Klattke's Besuch in einem seltsamen Haus

Kurzgeschichte zum Thema Gesellschaft/ Soziales

von  Klattke

Eines Tages streifte Klattke durch den Berliner Tiergarten. Er war mal wieder auf der Suche. Was, wusste er nicht so genau, doch schließlich, in der Nähe des Brandenburger Tores, fand er dann doch etwas, was ihn interessierte. Ein mächtiger Bau mit einer großen Kuppel stand vor ihm, dunkel und unheimlich. Er meinte dort als Jugendlicher schon einmal gewesen zu sein, doch damals war das Haus freundlich und einladend. Auch wenn ihm der Bau nicht geheuer war, so überwog doch die Neugier. So betrat er kurzentschlossen das Haus. Zunächst musste er durch einen dunklen Gang kriechen und stand dann in einer großen Halle.

Hier wurde Klattke von einem dicklichen, gemütlich aussehenden Mann angesprochen. Der saß vor einer Tür und trank gerade ein Glas Wein und las in einem dicken Buch. Er lud Klattke ein, in seinem Zimmer vorbei zuschauen. Dort würde er die schönsten blühenden Landschaften finden. "Na", sagte Klattke zu sich, "der sieht ja lieb aus, wie nen richtijer Märchenonkel". So trat er durch die Tür und war enttäuscht. Stand er doch augenblicklich in einer heißen Wüste. Von weiten sah er jedoch ein Gewächshaus, auf das er nun erwartungsvoll zu schritt. Doch er konnte das Haus nicht betreten, nur hinein schauen. Innen saß eine feine Gesellschaft, zumeist Männer. Diese aßen und tranken, lachten und amüsierten sich. Bedient wurden sie von einem jungen, blonden Mädchen, das den Herren jeden Wunsch erfüllte und ständig einen Knicks vor ihnen machte. Während die Luft um Klattke immer dünner und heißer wurde, lebte die Gesellschaft immer mehr auf und das Mädchen servierte ständig neue Getränke. Zwischendurch lehrte sie der gemütliche Dicke, wie seine Landschaften funktionierten. Dafür erklärte er ihr das Steuersystem des Raumes in dem sie sich befanden: "Immer schön das Gewächshaus bewässern, damit es den Reichen gut gehe, was drum herum geschieht, ist völlig gleichgültig. Hauptsache der feinen Gesellschaft geht es gut!" "Ne, also hier bleib ick nich", sagte Klattke laut in den Raum und verließ ihn eiligen Schrittes. Ohne zurück zu schauen ging er weiter und kam schließlich zu einem weiteren Zimmer.

Diesmal stand ein smarter freundlicher Mann vor Klattke. Anders als der Dicke von eben hatte er keinen Akzent. Der kommt bestimmt aus Richtung Hannover, dachte Klattke bei sich, na ja, vasuche ick et ma bei dem, der hat bestimmt besseret zu bieten. Der Mann begleitete Klattke ins Zimmer. Drinnen angekommen, zog er sich einen teuren Anzug an und nahm eine Zigarre in den Mund. Ein Mann in enger Kleidung kam auf Klattke zu und wollte sich auf ihm stürzen. Auf seiner Brust prangten die Buchstaben SM. "AUS", sagte der smarte Mann zu ihm, "SPÄTER"! Klattke rätselte, für was SM wohl stehen würde. Superman, SM… oder vielleicht Superminister. Dann sah er sich im Raum um. Im Hintergrund saß ein Mann, der ein großes neues Gesetz ersann, das schließlich umgangssprachlich sogar nach ihm benannt wurde. Großspurig forderte er darin vom Volk Leistung, unter dem Tisch förderte er seine Günstlinge und reichte Millionenbeträge, die ihm nicht gehörten, weiter. Ein anderer, eigentlich harmlos aussehender Mann mit fast kindlichem Ponyhaarschnitt setzte sich gerade einen Polizeihelm auf. Er hatte einen großen Köcher dabei. Diesen öffnete er und es krabbelten Tausende von Wanzen heraus und verteilten sich nun schnell in alle Richtungen. Ein junger Erzengel werkelte mit Netzen herum und legte diese im ganzen Raum aus. Sonderbarer Erzengel und Netzwerker, dachte sich Klattke. Schließlich fiel sein Blick auf ein altes großes Gemälde. Es zeigte einen alten Mann. Bei genauem Hinschauen sah Klattke, wie eine Träne aus seinem Auge floss. "Nee", schrie Klattke, "hier bleib ick nu wirklich nich" und rannte aus dem Raum.

Draußen angekommen, wurde er von einer Frau und einem Mann empfangen. Diese liefen fröhlich auf ihm zu und erzählten etwas von einer besseren Welt, Friede und Freude. Klattke wollte schon mitgehen, bemerkte aber, dass beide dem smarten Mann von eben von weitem zuwinkten. "Nachtijall ick hör dir trapsen" sagte er leise und wendete er sich von ihnen ab und sah schließlich in das breit grinsende Gesicht eines Mannes mit Brille, der vor einem Wohnmobil stand und Faxen machte. Er winkte Klattke mit einen verwaschenen blau-gelben Wischlappen zu und gröhlte "FREIHEIT". Den Mann durchschaute Klattke gleich: "Die Freiheit kenn ick, jeden Tach zwölf Stunden arbeeten jehen und noch nich mal Hartz IV vadienen", rief er zurück und eilte mit großen Schritten weiter. Eigentlich hatte er nun genug und suchte den Ausgang aus diesem Horrorkabinett.

Doch da kamen aus linker Richtung, Arm in Arm zwei Herren auf ihn zu. Sie winkten fröhlich, erzählten von Frieden und sozialer Gerechtigkeit. Naja, kann ick ja mal mit den Beeden probieren, dachte sich Klattke und ging mit ihnen mit. Im Raum angekommen, sah er eine lustige bunte Schar von Frauen und Männern die sich umarmten und fröhlich tanzten. Doch plötzlich gingen sie auseinander, beschimpfen sich und fuchtelten wild mit den Armen. Die beiden Herren die Klattke gelockt hatten, gingen verzweifelt dazwischen. Doch ohne Erfolg. Schließlich machten sie selbst bei den Streitereien mit und es entstand ein riesiges Tohuwabohu.

Nun reichte es Klattke. Er stieß einen lauten Schrei aus und rannte durch die Halle in Richtung Ausgang. Wo war er hier nur hingeraten…

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