht.
Kein weltliches Geräusch verirrt sich hierher. 
Alles atmet in Stille.

Der Himmel hat sich auf die Erde gelegt.
Beide atmen im Gleichklang.

Ich spüre, wie sie sich beglücken und fühle mich so rein wie sie, so bewegungslos, so frei, so still wie Bäume und Steine.

Plötzlich spüre ich, mein Geist löst sich, erhebt sich in den Himmel und schwebt hinauf ganz leicht.

Ich vergesse mich.
Tiefer Atem lässt meine Seele weich werden.

Hin und wieder ziehen Gedanken durch mich hindurch.
Ich lasse sie fallen, lasse sie gleiten bis in die Unendlichkeit….dorthin, wo sie sich alle sammeln und unhörbar rascheln.

Bäume wachen über mich. Schon gestern sogen sie alle Aggressionen aus mir, nahmen allen Irrsinn auf und schüttelten sich leise.
So befreit bin ich durch sie.

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Kommentare zu diesem Text

KoKa (44)
(05.02.13)
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 Ganna meinte dazu am 05.02.13:
...an solch eine Sichtweise dachte ich nicht...aber selbst wenn man es so sähe, gäbe es keine Veranlassung, den Text Kindern oder Jugendlichen vorzuenthalten...
fragilfluegelig (49)
(05.02.13)
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 Ganna antwortete darauf am 05.02.13:
...vielen Dank...tatsächlich ist Dein Empfinden nicht verkehrt...ich wollte gerne das Darüberstehen, das Königliche der Sonne...werde die nächsten Tage mal darüber nachdenken, im Moment brauche ich noch etwas Abstand...

 Jorge (09.02.13)
Eine Naturbeobachtung vom Feinsten.
Die enorme Wirkung der Natur auf das eigene Befinden wird glaubhaft mit jeder Zeile vermittelt.
Gefällt mir sehr.
LG Jorge

 Ganna schrieb daraufhin am 09.02.13:
...vielen Dank!

...und liebe Grüße aus Südfrankreich von Ganna
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