Gebildeter Poltergeist

Anekdote zum Thema Bildung/ Wissen

von  loslosch

Cum grano salis (Plinius der Ältere, ~23 n. Chr. bis 79 n. Chr.; Naturalis historia). Mit einem Körnchen Salz. Oder, sehr frei: Mit entsprechender Einschränkung.

Der Herr Ministerialdirigent wirkte nach außen selbstbewusst, robust und angriffslustig. Im Umgang mit seinen Lakaien konnte er ruppig sein. Wehe, es war ein Abteilungsleiter oder Staatssekretär in Rufweite, dann katzbuckelte er. Bei interministeriellen Sitzungen schien er stets aufgeräumt und äußerlich gut präpariert, fasste in holprigem Deutsch Zwischenergebnisse zusammen und war bemüht, Konflikte im Vorfeld zu bereinigen.

Die zum geflügelten Wort aufgestiegene Wendung des Plinius war seine Lieblingsfloskel; denn sie verströmte, trotz allem poltrigen Gehabe, humanistische Bildung, gepaart mit diplomatischen Artigkeiten - und einer eigenwilligen Zitierweise: "Cum grano sale." So oft und so deutlich sprach er dieses "e", dass ein Hörfehler auszuschließen war. Nie war auch nur die Spur von Unruhe oder verschmitztem Lächeln in vertrauter Runde zu beobachten. Obwohl der Autor nicht der einzige unter den Teilnehmern war, dem diese Halbbildung auffiel. Diskretion als Mischung aus Höflichkeit und Unterwerfung.


Anmerkung von loslosch:

Die Szene erinnert an des Kaisers neue Kleider. Anders als in Christian Andersens Märchen wurde die Nacktheit nie offenbart.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (31.10.13)
Wie sich manchmal Erlebnisse gleichen. Ich hatte einen Vorgesetzten, der wiederholt unbeanstandet zitierte: "In dubio pro rebo" statt korrekt "In dubio pro reo" (Im Zweifelsfalle für den Angeklagten.)
Ich habe mich auch gefragt, warum ihn nie jemand auf diesen Fehler hingewiesen hat. Ich vermute, man wollte sich die Quelle des Amusement nicht verstopfen.
JakobJanus (35) meinte dazu am 31.10.13:
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 31.10.13:
Er war nicht gerade mein Freund.
JakobJanus (35) schrieb daraufhin am 31.10.13:
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 31.10.13:
Man darf jeden auf Fehler hinweisen, wenn man Lust dazu hat.

 loslosch ergänzte dazu am 31.10.13:
werbung für rebo?  hier.

dr. raabe, mir gegenübersitzend: "was Sie geschrieben haben, versteht keine sau, nicht mal ich." - "herr raabe, das haben Sie jetzt gesagt."

ich konnte mich immer schon gut unklar ausdrücken.
(Antwort korrigiert am 31.10.2013)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 31.10.13:
Den Diplomatenschulen gehen die Lehrer aus. Noch ist es nicht zu spät, Lothar. ;-D

 TrekanBelluvitsh (31.10.13)
Eine etwas deftigere Geschichte kenne ich von meinem Vater. Der hatte einen Lehrer, der sich einmal darüber beschwerte, warum es "Setz dich auf deine vier Buchstaben" heißt. Dann nahm er ein Stück Kreide und schrieb in großen Buchstaben A R S C H an die Tafel und meinte: "Das sind doch fünf Buchstaben!" Die Schüler machten ihn auf seinen Irrtum aufmerksam, aber dennoch: Das schreit schon nach mehreren 250gr-Packungen Salz würde ich meinen.

 loslosch meinte dazu am 31.10.13:
oder hatte er ASCH geschrieben?

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 31.10.13:
Nein. Und ich habe noch einmal nachgefragt: Es war doch tatsächlich sein Lateinlehrer! Hätte sich vielleicht an sein Fach (puga=Hintern) halten sollen...

 loslosch meinte dazu am 31.10.13:
podex (lat. wörtl.: der furzer) wäre dezenter gewesen. wobei ich dem lateinlehrer recht geben muss. er behauptet ja, es müsse 5 buchstaben heißen. setz dich auf deine 5 buchstaben!

ein kluger schöler hätte nachgesetzt: aber popo hat 4 buchstaben. - die meute hätte gebrüllt und der eintrag ins klassenbuch wäre fällig gewesen.

 TrekanBelluvitsh meinte dazu am 01.11.13:
"Lachen sie nicht so lächerlich, Pfeiffer!"

 loslosch meinte dazu am 04.05.16:
sich auf die vier buchstaben setzen: man vermutet eine anspielung auf die meist aus buchenholz gefertigten stuhlbeine, buchen-staben.

 Didi.Costaire (31.10.13)
Höflichkeit und Falschheit sind Geschwister. In diesem Fall geht wohl Schadenfreude vor Mitleid.
Schöne Grüße, Dirk

 loslosch meinte dazu am 31.10.13:
wieder was gelernt.

schadenfreude zwar, aber nicht den mut, den poltergeist zu korrigieren. so war das damals und so ist es wohl immer noch in einer hierarchie.
Graeculus (69)
(31.10.13)
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 loslosch meinte dazu am 31.10.13:
ob o oder o-o, das ist dem lb. heiland doch egal, wolfgang.
Graeculus (69) meinte dazu am 31.10.13:
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 loslosch meinte dazu am 31.10.13:
richtIg! sinnverändernder ablativ. mit o-o wollte ich was anderes ausdrücken: das geht durchs klo.
Lottergeist (23)
(01.11.13)
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Manon.Moony (38) meinte dazu am 01.11.13:
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 loslosch meinte dazu am 01.11.13:
allerwerteste: ein gefühl für sprache brauchts - vor allem.
Lottergeist (23) meinte dazu am 02.11.13:
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 loslosch meinte dazu am 02.11.13:
tummle dich mal durch meine "werke".
Lottergeist (23) meinte dazu am 02.11.13:
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 Dieter Wal meinte dazu am 02.11.13:
:)) Sammer frech? Sammer frech. Weiter so! :)

 Dieter Wal (02.11.13)
" Die oft wiederholte Szene erinnert an des Kaisers neue Kleider. Anders als in Christian Andersens Märchen wurde die Nacktheit nie offenbart." Bitte weglassen. Dann ist es perfekt.

"Pseudo-Bildung" wirkt auf mich etwas zu bemüht und gestylt. Besser: Halbbildung.

 loslosch meinte dazu am 02.11.13:
halbbildung triffts. den rest hab ich in die lesehilfe genommen.
(Antwort korrigiert am 02.11.2013)

 Dieter Wal meinte dazu am 02.11.13:
Vielen Dank übrigens für diesen Text. War ja sozusagen eine Bestellung. Er gelang dir noch besser in meinen Augen, weil der Kommentar sich genau auf ein Thema beschränkte, eng am Thema blieb, und poentiert formulierte. Die Beschreibungen wirken so dicht wie authentisch. Auch beste Krimiautoren könnten eine solche Szene kaum atmosphärisch dichter darstellen.
(Antwort korrigiert am 02.11.2013)

 loslosch meinte dazu am 02.11.13:
unglaublich, denn ich lese keine krimis. man wirft mir manches mal vor, ich würde im latein erstarren.
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