Künstler und ihr Leid

Aphorismus zum Thema Leid

von  EkkehartMittelberg

Dieser Text ist Teil der Serie  Aphorismen
1. Wer Leiden und Schmerzen zum Thema wählt, ist deshalb noch kein Dichter.

2 Künstler, die an sich selbst leiden, perfektionieren Wehleidigkeit.

3. Künstler leiden lieber unter dem anderen Geschmack anderer Künstler als ihren eigenen in Frage zu stellen.


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

Der Text hat keinen aktuellen Anlass bei kV.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (15.08.13)
Zunächst einmal: Leiden können ein großer Antrieb sein. Darum sind mir deine Aphorismen an sich ein wenig zu allgemein - wenn ich dich als Autor nicht kennen würde.
Denn ich denke, dass es dir eben darum geht, Leiden als Antrieb zu benutzen und nicht als Selbstzweck, um sich (öffentlich) in diese Decke aus Leiden, an die man sich ja auch gewöhnen kann, einzuwickeln.

Zu Aphorismus Nr. 1 habe ich allerdings noch eine kleine  bösartige Ergänzung.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.08.13:
Merci, Trekan. Ja, Leiden können ein großer Antrieb für einen Künstler sein, aber nicht als selbstverliebte Attitude.

 Dieter Wal (15.08.13)
Der dritte kommt an Wilde im Vorwort seines Bildnisses des Dorian Gray heran. Den eigenen Geschmack in Frge zu stellen, ist eine gute und notwendige Übung, vielleicht eines Tages doch über Stil zu verfügen.

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 15.08.13:
Grazie, Dieter. Der "Dorian Gray" gehört seit meiner Jugend zu meinen Lieblingsromanen. Vielleicht hat sich das unterbewusst ausgewirkt.
higgi (59)
(15.08.13)
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 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 15.08.13:
Gracias, lieber higgi, Deiner Beobachtung zu Leiden und Schmerzen als Falle stimme ich zu. Künstler (selbstverständlich nicht alle) tappen in die Falle ihrer Eitelkeit, wenn sie sich durch die Heimsuchung von Schmerzen und Leiden "geadelt" fühlen und sie "pflegen" als eine Möglichkeit, sich so von der Masse abzuheben.
LG
Ekki

 AlmaMarieSchneider (15.08.13)
Den eigenen Geschmack infrage zu stellen ist, glaube ich zumindest, fast unmöglich. Man wäre dann ja nicht sich selbst.
Er kann sich ändern weil die Person sich ändern kann.
Lieber Ekki, eine schwierige Aussage.

Schöne Sommertage
Alma Marie

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 15.08.13:
Vielen Dank, Alma. Ich denke, dass es möglich ist, den eigenen Geschmack in Frage zu stellen. Eine Geschmacksentscheidung erfolgt nach meiner Definition impulsiv. Mir ist es schon öfter so ergangen, dass sich mein Urteil über ein Werk, das mir beim ersten Lesen gefallen/missfallen hat, deshalb änderte, weil ich mir Rechenschaft über die Kriterien meiner Zustimmung/ Ablehnung gegeben habe. Man kann dies sicherlich schon aus mangelnder Zeit und Lust nicht in jedem Falle tun. Aber wenn man es gelegentlich immer wieder probiert, ändert sich der Geschmack und mit ihm einer Teil meiner Persönlichkeit, nämlich jene Komponente, die für Fragen der Ästhetik zuständig ist.
Heitere Sommertage auch für dich.
Ekki
(Antwort korrigiert am 15.08.2013)
Pocahontas (54)
(15.08.13)
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 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 15.08.13:
Liebe Sigi, ich freue mich darüber, dass du Nr. 1 vorbehaltlos akzeptieren konntest. Seit gestern frage ich mich, ob deren Formulierung manchem nicht als zu plakativ erscheint. Auf folgendem Hintergrund ist sie jedoch in ihrer Einfachheit zutreffend: Die meisten Autoren beginnen ihre ersten schriftstellerischen Versuche mit dem Bekenntnis ihres Liebesleids, ohne die Tradition der Liebeslyrik zu kennen. Deshalb erscheint zum Beispiel der Reim von Herz auf Schmerz immer wieder, gleichgültig, wie abgenutzt er ist. Die Autoren, denen das nicht bewusst ist, sind immer noch Legion, und sie glauben insgeheim zu den Dichtern zu gehören, weil sie es gewagt haben, ihre Gefühle auf eine Weise öffentlich darzulegen wie Tausende vor ihnen.
zu 2: Ja, es stimmt, dass berühmte Dichter durch Leiden zu Höchstleistungen angespornt wurden. Aber auch unter ihnen waren einige, die nur allmählich lernten das Leiden kitschfrei darzustellen. Man lese zum Beispiel unter dem Gesichtspunkt 'Anfälligkeit für Kitsch' Rilkes Malte Lauritz Brigge oder Hesses "Narziss und Goldmund".
Vielen Dank für dein schönes Kompliment.
Liebe Grüße
Ekki
LancealostDream (49)
(15.08.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.08.13:
Danke, Lance. Diese grenzenlos Leidenden sehen ihre eigenen Grenzen nicht. Ihnen ist nicht zu helfen.

 loslosch (15.08.13)
1. (mir) zu allgemein.

Wer Leiden und Schmerzen zum Thema wählt, ist nur in seltenen Fällen ein Dichter.

3. jaaa. siehe (als variante dazu) oskar blumenthal, zitat auf deiner seite: "du willst bei fachgenossen gelten ..."

ich hoffe, dass viele leser jetzt deine profilseite aufrufen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.08.13:
Lothar, du hast die Nr. 1 anders, sachlich akzentuiert. Meine Version ist ironisch und stimmt dennoch. (Siehe dazu meinen Kommentar an Pocahontas) Die Wahl des Themas "Schmerz und Leid" sagt über die Qualität des Schreibers noch gar nichts aus. Weil das Thema unter (vermeintlichen) Poeten so beliebt ist, kommt es hier besonders auf die Gestaltung an.

Grazie espesciale für den Hinweis auf Oskar Blumenthal und meine Profilseite.
Steyk (61)
(15.08.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.08.13:
Merci, Stefan, auch ich empfinde Sigis Kommentar als eine wohlüberlegte ausgewogene Reaktion.
Herzliche Grüße
Ekki
ChrisJ. (44)
(15.08.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.08.13:
Ich sehe das anders und habe mich an Ort und Stelle dazu geäußert. Dem habe ich nichts hinzuzufügen.
ChrisJ. (44) meinte dazu am 15.08.13:
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wa Bash (47)
(15.08.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 15.08.13:
Danke, wa Bash, es ist okay, dass du dich nur zu dem äußerst, wozu du einen Bezug hast.

 TassoTuwas (16.08.13)
Hallo Ekki,
dankenswerterweise hast du auf die schicksalhafte Verknüpfung zwischen Künstlern und Leid hingewiesen.
Besonders Poeten stehen hier in erster Reihe, gemeinsam mit Politikern und Paläontologen.
Herzlich traurige Grüße
TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 16.08.13:
Merci, Tasso, wie in meinen Aphorismen so ist auch in deinem Kommentar der ironische Unterton nicht zu überhören.
LG
Ekki
Schrybyr† (67)
(19.08.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.08.13:
Wenn man Glück hat, wird man mehr oder weniger verstanden. Man ist schon froh, wenn es weniger ist.
Du hast mich ganz genau verstanden. Das ist selten.
Mille grazie
Ekki
Schrybyr† (67) meinte dazu am 19.08.13:
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 ViktorVanHynthersin (19.08.13)
Lieber Ekkehart, ich glaube, Künstler leiden nicht unter dem anderen Geschack anderer Künstler. Sie stellen ihren eigenen Geschmack einfach darüber, überhöhen ihn oder versuchen den Geschmack anderer klein zu reden oder als mißraten darzustellen. Sonst aber, volle Punktzahl für Deine Aphorismen )
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 19.08.13:
Grazie, Vikor. Nein, die Künstler, die ich meine, leiden nicht wirklich unter dem anderen Geschmack anderer Künstler. Ihr Leiden ist nur eine selbstverliebte Attitüde, um zu demonstrieren, dass der eigene Geschmack unfehlbar sei und wie peinlich andere daneben lägen.
Herzliche Grüße
Ekki

 TrekanBelluvitsh (30.03.19)
Ich bleibe dabei: Dem kann ich so nicht zustimmen. Zumindest wenn das Thema "Leid" ist.

Zu 1: Macht den irgendeine Themenwahl irgendjemanden zu einem Künstler? Eher nicht.

Zu 2: Unvollständig, denn er impliziert, dass das Leiden nicht reflektiert wird. Es ist jedoch falsch, das als gegeben anzunehmen.

Zu 3: Wie 2 setzt er unreflektiertes Handeln voraus, ohne es anzusprechen.

Allerdings lese ich aus deinen Aphorismen heraus, dass sie sich zusammengenommen gegen jene wenden, die sich in ihrem literarischen Schaffen nur um die eigenen leidenden Nase drehen. Und dieser Interpretation wegen habe ich auch kein Problem damit, diese Aphorismen zu empfehlen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 30.03.19:
Merci, Trekan,
wenn du die Aphorismen ernst nimmst, kannst du nicht zufrieden sein. Wie du aber in der Zusammenfassung richtig erkannt hast, sind sie ironisch gegen wehleidige Künstler gerichtet.
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