Communio

Text zum Thema Sehnsucht

von  deflyn23

Ich trinke dich aus, ich will in dir ertrinken,
das habe ich so gesagt und das habe ich so gemeint.
Bis auf den letzten Schluck, so habe ich das gemeint,
wie ich jetzt hier an der Flasche hänge und deinen Speichel vom Rand lecke.

Im Park war das Licht so schräg und in meinem Kopf dröhnte alles vom Bourbon. Alles ist erleuchtet, hast du mit deinem tragikomischen Ausdruck gesagt und ich hab nur gelacht. Dann hat der Applaus aus dem Nichts angehoben, alles hat geklatscht und
- die Windstöße haben uns weggetragen
- Junikäfer im Juli
- wieder aufgewacht unter der Weide

Weißt du, sagte ich, ich glaube, dass Weiden, große, mütterliche, ausladende Weiden die Vorbilder für Kathedralen waren. Auch wenn sich das architekturhistorisch nicht belegen lässt, so könne mir keiner erzählen, er verspüre keine Anwesenheit beim Betreten des dunklen Platzes unter den trauernden Ästen einer großen Weide. Du machst mir Angst, sagst du, und ich will ertrinken in deinen Augen wie Weltmeere. Als das Klatschen wieder über uns hereinbricht, diesmal nicht erhebend und wohlgesonnen sondern unbarmherzig stumpf und metallisch, presst es uns die Luft aus den Lungen. Es ist ein Schlag in die Magengrube. Die Wiese dreht sich und kippt, der Inhalt unserer Taschen entleert sich auf dem harten Beton; als die Panzerketten darüber fahren, knirscht es splitternd und wir schreien hysterisch aus unseren blutenden Mündern, die abgebrochenen Zähne in den roten Händen, während die Stümpfe sinnlos aufeinander schlagen. Eine letzte Zuckung durchschüttelt den Junikäfer, als die gewaltige Maschine aus ihm herausbricht, sein Gesicht zur Seite drückt, in den Boden, seine Beine bricht und sich in triumphalem Geschrei schließlich über ihn erhebt. Da sind Ketten und Öl, Rotz, Eiter und Neonlicht, so grell, dass es uns die Augen aus den Höhlen brennt. Du leckst die Scheibe ab und der Staub reibt dir die Zunge auf, wir torkeln und fallen, fallen und stürzen schließlich.
Als unsere Köpfe den Asphalt berühren, ist da wieder Applaus, frenetisch, ungehalten, mit weit aufgerissenen Augen und offenen Mündern. Das ist die gottverdammte Adria, ich kann das verfickte Meer sehen, schreie ich. Wir reißen uns mit letzter Kraft die Kleider vom Leib, rücksichtslos, ob dabei auch Haut ist. Nackt und blutig heiraten wir
                                                                                            - das Meer.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text


 franky (20.07.13)
Dabei wird mir schwindlig, das Tempo und die Menge von Eindrücken rasseln über meinen Kopf und Ohren hinweg. Deine aufgeheizte Stimmung wird sich schon bald beruhigt haben.

Einen schönen Tag wünscht

Franky

 deflyn23 meinte dazu am 20.07.13:
Danke für deinen Kommentar und Deine Empfindungen. Freut mich sehr, dass sich was transportiert. Wahrscheinlich hast Du Recht und es wird sich beruhigen, ich weiß aber gar nicht, ob ich das möchte. Hab ein bisschen Angst vor dem danach.

Dir auch einen wunderbaren Tag,
def

 Lluviagata (20.07.13)
Ich liebe, vornehmlich, Trauerweiden. Genau die Stimmung, die du beschreibst, befällt mich unter ihnen.

Ein mitreißender Text, unbarmherzig in seiner Traumsequenz.

Sehr gut! Hab ich gern gelesen!

Liebe Grüße
Llu ♥

 deflyn23 antwortete darauf am 20.07.13:
Liebe Llu, danke vielmals für Deinen herzigen Kommentar und das Mitgerissensein. Trauerweiden sind in der Tat zum Wahnsinnigwerden schön, würde gerne in einer wohnen.

Grüße,
def
MissBluePiano (32)
(20.07.13)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 deflyn23 schrieb daraufhin am 20.07.13:
Liebe Natascha, danke für Deine Worte. Freut mich sehr, dass es was auslöst. Lass uns mal einen Trauerweiden-Sammelband machen, das wäre doch mal was.

Grüße,
Patrick
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram