Zur Hölle

Kurzprosa zum Thema Alles und Nichts...

von  mondenkind

Dieses Gelaufe macht mich fertig. Alles treibt einen an. Kein Stehenbleiben. Keine Zeit für das Betrauern sterbender Sekunden. Keine Zeit zum Fliegen. Hältst du inne, steht schon der nächste hinter dir und klatscht ungeduldig in die Hände. Aufauf! Weiter gehts!
Dabei geht mir das Geräusch meiner Schritte schon eine ganze Weile gehörig auf die Nerven. Sie hallen in mich hinein. Und wenn ich mich drauf konzentriere, bekommen sie die Gewalt einer Druckwelle und hauen mich aus dem Takt. Und schon gibts den nächsten Arschtritt. Weiterweiter!

Wo ich laufe, ist mir eigentlich egal.
Manchmal ist's wohl die Spurrille einer Platte. Oh, my filthy Vinylness! Wie wundervoll läuft sichs in dir! Da wippt der Swing in den Stunden. Und die Unwissenheit wackelt lasziv mit dem Hintern. Ich habe den Beat meiner Schritte im Kopf und meine Kleidung raschelt. Alles ist rauchig und vorherbestimmt und ich ziehe ruhig meine Kreise. Jemand schenkt mir ein verhangenes Fenster. Ich lehne mich dagegen und manchmal werfe ich dabei den Kopf in den Nacken, schließe die Augen und spüre kaltes Glas.
Kurz darauf klappe ich ein altes Zippo auf und verbrenne das alles.

Aufauf!!

Neue Szene. Finde mich auf dem Dach eines  Hochhauses wieder. Vor mir straucheln zwei und fallen. Ich laufe, pflücke ein paar Sterne für den Weg und denke nicht weiter. Sehe nur über die dunkle bunte Stadt und laufe geradeaus. Dass das Dach längst zu Ende ist, merke ich nicht. Fagotte lügen mir einen triftigen Grund vor und ich springe.

Weiter!

Gestern war ich das Künstlerkind von meinem Lieblingsfoto. Mit verfilztem Braunhaarschopf und dieser blaublauen Hose. Ich rannte mit Barfüßen über Wiesen und es war immer Sommer. Den Kopf hatte ich von Innen ganz bunt und alles, was ich ansah, wurde zu Farbflecken auf Leinwänden. Oder einem Lied. Oder einem Theaterstück. Egal.
Die Endpose war immer dieselbe: Ich hockte im Gras. Die dünnen Knie in diesen blaublauen Hosen. Hockte da und blitzte ein Lächeln aus den Augen. Die Ellebogen auf den Knien. Und ein Geheimnis in meinen Händen gefangen, wie einen Schmetterling.

Peng!
Ein weiterer Tritt!

Ich marschiere in der Wüste. Verliere Herz und Nieren an den Durst. Hier hinterlässt niemand Spuren. Alles reibt sich an der flirrenden Luft, alles wird dünn. Unsere Körper, unsere Worte, unsere Namen. Und die Geier grinsen freundlich herüber. Es bleiben nicht mehr viele Gedanken. Ich träume von Quicksand-Sally. Wünsche, dass sie meine Schritte einfach verschluckt, doch da höre ich sie zählen. Jedes einzelne Korn. Sie lockt mich in die Tiefe, in den Malstrom durch die Sanduhrenge. Komm nur komm! Ich komme aber nur aus dem Tritt und stolpere. Ein Geier seufzt. Und ich laufe weiter.

Peng!

Man murmelt hinter vorgehaltenen Händen, wie es sein wird. Der letzte Schritt. Was dann folgt. Und manche flüstern von brennenden Himmeln. Manche reden vom Fliegen. Vom Fliegen! Und für einen Moment ist man versucht, den nächsten Schritt hinauszuzögern. Zu warten, was passiert. Und auch ich lasse ab und zu die müden Füße langsamer durch den dichten Staub schlurfen. Noch langsamer. Schaue unauffällig links und rechts, ob ich etwas entdecke. Ob sich etwas zeigt, dort am Abgrund, am brüchigen Rand meines Mikrokosmos'. Doch letztlich fehlt mir der entscheidende Kick und eigentlich habe ich auch noch keinen Bock auf Geier und so beschleunige ich wieder.
Und warte auf den nächsten Tritt.

[...]


Anmerkung von mondenkind:

.
retro

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Kommentare zu diesem Text


 Songline (03.10.13)
Ein Hamster im Laufrad immer neuer Bilder, die richtig aufzunehmen nicht die Zeit bleibt. Toll geschrieben. Ich würde nur das zweite Peng! durch ein anderes Wort ersetzen, um die ewig neuen Anstoßer zu verdeutlichen.
Liebe Grüße
Song
Herbstaster (25)
(12.12.13)
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