Eigenbedarf

Sonett zum Thema Allzu Menschliches

von  Isaban

Warum du dich schneidest, das frage ich dich.
Da schweigst du, fixierst dein Stück Torte,
betrachtest die Teller, die Tassen, mich nicht,
verschweigst dich, dir fehlen die Worte.

Du ziehst beide Ärmel hinunter zur Hand,
legst sorgsam das Tuch auf die Narben,
vor deinen Pupillen trägst du eine Wand,
Erwartungen, die mit dir starben.

Um dich drehst du dich, doch du fühlst dich nie gut,
nie reicht dir ein sanftes Berühren.
Die Herdplatte brauchst du, Verbote und Glut,
den Trotz und den Kampf, eine Klinge und Blut;
stets schreist du nach Schlägen, denn Schmerz macht dir Mut:

Durch ihn kannst du dich endlich spüren.

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Kommentare zu diesem Text


 franky (16.03.13)
Hi liebe Sabine,

Sie kann nur mit dem Schmerz einen Höhepunkt erreichen. Das sprengt die Norm, ist nicht normal.
Doch wer ist schon Nor Mal?
Die sonst üblichen zwei Terzette, in Quintett und Solo aufzuteilen, fällt ins Auge und bringt Abwechslung..

Liebe Grüße mit Sonne für dein Fenster

Franky

 Isaban meinte dazu am 17.03.13:
Eine spannende Interpretation, Franky!
Hab vielen Dank für deine Rückmeldung.

Sonnige Grüße auch an Hauswand, Türe und Giebel

Sabine
holzköpfchen (31)
(16.03.13)
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 Isaban antwortete darauf am 17.03.13:
Interessante Auslegung, Sockenpuppe, wirklich spannende Assoziationen. Freut mich sehr, dass du dich mit dem Text beschätigen mochtest.

Liebe Grüße

Sabine

 niemand (16.03.13)
Im Gegenteil zum Vorkommentator sehe ich hier einen hilflosen
Erwachsenen (könnte eine Mutter sein, könnte auch nicht ...)
der mit einem Jugendlichen/Kind zum Kaffee verabredet ist (Torte) und etwas sieht, was er vielleicht schon vermutet hat:
Einen sich Ritzenden, einen der den Schmerz braucht um etwas zum empfinden.Ich lese hier weder eine verquere Psychologie noch sonstwas, sondern eine Beobachtung, die gut in Worte gefasst ist. Die Beschreibung/Beobachtung ist gelungen, denn sie zwingt den Leser nicht in eine Wertung und läßt ihm die Möglichkeit sich die Geschichte der beiden selbst weiter auszumalen. Es könnte eine Mutter sein, ein Erzieher, ein Fremder/Bekannter dem das ritzende Gegenüber sitzt und jenachdem wer es ist, könnte man sich desse seelische Regung
beim Lesen ausmalen, ohne dass diese im Gedicht sichtbar wird.
Man kann es sich von still verzweifelt, bis hin zum sachlichen
Beobachten denken. Die Worte sind hier so gut gewählt, dass selbst die Reime, die mir sonst bei solcher Thematik eher aufstoßen, nich stören. Ich empfinde dieses Sonett als gelungen.
LG niemand

 Isaban schrieb daraufhin am 17.03.13:
Hallo niemand,

herzlichen Dank für deine ausführliche Rückmeldung und die schöne Interpretation! Mich freut sehr, dass hier die Reime trotz des Erzählcharakters nicht stören. Erst wenn eine Form nicht mehr ins Auge springt, sondern nur den Inhalt nahe bringt, hat man sie gelungen angewendet. Das gelingt nicht immer. Es ist mir eine Freude, das es hier anscheinend einmal geklappt hat. Merci beaucoup.

Liebe Grüße

Sabine

 EkkehartMittelberg (16.03.13)
Das fängt mit dem Stück Torte so biedermeierlich an und führt hinaus in eine falsch verstandene Welt des Schmerzes.
Das Abweichen von der traditionellen Sonettform zugunsten der Schlussaussage halte ich für gelungen.
LG
Ekki

 Isaban äußerte darauf am 17.03.13:
Das freut mich sehr. Herzlichen Dank für diese Rückmeldung, Ekki.
Liebe Grüße

Sabine

 Lluviagata (16.03.13)
Mutter und Tochter treffen sich nach langer Zeit. Mutter stellt die Tochter zur Rede und weiß aber doch um die Lebensumstände der Tochter, denn im Geiste beantwortet sie ihre Frage selbst. Beide schauen von ihrer Seite auf die Wand, die sie irgendwann zwischen sich hochgezogen haben.
Was mir hier auffällt, ist, dass nur eine Person fragt und antwortet, während die andere schweigt. Daher fehlt mir irgendeine Bestätigung, die von der Gefragten ausgeht. Sie will nicht, klar. So sind die Gedanken der Sprecherin m.E. nach nur Vermutungen. Ein Urteil wird gefällt, ohne dass der andere angehört wird.

Liebe Grüße
Llu ♥

 Isaban ergänzte dazu am 17.03.13:
Stimmt, dieser Text ist ein Monolog, liebe Llu. Die Begründung findest du im ersten Quartet. Das lyrische Ich muss sich die Antworten selbst geben, vom lyrischen Du kommt da nichts. Dieses lyrische Du kann nicht nach außen schauen, kann nur schweigen und sich verschweigen, kann im Grunde nur nach innen lauschen. Es wird also vom LI nicht wirklich ein Urteil gefällt, das LI sucht Antworten, die ihm niemand sonst geben kann, die dementsprechend nur aus der eigenen Beobachtung resultieren können. Ja, vielleicht reine Vermutungen, auf jeden Fall Interpretationen. Es gibt eben keine Wahrheiten und endgültigen Antworten, so funktioniert das, wenn einer fragt und der andere schweigt. Da gibt es nur die Möglichkeit, das Schweigen nach logischen Gesichtspunkten, eigenen Erfahrungen und bestem Gewissen auszulegen, den Versuch, in etwa nachzuempfinden, was im LyrDu vorgeht. Was sonst bleibt dem LI übrig?

Liebe Grüße

Sabine
baerin (53) meinte dazu am 18.03.13:
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 Isaban meinte dazu am 19.03.13:
Liebe chris, bist du sicher, dass es sinnvoll ist, auf beiden Seiten des Tisches zu schweigen und jemandem, der einem nahesteht einfach nur akzeptierend und ohne zu hinterfragen dabei zuzuschauen, wie er/sie sich ständig selbst verletzt und damit zerstört?

LG

Sabine
baerin (53) meinte dazu am 19.03.13:
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 Owald (16.03.13)
Ich finde, nachdem sich Strophe 3 gekonnt so allmählich hineinsteigert, die Pointe schwach, weil, nuja, ich da etwas Überraschendes, Unerwartetes erwartet hätte. Dieses erwartbare Ende hätte ich nicht erwartet. Hm, vielleicht sollte es ja auch keine Pointe sein?
Den Titel wiederum finde ich gelungen.

 Isaban meinte dazu am 17.03.13:
Hallo Owald,

hm, eigentlich hatte ich mir die Wirkung des Schlussverses nach der dramatischen Steigerung vorher so vorgestellt, wie die sichere und erwartete temporäre Erleichterung nach dem Schnitt, wie das Druckentweichen nach dem Öffnen des Ventils, wie das Einatmen nach dem Atemanhalten.
Vorhersehbar, richtig. Man weiß, was kommt, man weiß um den Schnitt und den Schmerz und dennoch gibt es keinen anderen Schluss, keine andere Möglichkeit, als den Weg zu gehen, den man sich selbst vorgeschrieben hat. Vorhersehbar und einzig möglich. Eine Pointe wäre fast sowas, wie eine Patentlösung, wie etwas, das es bei dieser Problematik nicht gibt. Wenn man so leicht aus Mechanismen, beziehungsweise Zwangshandlungen aussteigen könnte, wären sie keine.

Hab vielen Dank für deine Rückmeldung. Ich denk noch mal drüber nach, wie ich die Ventilwirkung stilistisch plastischer darstellen kann.

Liebe Grüße

Sabine
KoKa (44)
(27.03.13)
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