Alles ohne Wahl

Beschreibung zum Thema Vertrauen

von  susidie

Langsam kommen wir voran. Oder kommt es mir nur so vor? Ich denke mich in dich. Auch wenn ich wenig von deinem Orientierungssinn habe, weiß ich, wohin du jetzt versuchst zu gehen. Es gibt hier eine Felsformation, mitten in ewigem Sand. Wir waren schon einmal dort, um Schutz zu suchen. Damals, auf dem Weg zur Küste. Mit deiner Nichte, um sie zu einem Arzt zu bringen. Sie starb auf dem Weg. Sie starb in unseren Armen. An einer Blinddarmentzündung. Acht Jahre war Mariam damals. Wir haben es nicht geschafft. Der Sandsturm kostete Zeit, viel Zeit. Er hat sie umgebracht.  Kein Einzelfall. Romantisierung des Wüstenlebens. Fehlanzeige. Ich darf nicht zu tief eintauchen in die Vergangenheit. Sie raubt jede Energie. Nein. Aber, wie kann ich?

Endlich tauchen die Felsen vor uns auf. Die Farbe des Himmels hat sich auf bedrohliche Weise verändert. Wie die Farbe deiner Augen. Tiefschwarz sind sie nun. Durchdringend bis ins Unendliche. Wieder und wieder prüfst du den aufkommenden Wind. Deutest die Spuren, die der Sand zeichnet. Verfolgst Abdrücke von allen Tierspuren. Welche Richtung nehmen sie. Für dich ist die Wüste ein Buch, das du auswendig kennst, liest und interpretierst. Ich vertraue.

Nah am Fuß des Felsens bereitest du ein Lager aus Teppichen. Alle Tücher liegen bereit. Die Kamele bilden die Außenseite dieses Dreiecks. Sie gehorchen dir aufs Wort und legen sich zentimetergenau so, wie du sie dirigierst. Es geht jetzt um Minuten. Du schnallst dir und mir Wasserschläuche um. Du hüllst mich in Tücher. Jetzt schon bekomme ich kaum Luft. Um den Kopf schlingst du mir das neue Tuch. Erst jetzt bemerke ich, wie fein es gewebt ist. Erst jetzt verstehe ich. Mittlerweile ist die Lautstärke des Sturmes eine Gewalt. Wir schützen uns, du schützt mich. Wir decken über uns, was wir haben. Halten uns. Die Naturgewalt ist grandios. Wenn nicht so beängstigend würde ich sie gerne festhalten. So wie dich.  In deinem Arm die Sicherheit. Vielleicht.  Der Himmel – dunkelorange – es passiert wie aus dem Nichts. Es passiert.

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Kommentare zu diesem Text


 SapphoSonne (23.09.13)
Der Text hat mich wirklich beeindruckt. Man meint vor Ort zu sein, die Erinnerung zu teilen und die Beklemmung in dem nahenden Sturm zu spüren. Aber auch dieses unendliche Vertrauen und diese Ergebenheit ins Schicksal. Wirklich toll geschrieben.
LG Sappho

 susidie meinte dazu am 23.09.13:
Vielen Dank Sappho. Es ist so toll zu hören, wenn man jemanden mitnehmen kann. Und genau das rüberkommt, was kommen soll. Ich freue mich sehr, sowas von sehr :)
chichi† (80)
(23.09.13)
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 susidie antwortete darauf am 23.09.13:
Das freut mich sehr. Vielen Dank und liebe Grüße von Su :)

 EkkehartMittelberg (23.09.13)
Die Elemente können den Menschen vernichten, aber sie lehren ihn auch, dass er nur im Vertrauen auf seine Kraft und die anderer überleben kann.
LG
Ekki

 susidie schrieb daraufhin am 23.09.13:
Genau so ist es, lieber Ekki. Vertrauen ist hier richtungsweisend.
Wie klein der Mensch doch ist zeigen uns die Naturgewalten immer wieder. Vielen Dank und liebe Grüße von Su :)

 Lluviagata (23.09.13)
Wow! Packend geschrieben!

Liebe Grüße
Llu ♥

 susidie äußerte darauf am 24.09.13:
Vielen Dank Llu, das freut mich. Liebe Grüße von Su :)
KoKa (45)
(23.09.13)
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 susidie ergänzte dazu am 24.09.13:
Wow, klasse. Danke für den Kommi. Freut mich sehr, dass ich dich mitnehmen konnte. Liebe Grüße von Su :)
LancealostDream (49)
(23.09.13)
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 susidie meinte dazu am 24.09.13:
Das freut mich, dass die Lebendigkeit rüberkommt. Danke dir, ähm, bist ja jetzt schon ein bisschen wüstenerfahren, das Kamel wartet. Lieben Gruß von Su :)

 AZU20 (23.09.13)
Ein sehr intensiver Text. Man erlebt das Geschehen förmlich. LG

 susidie meinte dazu am 24.09.13:
Schön, das zu lesen. Dann ist es gelungen. Ich danke dir. Lieben Gruß von Su :)
wa Bash (47)
(23.09.13)
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 susidie meinte dazu am 24.09.13:
Vielen Dank für dein Lob. Ich freue mich. Lieben Gruß von Su :)

 TassoTuwas (18.12.13)
Gehört es nicht zum Verhalten des Menschen allen Gefahren aus dem Weg zu gehen? Doch wie eindringlich diese heraufziehende Naturgewalt geschildert ist, macht es neugierig, lockt die Herausforderung, um den Preis später sagen zu können, ich habe es er- und überlebt.
Erzählkunst eben!
LG TT

 susidie meinte dazu am 21.12.13:
Ich denke, in manche Gefahren muss man sich auch bewußt hineinbegeben. In ständiger Abwartehaltung kann man nicht lernen, Gefahren zu meistern. Selbst bei dieser hier hätte es nichts gebracht abzuwarten, ganz im Gegenteil. Manchmal muss man rein in das Auge des Taifuns :)
Ich freue mich sehr, dass du immer noch mit auf dem Weg bist. Vielen Dank für dein Lob. Liebe Grüße von Su :)
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