Niederschmetternd

Sonett zum Thema Veränderung

von  Irma

In Sommerträumen trug ich mich
mit dem Gedanken, weit ins Blau
hinaufzuschweben. Nun fühl ich
mich senkbleischwer. Ich weiß genau:

Es wird mich wieder niederziehen,
mit blassen Augen. Flügellahm!
Mein Schillerstaub war nur geliehen
und trügerisch. Ein Wind kam, nahm

die Leichtigkeit - trug sie davon.
Ich klebe reglos am Kokon
und wage kaum, mich zu entfalten.

Nimmst du ein Netz und fängst mich, falls
du mich erträgst, wenn ich jemals
den Mut hab, aufzu- und zu fallen?

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Kommentare zu diesem Text


 Isaban (17.09.13)
Nimmst du ein Netz und fängst mich, falls
du mich erträgst, wenn ich jemals
den Mut hab, aufzu- und zu fallen?

Huah, S4 ist für Sonettliebhaber schwer zu ertragen - aber genau so soll diese Strophe wohl wirken, hm? Eine Strophe,in der (zum Schluss hin zugespitzt) alles schmerzt, wie z.B. den durch Kadenzverbrechen in die Betonung gezwungenen Reim falls/jemals und den Zungenbrecher "aufzu- und zu fallen" und der mangelnde Endreim. Besonders spannend ist, dass dort, wenn es sich hätte reimen sollen "halten" oder "du kannst mich halten" o.ä. hingepasst hätte - aber das wäre ja nicht wirklich auffällig, es würde nicht genug aus der Rolle fallen und bedürfte kaum eines Haltes von außen - und es würde nicht die Gefahr des totalen Irrtums, des absolut Ungereimten am Schluss bebildern.

Was mir nicht so gut gefällt ist das "flugs bleischwer" in S1, V4; es wirkt so arg gekünstelt und an den Haaren herbeigezogen. Klar, ich weiß, es soll eine Wortspielerei sein, fliegen/flugs - aber hier stört es mich nur, so etwas wirkt besser, wenn es wirklich gut in Bild und Kontext passt - und hier passt das federleichte, flinke "flugs" beim besten Willen nicht in das bleischwere Bild, auch wenn Blei aus großer Höhe noch so rasant zu Boden geht. Solche Sprachspielereien sind an sich eine witzige Sache, ein Schmankerl für all jene, die Sonette aus Lust und mit Vergnügen lesen, diese hier stört aber das Gesamtbild mehr, als dass sie dem Ganzen irgendetwas geben könnte, sie wirkt wie ein Stolpern zu viel vor dem Fall.


Liebe Grüße

Sabine

 Irma meinte dazu am 17.09.13:
Liebe Sabine,
vielen Dank für Deinen ausführlichen Kommentar. Ja, ich wollte die sommerleichten Reime der Quartette tatsächlich in jene mutigen und auffälligen Terzett-Endungen übergehen lassen, die nur schwer zu ertragen sind. Die einem unschön ins Auge stechen wie ein farbloser, ausgeblichener Falter. Ich freue mich sehr, dass das auch so herauszukommen scheint!

Das "flugs" sollte (wie auch das "falls") passen und nicht stören. Anscheinend klappt das hier nicht. Ich kann deinen Einwand gut nachvollziehen. Was schlägst du stattdessen vor? Wie wäre es mit "matt, bleischwer"?
Lieben Dank und Gruß, Irma

 Isaban antwortete darauf am 18.09.13:
Senkbleischwer passt gut, vor allem, weil ein Senkblei ja alles ins Lot bringen soll, wenn es denn funktioniert, wie es sollte.

Liebe Grüße

Sabine

 Irma schrieb daraufhin am 18.09.13:
Danke für die Rückmeldung! LG Irma

 loslosch (17.09.13)
die neue RS mit leichten änderungen bei der getrenntschreibung hat dazu geführt, dass munter getrennt geschrieben wird. richtig: hinaufzuschweben; niederziehen. dichterische freiheit oder nachlässigkeit?

"flugs" wirkt in der tat gekünstelt. schlichter: mich schwer wie blei. (auch betonungsgerecht.)

schillerstaub setzt eine interessante duftmarke.

 Irma äußerte darauf am 17.09.13:
Hi Lo,
ich bin eigentlich auch eher ein Verfechter der alten Rechtschreibung. Nichtsdestotrotz verfalle ich gerade bei der Zusammen- und Getrenntschreibung häufiger in meine alte Marotte, vieles lieber auseinander zu schreiben. Vielen Dank für's Aufmerksammachen auf diese "Nachlässigkeit" meinerseits.

Deinen Einwand zu "flugs" kann ich verstehen (siehe bei Sabine), allerdings finde ich diese Vergleiche mit "wie" in Gedichten äußerst unschön. Vielleicht ist meine kleine Änderung auch zufriedenstellend?
Viele Grüße, Irma

P. S. Übrigens streikt meine automatische Rechtschreibkorrektur bei "hinaufzuschweben", während sie "niederziehen" akzeptiert ...
(Antwort korrigiert am 17.09.2013)

 loslosch ergänzte dazu am 17.09.13:
ich benutze das RS-programm, dreh ihm aber gern schon mal den hals herum.

wie, du magst kein wie?

"Im Schatten sah ich
Ein Blümchen stehn,
Wie Sterne leuchtend,
Wie Äuglein schön."

der dichterfürst hat mich getröstet. ja, warum nicht senkbleischwer!

 Irma meinte dazu am 18.09.13:
Na dann sind wir uns ja doch noch einig geworden. Freut mich! LG Irma
chichi† (80)
(17.09.13)
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 Irma meinte dazu am 17.09.13:
Oder einfach nur nach Mutlosigkeit? Danke dir ganz herzlich! LG Irma

 EkkehartMittelberg (17.09.13)
Auf den ersten Blick ist es ein Widerspruch, dass glatte Sonette (Klanggedichte) von sperrigen abgelöst werden. Aber es ist logisch, dass auch dieses Genre einen notwendigen zeitgemäßen Wandel vollziehen muss, den dein Schlussterzett für mich überzeugend dokumentiert, Irma.
Liebe Grüße
Ekki

 niemand meinte dazu am 17.09.13:
Ich kann Ekkis Kommentar zustimmen.
Warum immer alles wie gehabt? Ich selber breche gerne aus,daher finde ich Dein Sonett voll gelungen, bis auf die Kombination "matt, bleischwer" und würde Lothars Vorschlag vorziehen. Matt und bleischwer sind doch irgendwie ein Kontrast: Matt zeugt für mich von leichter Schwere (ich fühle mich matt, habe also ein wenig Schwere in mir) Blei hingegen zieht wie verrückt nach unten. Mit herzlichen Grüßen, Irene

 Irma meinte dazu am 17.09.13:
Lieber Ekki, liebe Irene,
vielen Dank für euren Kommentar. Das Sonett sollte meiner Meinung nach durchaus ein Klanggedicht bleiben, und das versuche ich (auch hier!) einzuhalten. Der Reiz liegt für mich aber genau darin, an die Grenzen dieser strengen Formen zu gehen, um sie zu neuem Leben zu erwecken. Das ist für mich kein Widerspruch. Und das wurde auch schon immer so von den Schreibenden gemacht (es entstanden Sonette mit nur vier Hebungen, Trochäus-Sonette, Variationsvielfalt bezüglich der Reimfolge in den Terzetten usw.) Sich in das enge Korsett zu pressen und dieses dennoch gezielt zu sprengen - das stellt für mich die Herausforderung dar. Lieben Dank und Gruß!

Liebe Irene,
mmh ... "matt" bedeutet für mich so viel wie kraftlos. Wer sich kraftlos und schwer fühlt, wird sich schwerlich in die Lüfte schwingen können. Aber gut. Ich werde weiter über diese Stelle nachdenken. Denn wie gesagt, diese "wie"-Vergleiche finde ich wiederum nicht gut. LG Irma

Nachtrag: Wie wäre es denn mit "senkbleischwer"?
(Antwort korrigiert am 17.09.2013)

 niemand meinte dazu am 17.09.13:
Ist eine gute Lösung! LG Irene

 Irma meinte dazu am 18.09.13:
Danke dir! LG Irma
(Antwort korrigiert am 18.09.2013)
TeBö94 (23)
(21.08.14)
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 Irma meinte dazu am 25.08.14:
Das freut mich. Danke schön! LG Irma
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