Stilles Leid und grosse Bewunderung

Kurzprosa zum Thema Leid

von  Bluebird

"Lerne zu leiden ohne zu klagen" (Kaiser Friedrich III)

Diesen Rat soll der Kaiser seinem Sohn gegeben haben, möglicherweise in Anspielung auf dessen eingeschränkte Beweglichkeit des linken Armes infolge einer Lähmung.

Stummes Leiden, ist das denn gesund? Wäre es nicht besser es "alle Welt" wissen zu lassen, wie sehr man leidet? Würde es nicht alles ein wenig leichter machen, sich klagend mitzuteilen? Ja, manchmal muss das  einfach sein! Aber wenn es zu einem "Dauer-klagen" wird, könnte es einen auch weiter schwächen.

Letztens, auf einer meiner Fahrradtouren, legte ich in Bergisch-Gladbach einen Halt ein und setzte mich in ein kleines Straßencafe. Kurz darauf nahm ein junger Mann in einiger Entfernung von mir an einem anderen Tisch Platz. Er fiel mir direkt auf, weil er offensichtlich zwanghaft ununterbrochen  zuckende Bewegungen mit seinen Armen vollführte.

Während ich noch über mögliche Ursachen seines "merkwürdigen" Verhaltens spekulierte, kam eine Kellnerin und stellte eine Tasse Kaffee vor ihm ab. Sie begann einen kleinen freundlichen Small-talk"  und er reagierte munter lachend und freundlich antwortend.

Als er nun alleine vor der Tasse Kaffee saß, beobachtete ich ihn  scharf. Wie um alles in der Welt wollte er den Kaffee trinken, ohne mindestens die Hälfte davon gleich beim ersten Mal zu verschütten?

Tatsächlich ließ er sich Zeit. Dann plötzlich, mit einer für mich nicht nachvollziehbaren "Technik", ergriff er die Tasse und führte sie blitzschnell an den Mund, trank und stellte sie unter zuckenden Bewegungen wieder hin. Kein Tropfen war daneben gegangen. Ich empfand große BEWUNDERUNG

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