Ein Fingerzeig wies mir den Weg

Erzählung zum Thema Lebensweg

von  Bluebird

Illustration zum Text
(von Bluebird)
Ich war den ganzen Tag schon unterwegs gewesen. Jetzt am frühen Abend befand ich mich am Ende der Bremer Innenstadt. Kalt war es an diesem Februartag, und ich hätte mich gerne irgendwo aufgewärmt. Aber ich hatte soeben einen Fingerzeig erhalten. Und nun deutete alles darauf hin, dass ich mich zum „Schlachthof“ begeben sollte.
      Seit ich Christ geworden war, waren solche Fingerzeige nichts Ungewöhnliches für mich. Ich verließ mich auf sie und in der Regel funktionierte es.  Aber an diesem Abend war ich ungehalten und ich begann mit Jesus zu diskutieren: „Was soll ich um diese Uhrzeit im Schlachthof. Da ist doch sowieso nichts los. Und teuer ist es auch.“ Finanziell war ich damals nicht gerade auf Rosen gebettet.
      Aber so sehr ich auch nach einem die Richtung änderndem Fingerzeig Ausschau hielt, und gleichzeitig auch in mein Inneres horchte, es kam "nichts" mehr. Und so stapfte ich mürrisch weiter in Richtung "Schlachthof".

Als ich wenig später die Eisentreppe zum Kulturcafe hochstieg, war ich immer noch schlechter Laune. Der „Schlachthof“ war eigentlich kein schlechter Ort, besonders am Wochenende oder spät abends. Aber jetzt war es früher Abend und mitten in der Woche.
  Im Cafe beschlug sofort meine Brille. Zumindest warm war es hier. Und relativ gut besucht, wie ich überrascht feststellte, nachdem ich wieder „klare Sicht“ hatte. Aber es war so, wie ich vermutet hatte. Niemand Bekanntes war zugegen. Da ich nun schon einmal da war, beschloss ich erst einmal zu bleiben und mir einen Kaffee zu bestellen.
  So stellte ich mich an den Tresen und wollte gerade eine Bedienung ansprechen, als mir jemand auf den Rücken schlug und sagte: „Das ist aber eine Überraschung! Was machst du denn hier?“ Ich blickte nach links in das Gesicht eines gut aussehenden, langhaarigen jungen Mannes. Irritiert fragte ich: „Entschuldigung, woher kennen wir uns?“
    „Na, weißt du nicht mehr? Ich bin der Koch aus den  Weserterrassen. Wir haben da mal einen Abend zusammen gesoffen.“  Dunkel begann ich mich zu erinnern.  Dieser erwähnte gemeinsame Abend war aber schon eine ganze Weile her. Das er sich an mich noch erinnern konnte, war schon erstaunlich. Ich lächelte: „Ja, ich erinnere mich. Aber was das zusammen gesoffen angeht, so war das wohl eher dein Part gewesen.“ Er lachte und sagte: „Ja, so wird es wohl gewesen sein! Trinkst Du ein Becks mit?“

So saßen wir bestimmt zwei Stunden dort am Schlachthof-Tresen und sprachen über Gott und die Welt. Unter Anderem erzählte ich ihm meine dramatische Bekehrungsgeschichte1, die ihn - wie die meisten anderen auch – ziemlich verblüffte. „Erstaunlich“, meinte er, „ besonders die Sache mit dem Tischchenschreiben. Funktioniert das denn wirklich?“
    Ich erklärte ihm die Sache etwas ausführlicher. Aber nicht ausprobieren“, sagte ich schließlich, „die Sache kann dich in des Teufels Küche bringen. Mit Geistern ist nicht zu spaßen.“ „Nee, nee“, entgegnete er, „mach dir keine Sorgen. Mit denen möchte ich keine nähere Bekanntschaft machen.“ Dann lächelte er: „Hast du aber verdammt viel Schwein gehabt. Die Geschichte hätte auch richtig übel für dich ausgehen können. Vielleicht war es ja wirklich der liebe Gott, der dir da aus der Patsche geholfen hat.“
    Er rief die Kellnerin herbei, gab ihr beide Deckel und sagte: „Ich zahle zusammen!“ Nachdem er noch ein Trinkgeld gegeben und das Restgeld eingesteckt hatte, stand er auf und sagte: „So, ich habe noch eine richtig schöne Überraschung für dich. Dazu müssen wir aber zu meinem Wagen gehen.

Wir waren schweigend über den Parkplatz an der „Bürgerweide“ gegangen und standen nun vor einem geöffneten Kofferraum eines Wagens. Mein Bekannter zog einen großen Karton hervor und stellte ihn auf dem Boden ab. „So“, sagte er, „schau mal nach. Vielleicht ist ja etwas für dich dabei!“
    Ich ging in die Hocke und schaute in den Karton. Jede Menge Bücher lagen da wahllos verstreut. Ich griff zwei heraus und staunte nicht schlecht: „Das sind ja christliche Bücher!“ Er lachte: „Nicht nur! Aber schau doch einfach nach. Was dir gefällt, kannst du mitnehmen.“
    Nach einigem Herumstöbern entschied ich mich für die Lebensbiografie eines Südamerika-Missionars und ein Buch mit dem Titel (sinngemäß): „Leben in der Führung Gottes“. „Mehr nicht?“, fragte er nach. Ich schüttelte den Kopf. „Nein, danke, die genügen mir! Aber mich würde jetzt mal interessieren, wie du an so eine Menge christliche Bücher gekommen bist.“

Wie sich herausstellte hatte er am Nachmittag bei einer Haushaltsauflösung mitgeholfen und man hatte ihm angeboten, sich bei den Büchern zu bedienen. „Da habe ich einfach mal so einen Karton voll gepackt. Ich dachte, dass ich die vielleicht auf dem Flohmarkt verkaufen könnte.“ Er lachte: „Schon ein merkwürdiger Zufall, dass wir uns ausgerechnet heute getroffen haben. Als hätte es so sein sollen.“
    Ich erzählte ihm davon, dass ich einen Fingerzeig erhalten und nur deshalb in den „Schlachthof“ gekommen war. Er hörte mir nachdenklich zu. „Schon seltsam“, sagte er, „ich denke, dass ich mich irgendwann mit diesem Thema einmal näher auseinandersetzen muss.“

Als ich wenig später alleine über die „Bürgerweide“ ging, dachte ich dankbar: Wie gut, dass ich mich auf den Fingerzeig eingelassen habe.  Ich wäre ansonsten eine interessante Begegnung und zwei gute Bücher ärmer gewesen


Anmerkung von Bluebird:

Bremen 1994
1 hier

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