Ein nächtliches Gespräch

Kurzprosa zum Thema Sinn/ Sinnlosigkeit

von  Bluebird

Auf dem Tisch zwischen uns stand die zweite, halbvolle Flasche Wein und zwei ebenfalls halbvolle Gläser. Heinz schüttelte den Kopf und sagte dann: „Nein, nein, mein Lieber, du kannst mich nicht überzeugen. Es gibt nicht den geringsten Hinweis für eine gelenkte Geschichte.“
    Ich nahm mein Glas, trank einen Schluck und lächelte: „Ich bin nicht davon ausgegangen, dich überzeugen zu können. Aber was sagst du den von mir angeführten Beispielen?“ Er lachte bitter auf: „Was denn, dass mit Johanna von Orleans  Gott oder Teufel lenkend in den Krieg zwischen Frankreich und England eingegriffen hat? So ein Blödsinn!“ „Aber die unwahrscheinlichen Zufälle“, insistierte ich. „Sind und bleiben Zufälle. Was sonst? Auch der unwahrscheinliche Zufall hat statistisch gesehen eine hohe Wahrscheinlichkeit“, belehrte er mich.

Ich schwieg, denn ich verstand ihn sehr gut. Vielleicht hätte ich einige Jahre zuvor ähnlich argumentiert. Aber inzwischen wusste ich es – aus eigener Erfahrung  besser. Ein Gott, der erkennbar ins Leben eines Einzelnen eingreift, wird sich natürlich auch nicht die Lenkung der Gesamtgeschichte aus der Hand nehmen lassen.
    „Und ich will dir noch eines sagen“, begann er erneut. „Mit deiner Ansicht wirst du dir keine Freunde machen! Viele werden dich für  einen Spinner halten.“ Ich griff nach der Flasche. „Da magst du wohl recht haben. Nimmst du noch ein Glas?“

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