Vertrauen in mich

Beschreibung zum Thema Vertrauen

von  susidie

„Solange man lebt ist es ein Lernen“. Du richtest diese Worte an mich, als wir im Lager ankommen. Der erste Satz, den du zu mir gesprochen hast. Mein Denken läuft in Furchen dahin. Aus Erschlagenheit bestehe ich, im kräftigen Geschmack der Erinnerung. Libellenflug in der Oase.

Nach vielen Begrüßungsritualen bekommen wir Wasser, viel Wasser, um uns zu Reinigen. Ein Ritual, nicht nur ein bloßes Säubern. Die Oase hat eine Quelle, einen Brunnen. Faszination Grundwasser in der Wüste. Seit Jahrhunderten ein beliebter Platz. Es bedeutet Reichtum. Ein Großteil des Stammes lebt tatsächlich hier. Eine Art von „Sesshaftigkeit“.  Dein Onkel begrüßt uns mit Tee und Datteln. Trotz aller Müdigkeit fühle ich mich hellwach. Es ist eine Freude, sie alle wiederzusehen. Geschenke werden ausgetauscht. Die Frau deines Cousins überreicht mir ein bunt gewebtes Tuch mit den Worten: „Weder Sand noch Wasser werden den Schutz durchdringen.“ Ich verstehe nicht, du hingegen nickst wissend.

Später am Feuer. „Erzähl von deinem Vertrauen“, forderst du mich auf. Verletzlichkeit in meinem Blick. Die Jahre des Zweifelns  vor meinem Auge. Meine Sprache ist die der Gefangenen. Langsam öffnen sich Ketten. „Ich fiel auf den Meeresgrund, erstickend an Erwartung. Klammernd an Versprechungen. Amir, erst als ich die Muschel fand, ging es in Klarheit über. Ihn zu tragen wurde leicht, mich zu tragen wurde Sinn. Im Vergessen liegt keine Dankbarkeit, keine Tugend. Vergessen tötet.  Und so wurde die Reise unsere, das Erleben ein Gemeinsames. Das Bild der Wasserfarben brannte sich ein zum Sinnbild meiner Tage. Je mehr ich mir vertraute, desto weniger brauchte ich es in ihm zu suchen. Denn ich wurde sicher, selbst wenn ich ihn nie mehr sehen würde, so ist er bei mir.“ Die Sätze stolperten aus mir und setzten sich vor mir zusammen. Fragend blicke ich dich an, um Verständnis bittend? Wieder erwartend?

Du nickst zustimmend. „Hast du ihm Sterne gepflückt?“ „Ja, jeden Einzelnen!“
Und wieder strecke ich meine Hand aus. Der Abstand bestimmt keine Entfernung.
„النار يخرج من الخشب، ولكن من حروق الحب إلى الأبد..“ „Das Feuer des Holzes erlischt, aber das der Liebe brennt ewig.“ Du sprichst in mich. Mit geschlossenen Augen führst du mich ins Zelt, in mich. Dem Sand hinterlassen wir die Glut.

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Kommentare zu diesem Text


 SapphoSonne (05.09.13)
Wenn ich deinen Text lese, habe ich ein starkes vorherrschendes Gefühl. Deine Prota ist zurückgekehrt. Nach Hause. Hier kann sie bei sich sein. Mit sich ins Reine kommen. Atem schöpfen. Gefällt mir sehr.
LG Sappho

 susidie meinte dazu am 05.09.13:
Ja, es sind aber alles nur Zwischenziele der Prot. Lernen :) ich freu mich, wenn sie dich mitnimmt. Lieben Gruß von Su:)

 Fuchsiberlin (07.09.13)
Das Lernen dauert ein Leben lang...Wüstensand versteckt manche Überraschung, Horizont oder Oase...

Liebe Grüße
Jörg

 TassoTuwas (19.11.13)
"Der Abstand bestimmt keine Entfernung"
Ein Gedanke, auf den ersten Blick widersprüchlich in Wirklichkeit logisch und raffiniert präzise.
Ein Aphorismus!
Liebe Grüße TT
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