Nachts zunehmend freundlicher

Text zum Thema Absurdes

von  larala

Mittwochmorgens fahre ich seit Jahren in diesen Einkaufstempel. Glas, Chrom, acht Etagen, Boutiquen, Patisserie, Eisdiele, Elektronikfachmarkt, Lebensmittel, großer Buchladen und so weiter, sehr offen, sehr hell, hellhörig auch, erstaunlicherweise.

Aber das ist nicht der Grund.
Einzig: Ich liebe es, die Parkebenen hinauf zu düsen, bis ganz nach oben- die Auffahrten sind so steil, dass das Auto senkrecht steht wie eine Rakete, außerdem traf ich mittwochs dort immer auf Herrn K.

Der Ablauf jeweils: Ein paar Dinge erledigen und dann ab in den Buchladen zu den Reiseführern, Herr K. tritt neben mich und spricht umschweiflos: Hallo Frau S., schön, Sie zu sehen, darf ich Sie zu einem Earl Grey einladen und Ihnen dabei aufs Neue meine schrecklich ausweglose Geschichte erzählen?

Natürlich sage ich zu, ich kenne Herrn K. schon ewig.
Wir sitzen für jeweils eine Teelänge zusammen, kratzen in unseren Gläsern und ich höre voll Mitgefühl seine schrecklich ausweglose Geschichte, dabei seufzen wir ein wenig und verabschieden uns als Freunde.

Vor einem Jahr allerdings lief bei dem Ganzen etwas sehr fulminant schief. Der Tee war scheinbar wie immer, auch die Geschichte, auch Herr K., es lässt sich also nicht nachvollziehen, was letztlich der Auslöser war, für den Eklat, der sich dort vollzog, auf dem offenen Platz, beleuchtet wie eine Bühne:

Bereits nach den ersten Worten sprang ich diesmal auf wie von Sinnen, schmiss Tisch und Stühle um (Herr K. konnte gerade noch unsere Gläser in Sicherheit bringen), brach schreiend, weinend und nasenblutend auf dem Boden zusammen, krümmte mich vor Schmerzen, brüllte, schlug den Kopf auf die Fliesen usw.

Ein paar Minuten später war alles wieder vorbei.
Wir stellten die Stühle auf, Herr K. reichte mir sein Taschentuch, wir schauten mild strafend auf die Gaffer, tranken in Ruhe den letzten Schluck Tee und gingen auseinander, wir hatten noch zu tun.

Seither treffe ich Herrn K. nur noch manchmal im Bus.
Ich lächele ihn an, er zwinkert mir zu und dann hängen wir unseren Gedanken nach. Beim nächsten Mal jedoch will ich ihn ansprechen und ihm erzählen, was sich seitdem zuträgt, mittwochs, in diesem Einkaufstempel:

Kaum betrete ich den Schuppen, erstarrt jetzt die gesamte Belegschaft zur Salzsäule! Nicht nur die Angestellten, auch die Gäste! Sie glotzen mich mit offenen Mündern an, rühren und regen sich nicht und das bleibt so, bis ich das Etablissement wieder verlasse, mysteriös.

Neulich wollte ich das testen und steuerte zielstrebig den Elektronikfachmarkt an. Dort packte ich den größten LCD-Fernseher den ich finden konnte in meinen Einkaufswagen (niemand half mir!), lief an stummen Sicherheitsleuten und schweigenden Kassierern vorbei, wuchtete das Ding ins Auto und fuhr völlig unbehelligt nach Hause.

Herrn K. wird diese Geschichte gefallen, glaube ich.
(Den Fernseher stellte ich jedenfalls noch am selben Tag an die Straße, er war gleich weg.)

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Kommentare zu diesem Text


 Fuchsiberlin (10.07.13)
Uff...Das haut rein...Und zeigt deutlich, wie manche Menschen bei einem Vorfall außerhalb des Alltäglichen reagieren, und vor allen Dingen auch, wie ihr Verhalten noch viele Tage danach ausschaut...
LG
Jörg

 larala meinte dazu am 10.07.13:
Yepp, aber in diesem Fall war es eher erfreulich, dass sie's nicht vergessen haben. Liebe Grüße!
Graeculus (69)
(10.07.13)
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 larala antwortete darauf am 10.07.13:
Vielen Dank! Ich freu mich! :)

 Lluviagata schrieb daraufhin am 10.07.13:
Ich auch! ♥

 larala äußerte darauf am 10.07.13:

 Sternenpferd ergänzte dazu am 10.07.13:
dem schliesse ich mich gerne an :)
schmunzel und nachdenktexte
findsch gut
lg m.

 Songline (10.07.13)
Mir gefällt diese Geschichte auch
Liebe Grüße
Song

 larala meinte dazu am 10.07.13:
Das wird Herrn K. freuen! ;)
EikeFalk (60)
(11.07.13)
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 larala meinte dazu am 11.07.13:
War der zwischendrin weg? *erschreck*
Danke!:)
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