Altbauwohnung mit renoviertem Jambus - über Lyrik mit Willen zum Kerzenschein

Kritik zum Thema Literatur

von  toltec-head

Manche Lieder auf diesem Forum lassen mich an die spöttische Beschreibung Adornos einer feinen adenauerzeitlichen Soirée denken, bei der man Sektgläser in der Hand, die Musiker tragen Perücke, der Feuerwerksmusik von Händel lauscht: Aber bitte mit Kerzenschein!

Wer meint, atomarer Supergau und Marietta Slomka hätten den Enkeln der BRD-Dinos den Willen zu Stuck und Leuchtern gründlich vermiest, der irrt. Der Wille zur Altbauwohnung mit renoviertem Jambus ist ungebrochen. Beweis: Jedes Internetliteraturforum an jedem x-beliebigen Tag.

Die gespenstische Atmosphäre von Adornos Soirée - man spielte Händel damals auf Stahlsaiten und mit triumphierendem Karajan-Duktus -  Matthias_B hat sie für die zeitgenössische Lyrik der Internetliteraturforen sehr gut einfangen:

"Phrasenperlchen werden kompiliert
und ins runde Metrum eingesetzt,
nichts erschimmert sperrig antiquiert,
nichts modern. Der Sinn kreist abgewetzt."

Statt Jamben darf's gern auch mal Bambus mit Gartenbuddha sein. Gartenzwerge werden indes streng diskriminiert.

Und so werden sich auch heute wieder metrisch korrekte Oberstudienratlieder augenzwinkernd Weimar annähern. Die Haikuh wird wieder muhen. Und das Tanka-Girl einen Striptease androhen. Natürlich alles im Kerzenschein.

Es wird oft um Jahreszeitliches oder andere sogenannte Naturphänomene gehen. Öfters aber noch um den Egoismus zu zweien vulgo Liebe. Und das Urteil vieler wird von vornherein feststehen: "Einfach nur schön!"

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (04.04.13)
"Renovierter Jambus". Herrlich.
Wie wär's denn mit nem frisch frisierten Anapäst:
Nückwärts, nückwärts, non Nodrigo.
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