Präsentation

Gedicht zum Thema Einsamkeit

von  Owald

Die Langeweile tagt in Raum 3c.
Für hundertsechzehn Leute ist hier Platz.
Der Moderator spricht den ersten Satz.
In einer Ecke stehn Gebäck und Tee.

Das Publikum sitzt einsam und gebeugt.
Im Handelsforum gibt es keinen Freund.
Der Referent zeigt mittels PowerPoint,
wie man komplex die Grundstruktur erzeugt

und wie man, wenn die Wirtschaft dazu zwingt,
den Inhalt im Gesamtkontext verlinkt
mit Daten, deren graphisches Gewicht
die Kybernetik hinterrücks ersticht.

Ein Kursteilnehmer hustet wie zum Spaß.
Der Moderator trinkt aus einem Glas.
Es riecht nach warmem Schweiß und kaltem Tee.
Die Langeweile tagt in Raum 3c.


Anmerkung von Owald:

Edit: "An einem Fenster" geändert zu "In einer Ecke" (V4).

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Kommentare zu diesem Text


 Lluviagata (27.04.13)
Bei diesem höchst korrekten Reimbild kein Wunder! :D

Ich hatte den Anfang schon wieder vergessen, als ich zum Ende kam. Eingelullt in höchstem Maße, so sind sie, die PPPen in Raum 3c.

Liebe Grüße
Llu ♥

 Owald meinte dazu am 27.04.13:
Man ist schon froh, wenn es überhaupt Gebäck gibt. Danke und Gruß zurück!

 ViktorVanHynthersin (27.04.13)
Vor dem Lesen des Gedichtes hätte ich gewettet, dass ich niemals ein Werk empfehle, das sich reimt und in dem die Worte Kybernetik und PowerPoint vorkommen. Heute hätte ich die Wette verloren.
Herzliche Grüße
Viktor

 Owald antwortete darauf am 27.04.13:
Tja, bis vor ein paar Tagen hätte ich auch nicht darauf gewettet, daß ich sowas mal schreibe.
Danke und Gruß

 Isaban (27.04.13)
Würden die Reimworte "Tee" und "3c" nicht wiederholt, wäre es ein Sonett. Das würde auch den Wechsel im Reimschema nach den ersten beiden Quartetten erklären, für den ich inhaltlich keinen zwingenden Anlass finden konnte - es sei denn, dass diese Auflösung der Reimform das Abschweifen der Gedanken während des Monologes des Moderatoren verbildlichen sollte - aber das erscheint mir dann doch sehr um die Ecke gedacht.

Was mir gut gefällt ist die - trotz der zum Teil wirklich spannenden, innovativen Reime - sehr gut herausgearbeitete Monotonie.

Was mir nicht ganz so gut gefällt sind überflüssigen Wörtchen, z.B. anstatt "am Fenster" "an einem Fenster", eine Ausführlichkeit, die der Metrik geschuldet wirkt, auch wenn man sie wohlwollend betrachtet dem ausschweifenden Gefasel des Moderators zuordnen könnte.

Was ich ob seiner Wirkung zudem interessant finde (und als Stilmittel mal fix für späteren Gebrauch auf meine Gedächtnishalde schiebe) sind diese unbestimmten Artikel in S4, V1 und 2:

Ein Kursteilnehmer hustet wie zum Spaß.
Der Moderator trinkt aus einem Glas.

Zuerst wollte ich ja aufschreien, dass man dem "einen" doch dringlichst ein s voransetzen sollte, bis mir aufging, das diese Übereinstimmung bei passender Betonung durch das "Gleichstellen" noch zusätzlich ein wenig Angewidertsein hervorruft, nicht bis zum Ekel, aber doch - durch die vorherrschende Monotonie besonders unterstrichen - so, dass dieses winzige wiederkehrende Wort unschön aufstößt, gleichzeitig das große Bla zwischen vielen unerhört vorbeirauschenden kleinen blas (blablablaBlablablaBlablabla...) ist, ein, einen, einerlei.

Ein interessanter Text, Monotonie spannend gemacht - es war mir ein Vergnügen, mal kurz in Raum 3c einzutauchen.
Schön, dass ich mal wieder etwas von dir lesen durfte.

Liebe Grüße

Sabine

 Owald schrieb daraufhin am 27.04.13:
Es ist von der Anlage her ein Sonett, ja. Nur - Parallele zu langweiligen Vorträgen - wenn man denkt, glaubt, hofft, es sei zu Ende, kommt doch noch was. Aber nichts Neues mehr. Es zieht sich halt bloß in die Länge.

"An einem Fenster" ist der Metrik geschuldet, zugegeben. Vielleicht ersetze ich es durch "Auf einem Tischchen" oder so ähnlich. Ich guck mal. Unbestimmte Artikel benutze ich eigentlich immer ganz gerne.

Autobiograpischer Hintergrund war übrigens eine Arbeits- und Brandschutzeinweisung. Und es gab nicht mal Gebäck.

Danke und liebe Grüße!

 Isaban äußerte darauf am 27.04.13:
Hier haste nen Virtu-Keks!
Ich habs genossen.
Büddesehr und noch ein paar liebe Grüße

 Owald ergänzte dazu am 27.04.13:
*virtu-knabber*
- Ich hab die Kekse mal in eine Ecke gestellt.
gaby.merci (61)
(27.04.13)
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 Owald meinte dazu am 27.04.13:
Wenn einschläfernde Langeweile interessant wird, dann ist irgendetwas gelungen schiefgelaufen.
Danke und Grüße!
AronManfeld (43)
(27.04.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Owald meinte dazu am 27.04.13:
Ja, wobei die Gerüche von Schweiß und Angst einander ähneln. Und die von Langeweile und Tee auch.

 Bergmann (29.04.13)
Gefällt mir schon wegen des Reims "Power Point" ...
LG, Uli

 minze meinte dazu am 24.07.20:
den finde ich auch unglaublich cool!

 toltec-head (16.07.13)
Der Geruch von warmem Schweiß und kaltem Tee ruft in mir Jugendherbergskindheitserinnerungen wach. Danke hierfür :)

 HarryStraight (10.08.15)
Fehlt nurnoch ein Refrain der dass ganze positiv darstellt ud somit den Wahnsinn auf die Spitze treibt.

 kalira (01.08.17)
oh. jene langeweile in raum 3c bestens bekannt. ab nun wird mich diese 3c-raum-mentalität dank deiner ver(ant)wortung belustigen.

 Oggy (19.10.19)
Vielleicht hülfe ja eine Runde Ringelpietz.
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