Baron von Münchhausen erzählt: Keinen Bären aufbinden

Anekdote zum Thema Wahrheit

von  EkkehartMittelberg

Vorbemerkung: Die neuen Lügengeschichten des Baron von Münchhausen (erzählt von Ekkehart Mittelberg) gehen frei mit Zeit und Raum um. Persönliche und namentliche Ähnlichkeiten sowie Übereinstimmungen mit lebenden Personen und real existierenden Orten sind nicht beabsichtigt und rein zufällig.


Hallo, Freunde der wahrhaftigen Tatsachenberichte, wie lange ist es her, dass ich Ihnen das letzte Mal die goldene Wahrheit kredenzen konnte. Das liegt nicht etwa daran, dass im Himmel meine Fantasie vertrocknet. Vielmehr schaffen die Erzengel der Reinheit alles aus meinen sündigen Augen hinweg, was meine Kreativität irgendwie anregen könnte. So hofft man mich zu läutern mit monotonen Hosianna-Gesängen, salzlosem Manna und Potenz zersetzender Ambrosia, alles Sedativa, die an meinen nie versiegenden Trieben himmelschreiend verloren gehen.
Aber hier oben lebe ich sie nur in meinen Träumen aus. Wen reizen schon leukämische Engel in Walla-Walla-Kleidern? Also hat mir Petrus wegen züchtigen Verhaltens einen zweiten Erdenurlaub bewilligt.

Ich kann es kurz machen. Ihr kennt ja die Prozedur der Reise auf die Erde: die Krachlederne mit Himmelpempas angezogen, die Russenmütze mit doppelten Ohrenwärmern aufgesetzt von wegen der eisigen Stratosphäre und dann mit Verve auf den nächsten Regenbogen nach Bodenwerder geschwungen. Ich erspare Ihnen den eisigen Fahrtwind, der um meine Ohren dröhnte. Jedenfalls bin ich halb erfroren auf dem Marktplatz in Bodenwerder gelandet, wo einmal mehr die Damen vor Angst erstarrten und die Kinder kreischend auseinander stoben, als ich wie ein Walross den ersten Bodenkontakt suchte. Zwei lange Eiszapfen hatten sich, aus meinem Schnurrbart wachsend, zu Stoßzähnen geformt und über meinen Augenbrauen hatte sich eine Eismaske gebildet, die im Sonnenlicht bedrohlich funkelte.

Skateboardfahrer verließen mit schlotternden Knien die Bürgersteige, und so gelangte ich schnell ins Wirtshaus zum Wilden Mann, wo der Wirt beinahe einen Schlaganfall erlitt, mich aber an dem Losungswort aus alten Zeiten „Bockmist“ erkannte und seine letzten Briketts in den Kanonenofen warf, sodass ich bald auftaute und nach dem Genuss einiger Cognacs, nicht ohne eine große Pfütze zu hinterlassen, sein Lokal verließ.

Es war ein Sonntag, der Tag, an dem Eugenie von Zitzewitz, die mich schon einmal abblitzen ließ, mit Susanne von Plettenberg und den den sittsamen Herrenhuter Schwestern ihre Teestunde abhielt. Ich vertraute meinem alten Charme, pfiff mein Lieblingslied „Üb immer Treu und Redlichkeit“ und platzte ohne Visitenkarte, die zeternde alte Dienerin Anna lächelnd abschüttelnd, in die erlauchte Runde hinein. Nachdem die Gänschen ihre Schockstarre überwunden hatten, schnatterten sie wild durcheinander und musterten mich, den schamlosen Eindringling, unter schamhaft gesenkten Augenlidern.
Die entzückende Eugenie fasste sich zuerst, hatte sie doch schon einmal einen Erdenurlaub von mir mit einer grand blamage für mich enden lassen. Sie stellte mich als den Baron von Münchhausen auf Erdenurlaub vor und flötete: “Liebe Schwestern. so ich mich nicht täusche, hat der Himmel ihn in seiner Verwegenheit noch immer nicht läutern können. Aber ich empfehle, dass wir zu unserem und dem Seelenheil des Freiherrn das alte Lied. „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt“ singen. Als höflicher Gast wird der Herr Baron es uns nicht verwehren können mit einzustimmen.“
So fanden die Damen ihre Contenance wieder und ich merkte, dass mir alle Felle davon schwammen.
Ich sinnierte, wie ich, ohne das Gesicht zu verlieren, diese Gesellschaft mit Würde verlassen könnte. Die Damen wollten natürlich wissen, ob ich Bodenwerder schon etwas länger die Ehre gäbe. Ich klärte sie wahrheitsgemäß darüber auf, dass ich, am frühen Morgen angekommen, sogleich meiner alten Gewohnheit, der Jagd, nachgegangen sei. „Wissen Sie, meine Damen, aus früher Jugend kenne ich noch eine Bärenhöhle, tief im Dickicht des Weserberglands verborgen, und mit dem alten Meister Petz habe ich noch eine Rechnung offen. Er hat zwar schon ein stattliches Alter, ist aber, manchen Treibjagden entkommen, nicht gerade ein Menschenfreund. Was soll ich Ihnen sagen. Ich bin doch als Weidmann so erfahren, habe aber heute morgen fahrlässig ein paar Honigbrote verputzt, die mir viel besser als Manna schmecken. Die Witterung des alten Honigschleckers war untrüglich und so erwartete er mich zähnefletschend vor seiner Höhle. Ich stellte mich sogleich auf einen Baumstumpf, sodass ich ihm auf Augenhöhe gegenüber stand und blickte ihm ganz ruhig in seine stechenden Augen, bis er den Blick senkte und verachtungsvoll in seine Höhle zurück trottete.
Ich schlug selbstverständlich einige Haken auf nur mir bekannten Pfaden, weiß aber , dass der verschlagene Unhold meine Spur aufgenommen hat. Deshalb bin ich auch unangemeldet zu ihnen gekommen, weil ich darauf vertraue, dass mir hier der Beistand des Herrn sicher ist.“ „Um Gottes willen“, riefen die Damen entsetzt,“kann es denn sein, dass dieses gereizte Tier hier ums Anwesen schleicht?“
„Ausschließen möchte ich das nicht“ entgegnete ich mit besorgter Stimme, „ich würde der verehrten Gastgeberin auf jeden Fall empfehlen, die Fensterläden zu schließen, und Ihnen, meine Damen, ihre werten Gatten zu verständigen.“

So geschah es dann, dass sich bald leichenblasse, aber mutig dreinschauende Herren, mit einer Flinte bewaffnet, einfanden, um ihre teuren Gattinnen sicher heimzuholen. Sie werden es mir nicht verargen, dass ich mir anerkennend auf die Schulter klopfte, weil es mir gelungen war, die Entourage der lästigen Betschwestern so schnell heimzugeigen. Alsbald war ich mit Eugenie allein,  und mein Herz pochte wild, weil ich hoffte, dass die von Urgewalt bedrohte Dame des Hauses, ihrem natürlichen Instinkte folgend, in meine schützenden Arme sinken würde.

Ob das geschah, verrate ich Ihnen demnächst. Jetzt freue ich mich auf ein irdisches Getränk im Gasthof zum Wilden Mann.

© Ekkehart Mittelberg, Oktober 2013

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (21.10.13)
Ich glaube, hier wurden nicht nur Butterhonigbrote (an)geschmiert.
Und ich weiß auch schon, wie es weitergeht: Mit dem selben Garn wird Eugenie von Zitzewitz eingesponnen und das obwohl weit und breit weder Meer noch Seemann zu erspähen ist..

In diesem Sinne: Weidmanns Ahoi!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.10.13:
Lieber Trekan, der Baron sieht mir gerade über die Schulter, bedankt sich artig für deinen Kommentar, aber mahnt zur Vorsicht. Die Herzen der Frauen seien unergründlich, und so mancher, der sie umgarnen wollte, sei mit seinem eigenen Garn gefesselt worden, meint er.

 Lluviagata antwortete darauf am 21.10.13:
Hmhm ... :D

 TrekanBelluvitsh schrieb daraufhin am 21.10.13:
Auf der anderen Seite: Es muss doch einen Grund geben, warum Frauen oft so auf Seeleute stehen. Ich tippe auf das Garn...
Zweifler (62)
(21.10.13)
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 21.10.13:
Der Baron lässt auch dir seinen Dank ausrichten, Zweifler. Du könntest der Baumstumpf-Methode bedenkenlos folgen. Es gäbe zwar Frauen mit List und Tücke. Aber solche Machenschaften seien Eugenie von Zitzewitz, diesem Engel, völlig fremd. Naja, ich räume auch leichte Zweifel ein, aber er muss es ja wissen.

 Dieter Wal (21.10.13)
Einer deiner stärksten und humorvollsten Texte bisher auf kV. Sehr angenehm zu lesen! :))

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 21.10.13:
Dieter, der Baron, mein Inspirator, bittet dich, das Lob auch auf sich beziehen du dürfen und zeigte seinen Dank mit leicht angedeuteter Verbeugung.

 Dieter Wal meinte dazu am 21.10.13:
Bitte richte ihm meine himmlischsten Grüße aus! :)

 susidie (21.10.13)
Am frühen Morgen wunderbar zu lesen. Auf dass sich der Baron weder im Himmel noch auf Erden läutern lässt, lasse ich ihn herzlich grüßen. Wahrlich, schade wäre es. In Gedanken an Eugenie. Su :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.10.13:
Der Baron lässt dich lieb grüßen, Susi, er meinte, dass ihn sein Anti-Hosianna-Gen gegen alle Läuterungsversuche resistent mache.
janna (66)
(21.10.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.10.13:
Grazie, Janna, die Muse des Herrn Baron freut sich.
Liebe Grüße
Ekki
Scheester (80)
(21.10.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.10.13:
Merci, Detlef, ich komme sogleich und helfe dir auf.
LG
Ekki

 loslosch (21.10.13)
wenn ich "Himmelpempas" google, erscheint BvM mit ekki. wir himmelsstürmer liefen damals noch in (nassen) textilwindeln rum ...

hier bin ich mensch, hier darf ichs sei. hier darf geflunkert werden.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.10.13:
Grazie,Lothar, ich denke gerade darüber nach, inwieweit Menschsein die Voraussetzung für schönes Flunkern ist. ;-D

 AZU20 (21.10.13)
Sehr kurzweilig. Prima. Grüße an den Baron . LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.10.13:
Der Baron dankt dir Armin. "Kurzweilig" sei ein schönes Kompliment.
LG
Ekki
Graeculus (69)
(21.10.13)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.10.13:
Der Baron weiß dein Vergnügen an seinen Geschichten dankend zu schätzen, Graeculus. Er besteht jedoch darauf, als literarischer Schelm einmalig zu sein und erwartet von mir als Herausgeber seiner Abenteuer weiterhin treue Gefolgschaft.

 TassoTuwas (22.10.13)
Ekki, das macht Lust auf mehr.
Und hinter den Wolken grübelt ein gewisser Till, wie auch er zu ein paar Tagen Erdenurlaub kommen könnte.
Herzliche Grüße TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.10.13:
Merci Tasso, ich kann mir die Sehnsucht von Till sehr gut vorstellen. Nur verschämt vermag ich mir auszudenken, was passieren würde, wenn er seinen Erdenurlaub zusammen mit dem Baron erhielte.
Herzliche Grüße
t.t.
Ekki

 harzgebirgler (13.03.22, 09:02)
einen bärendienst erweist sich grade der russische bär
und fällt skrupellos über sein 'bruderland' ukraine her
womit er der welt keinen bären aufband
die einig wie nie gegen ihn drum aufstand.

lg
henning

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 13.03.22 um 11:17:
Merci Henning,

die Propaganda steckt voller Lügen,
schwierig, sich da nicht selbst zu betrügen.

LG
Ekki
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