Im Wartezimmer

Tagebuch zum Thema Loslassen

von  tulpenrot

Ihre Finger haben zu tun. Sie greift und schlingt, umwickelt, zieht wieder daran wie an einem Faden. Etwas Feines ist es, was sie mit ihren zarten Händen bewegt - natürlich sind sie schmal. Für den Beobachter aus den Augenwinkeln kommt nichts Fassbares zu Tage, nur ihre blassen müden Augen können wohl dieses Gespinst sehen. Vielleicht knäuelt es sich in der Luft und löst sich wieder auf?

Sie wird aufgerufen und verlässt den Raum. Und ich, die Beobachterin, bleibe stumpf und tonlos auf meinem Beobachterposten zurück, zusammen mit einem Knäuel von Fragen und dem Gewummer irgendeines Lautsprechers im Haus.

Und ich warte, bis bald ein neuer Patient kommen wird und ihre feinen Fäden in der Luft zerreißen oder mit Schnürstiefeln aus blankem Leder zertreten wird, vermute ich. Weil er es nicht besser weiß. Er kennt es nicht anders. Er wird zutreten, immer fester, immer hartnäckiger und sie zerstören. Ich kann es nicht verhindern.

Vielleicht saß sie deshalb hier, weil sie solches erlebt hat?  Wie lange hat sie versucht, das fädige Durcheinander zu entwirren? Als sie ging, hat sie das Knäuel hier gelassen, die Fäden in der Hand aus der Hand gegeben, und das tägliche, vergebliche Ziehen daran hat ein Ende. Denn sie lächelte, als sie ging.

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Kommentare zu diesem Text

chichi† (80)
(28.05.13)
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 tulpenrot meinte dazu am 28.05.13:
Guten Morgen Gerda,

hab ganz herzlichen Dank für dein Hiergewesensein und deine Auszeichnung.
LG
Angelika

 AZU20 antwortete darauf am 28.05.13:
Mir ging es am Nachmittag ähnlich. LG

 tulpenrot schrieb daraufhin am 28.05.13:
Also ich nehme auch am Nachmittag noch gerne deine freundlichen Worte und deine Empfehlung entgegen. Danke, Armin.
LG
Angelika

 Dieter_Rotmund (28.05.13)
Einerseits ist mir persönlich der Text etwas zu prätentiös, andererseits ist die beleierne Wartezimmer-Langeweile ganz gut beschrieben. Aber als literarisches Thema? Na, ich weiß nicht....

 tulpenrot äußerte darauf am 28.05.13:
och, warum ist das kein Thema? Was wäre dann ein literarisches Thema? Ich wollte eigentlich nicht die bleierne Wartezimmeratmosphäre beschreiben, sondern diese junge Frau, die ich eine Weile beobachtete und die mir Rätsel aufgab. Ich versuche mich, diesem Rätsel schreibend zu nähern. und ich versuche, den geneigten Leser mit hineinzunehmen. Und ich finde gerade das alles ziemlich unprätentiös - vielleicht sogar langweilig für den schnellen Lesegenuss.
Ich denke eher, ich bin mal wieder an dem Problem: "Wie finde ich eine passende Überschrift für meinen Text" gescheitert.
Viele Grüße
tulpenrot
(Antwort korrigiert am 28.05.2013)

 niemand (28.05.13)
Ich finde, im Gegenteil zu meinem Vorkommentator, nicht dass hier der Begriff des "Wartezimmers" eine allzu große Rolle spielt, sondern die Beobachtung einer feinen und verletzlichen Seele/Psyche. Eines Menschen, der nicht so "gesund" und "normal" in seinem Verhalten ist, sondern
sehr bewegt in seinem Innern. Ein zerbrechliches Wesen,
das in seiner eigenen/inneren Welt mehr lebt als in der äußeren. Die meisten würden solch eine Person als leicht "plemm-plemm" charakterisieren, nicht so die Schreiberin, sie fühlt sich ein, merkt das Besondere/Ungewöhnliches ihres Gegenübers und ist davon gefangen. Ich mag diese Kurzgeschichte, weil ich auch gerne beobachte, ganz besonders gerne die Zerbrechlichkeiten, das Anderssein, das nicht ins allgemeien Schema passende. Die Normalos, die Kerngesunden (hier finde ich die Stiefel passend) zertreten
(bildlich) vieles das ihnen nicht behagt, oder Angst macht
mit ihrem "nicht normal, spinnert" etc. Nicht jeder hat eben die passenden Sensoren, die mehr wahrnehmen als die sogenannte Realität. Ich finde es ist eine äußerst passende
Thematik, die Du hier auf eine sehr poetische Weise bearbeitest. Der Begriff "Wartezimmer" scheint mir unwichtig, denn solches kann man, so man will, überall vorfinden. Man muss nur über das normale Maß beobachten können. LG niemand
chichi† (80) ergänzte dazu am 28.05.13:
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 tulpenrot meinte dazu am 28.05.13:
Danke, niemand, für deinen ungewöhnlich langen und einfühlsamen Kommentar. Darin beschreibst du, was mir beim Verfassen des Textes und zuvor beim Beobachten wichtig war. Es sind kleine Alltagsszenen, an denen ich mich schreibend versuche.
Danke auch für die Sternchen.
LG tulpenrot

 tulpenrot meinte dazu am 28.05.13:
@chichi danke für dein nochmaliges Hiersein und deine Zustimmung
Anne (56) meinte dazu am 28.05.13:
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 tulpenrot meinte dazu am 28.05.13:
Liebe Anne, man muss nur die "Augen" offen halten, dann sieht man. Hab Dank für dein Hiersein und für deine Worte und Sternchen.
LG
Angelika

 TassoTuwas (28.05.13)
Eiine eigentlich kleine Beobachtung, die durch die präzise und, wie ich finde, liebevolle Schilderung ein Schicksal vermuten läßt.
Ein starker Faden zieht sich durch die Geschichte!
Liebe Grüße TT

 tulpenrot meinte dazu am 28.05.13:
Herzlichen Dank. Solche Miniaturen schreibe ich im Moment ganz gerne - und die Themen liegen auf der Straße oder sitzen im Bus oder eben im Wartezimmer.
LG
tulpenrot
P.S. Und natürlich ein herzliches Danke fürd eine positive Einschätzung!!!!
(Antwort korrigiert am 28.05.2013)

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 28.05.13:
Nun, was andere" liebvoll" nennen, nenne ich prätentiös. Auf jeden Fall ist festzuhalten: viele blumige Verben und gedrechselt wirkende Wiederholungen.rnGanz fehlt ein Spannungsbogen.rn(Ich weiß schon, was jetzt kommt: Ich wollte gar keine Spannung erzeugen o.ä - geschenkt! Aber der Leser will schon ein wenig unterhalten werden.) Bleierne Wartezimmerbeschreibungen und ein Rätsel, das - wenn wir ehrlich sind - keines ist, sind nicht unterhaltsam.

 tulpenrot meinte dazu am 28.05.13:
Ich bin für Kritik offen und hoffe
1. auf Beispiele für die blumigen Verben
2. auf Beispiele für die gedrechselten Wiederholungen
3. die Definition von "unterhaltsam".
4. am besten auch noch auf Verbesserungsvorschläge
Vielleicht jedoch verstehe ich dich richtig, wenn ich aus deinen Worten folgendes herauslese:
1. schlecht geschrieben
2. langweilig
3. überflüssig
Darum kann ich auch verstehen, wenn du dich mit so einem Text nicht länger aufhalten willst.
Inzwischen nehme ich aber eine andere Einordnung vor - und nicht mehr "Kurzgeschichte".

 niemand meinte dazu am 28.05.13:
Aber der Leser will schon ein wenig unterhalten werden


@ D. Rotmund
Könntest Du bitte nicht für alle sprechen?
"Der Leser" ist mir zu allgemein. Glaubst Du in der Tat zu wissen was ich (der Leser) will? LG niemand

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 29.05.13:
Verbesserungsvorschlag: Nicht an Details rumdoktern, sondern klotzen statt kleckern. Konkret hieße das z.B. ein ungewöhnliches Ereignis einbauen.
Die Wiederholungen und die blumigen Verben sind so offensichtlich, dass ich sie wirklich nicht herausstellen muss, oder? Ihre Existenz zu leugnen hilft nicht.

Jaja, "der Leser": Ist vielleicht wirklich zu pauschal formuliert. Ich sag's mal so: Alle außer die Lobhudler!

 tulpenrot meinte dazu am 29.05.13:
Warum muss etwas eine Handlung haben, was nur die Beschreibung eines Augenblicks ist und das Nachdenken darüber, also ein Innehalten?

Und mit der Behauptung, ich hätte blumige Verben verwendet, stehe ich auf Kriegsfuß. Ich habe sie nahezu vollständig rüberkopiert. Also: Welche von diesen sind blumig?

haben, greift, schlingt, umwickelt, zieht, ist, bewegt, kommt, sind, können, bemühen, knäuelt sich, löst sich, wird aufgerufen, verlässt, bleibe zurück, bleibt liegen, hängen, kommen, warte, sind, werden herangetragen, gehen, kümmert, ist, wird kommen, wird zerreißen, zertreten, vermute, wird tun, schweben zu lassen, anzuvertrauen, weiß, kennt, wird zutreten, zerstören, saß, zog, erlebt, waren, geworfen, versucht, entwirren, usw…

Und noch mal meine Frage: Um welche Wiederholungen handelt es sich deiner Meinung nach? Es gibt weder bei Wortwahl noch bei der inhaltlichen Darstellung nichts, was sich wiederholt.

Du siehst: Ich kann mit deiner Kritik nichts anfangen - sie ist mir zu vage, enthält keine detaillierte Textarbeit, mit der ich etwas anfangen könnte, und hilft daher in keiner Weise.

Und noch etwas: Lobhudelei verachte ich - doch gegen Wertschätzung, die begründet ausgesprochen wird, habe ich nichts einzuwenden.
t.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 29.05.13:
Ich meinte die doch vielen Hendiadyoins, da habe ich mich unklar ausgedrückt, sorry. Die Verben werden in der Tat erst im Kontext blumig(er).
Der Vorwurf, es sei zu vage, kommt oft, auch wenn ich noch so konkret bin. Vielfach sehen Autoren den Wald vor lauter Bäumen nicht. Das ist verständlich,, da es schwierig ist, zu den eigenen Texten die notwendige prof. Distanz aufzubauen. Das Nichtannehmen von Kritik, die, wie oft formuliert, "nicht konstruktiv" sei, ist vielleicht hier und auch mal Schutzbehauptung, weil man seinen Text nicht in die Tonne kloppen, will, mmh?
Und ja, auch "die Beschreibung eines Augenblicks ist und das Nachdenken darüber, also ein Innehalten" sollte eine Handlung haben, will sagen sollte lebendig - und damit unterhaltsam sein.
Nun, darüber kann man unterschiedlicher Meinung sein... Ich wundere mich allerdings oft über viele kV-Autoren, die ganz offenbar kaum was erleben (oder es nicht reflektieren, nicht wahrnehmen?). Platt ausgedrückt: Jede Fußballspielbeschreibung ist spannender als die letzte Wartezimmererfahrung, oder? Nichts für ungut!

 tulpenrot meinte dazu am 29.05.13:
Aha, ich bin unglaublich erleichtert. Es wäre für mich ein unerträglicher Gedanke gewesen, wenn dieser Text dir gefallen hätte.
Ich fand auf deinem Profil eine Liste von kv-Autoren. Die kannst du ruhig um einen Namen verlängern: "tulpenrot". Ich gebe dir die ausdrückliche Erlaubnis dazu.

 niemand meinte dazu am 29.05.13:
Jaja, "der Leser": Ist vielleicht wirklich zu pauschal formuliert. Ich sag's mal so: Alle außer die Lobhudler!

@ D.Rotmund
Obiges, finde ich, ist eine ziemliche Unverschämtheit.
Das ist hier inzwischen Mode geworden, dass jeder zu wissen glaubt wann und ob ein anderer lobhudelt, oder nicht. Bist Du Hellseher, oder kannst Du Gedanken/Empfindungen lesen/einsehen, dass Du Dir solches herausnimmst? Du hast doch keine Ahnung von den Menschen hinter einem Nick, machst Dir aber fix
und voller Selbstüberschätzung eine Meinung über sie.
Vielleicht solltest Du zuerst denken und dann schreiben.
mit angesäuerten Grüßen, niemand
P.S. gestatte, dass ich Dir einen Spruch hinterlasse:
Was der Bauer nicht kennt frisst er nicht! Gilt auch
für Geschriebenes.

 Dieter_Rotmund meinte dazu am 29.05.13:
Liebe Co-Kommentatoren,

wir diskutieren hier nur über einen kurzen Prosatext. Ich respektiere die Meinung aller anderen. Einige dieser Meinungen gefallen mir, andere nicht. Es gibt auf jeden Fall keine Veranlassung, zu schmollen, dann unhöflich zu werden und sich letztendlich als sog. "beleidigte Leberwurst" zu erweisen! Muss nicht sein! Ich steige hiermit aus der Diskussion aus und werden diesen Strang nicht mehr besuchen.
(Antwort korrigiert am 29.05.2013)
(Antwort korrigiert am 29.05.2013)

 tulpenrot meinte dazu am 29.05.13:
Danke!

 tulpenrot meinte dazu am 19.02.15:
So, jetzt habe ich noch mal daran gearbeitet - gekürzt und die Wortwiederholungen (weitgehend) ausgemerzt.
Es wäre gut, wenn daraus eines fernen Tages vielleicht noch etwas würde, das pointierter hervorbrächte, was da gesagt werden soll.

Nur noch mal zur Verdeutlichung: Ich bin immer offen für Verbesserungsvorschläge und brauche auch keine "Schutzbehauptungen, um meinen Text nicht in die Tonne kloppen zu müssen". Die nötige "prof. Distanz" zu meinen Texten ist mir ein Ansporn und Anliegen! Wer das nicht sehen will, der kennt mich nicht und dem kann ich nicht helfen. Ich bin um jede Arbeit an meinen Texten froh.

Wenn Texte von mir hier erscheinen, heißt das nicht, dass sie endgültig und unverrückbar fertig sind. Sondern sie sind zur gefälligen kritischen Beachtung freigegeben - auch meiner eigenen.
Jonathan (59)
(30.05.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 tulpenrot meinte dazu am 30.05.13:
Danke für deinen freundlichen Kommentar und deine Sternchen.
Manchmal kommt man auf solche Gedanken, die sich jenseits der alltäglichen Wahrnehmungsebene befinden, vor allem, wenn man in der entsprechenden Umgebung ist. Aber muss man das als "esoterisch" bezeichnen? Ich weiß nicht. Eher irreal oder surreal vielleicht.
Herzliche Grüße
tulpenrot
(Antwort korrigiert am 31.05.2013)
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