Dachpappen sind fürs Dach

Erzählung zum Thema Rassismus

von  modernwoman

Illustration zum Text
Dachpappen
(von modernwoman)
Dachpappen sind fürs Dach

Er fuhr mit der U-Bahn zur Party. Seinen Bitter Diplomat hatte er vorsorglich in der Garage gelassen, da bei Stefans Partys der Alkohol in Strömen floss und er sicherlich auch einiges inhalieren würde. Bahnhof Zoo - die Wagentüren öffneten sich und die auf dem Bahnsteig Stehenden liessen die Aussteigenden kaum durch. Es war wie immer, ein menschliches Chaos. Der Waggon füllte sich und zwischenzeitlich hätte man sterben können, ohne umzufallen, da die Herde schwitzender Leiber eng an eng stand. Die Luft wurde stickig und man hätte sie schneiden können. Zum Glück leerte sich der Wagen schnell am Kudamm. Einige stiegen ein, unter ihnen zwei Skinheads. Sie unterhielten sich bewusst lautstark, so dass man nicht umhin konnte, ihrer Unterhaltung audiovisuell zu folgen. Als die U-Bahn anfuhr, verstummten sie kurz und musterten der Reihe nach die Fahrgäste. Im hinteren Wagenbereich standen zwei Schwarzafrikaner , hielten sich an der Haltestange fest und waren leise in ein ziemlich angeregtes Gespräch vertieft.

Die beiden Skinheads stiessen sich gegenseitig an und gingen langsam auf die Afrikaner, deren Haut die Tönung von Ebenholz hatte, zu. Er schätzte, dass die Afrikaner aus dem Kongo oder einem anderen Staat Afrikas kämen, wo so dunkelhäutige Menschen leben.

"Na ihr Dachpappen!" Herausfordernd standen die beiden Skins vor den Afrikanern, die daraufhin ihr Gespräch unterbrachen und die Skins verständnislos ansahen. Die Skins lachten laut und fingen an, die Afrikaner zu schubsen, woraufhin der Eine fast das Gleichgewicht verlor und hingefallen wäre, hätte sein Begleiter nicht zugefasst.

Er hatte das Ganze aus der Ferne beobachtet und seufzte still in sich hinein. Im Wagen sassen noch viele Fahrgäste, unter ihnen eine Reihe von Männern, die aber alle so taten, als würden sie nichts sehen und hören. Ein Fahrgast Typ Büromensch öffnete seinen Aktenkoffer, entnahm ihm eine Zeitung und hielt sie sich so demonstrativ vors Gesicht, dass er darüber grinsen musste. Alle diese Nachtjacken, die hier sassen und keinen Finger rührten - es war zum Kotzen.

"Hey, ihr da, ihr Glatzen. Ja, euch meine ich, ihr Schwuchteln. Lasst die Beiden zufrieden." Die Skins drehten sich um und sahen ihn da stehen, ganz allein. Ein dreckiges Grinsen überzog ihre hässlichen Fressen. Die beiden Typen sahen ziemlich muskulös aus und ihr Gegenüber schien für sie keine Gefahr darzustellen. "Da will einer was in die Fresse. Na du Honk, warte, wir verarzten dich gleich."

Während der Eine noch sprach, setzten sie sich schon in Bewegung auf ihn zu. Vor ihm stehend, streckte der eine von ihnen seine Hand aus, um ihn zu stossen. Er drehte sich leicht zur Seite, benutzte eine Technik aus Fusegi-Waza, indem er den Arm des Gegners eindrehte, schlug mit einem gezielten Oi-Zuki gegen den Kehlkopf des Gegners, der daraufhin nur noch ein schmerzvolles Krächzen von sich gab und trat dem zweiten Angreifer voll mit einem Mae-Geri in den Unterleib. Den ersten immer noch im Haltegrif, fasste er dem verkrümmt vor ihm Stehenden in den Stiernacken und knallte dessen Kopf auf sein blitzschnell hochgerissenes Knie. Als er ihn losliess, fiel der auf den Boden, wo er verkrümmt und laut stöhnend liegenblieb. Der zweite Gegner stiess unterdessen wilde Drohungen gegen ihn aus, die allerdings kaum verständlich waren, da ihm immer noch die Sprache fehlte.

Belustigt schaute er auf dieses Bündel Scheisse runter. Er überlegte kurz, dann drehte er den Arm des Angreifers noch etwas mehr und schlug mit dem Ellenbogen des anderen Armes auf das Armgelenk seines Gegners. Es machte kein grosses Geräusch, als der Arm brach, aber der Schmerz musste wohl in die einzige Gehirnzelle des so malträtierten vorgedrungen sein, denn ein undeutliches schmerzliches Blubbern entströmte seinem stinkenden Maul. "Das wird euch hoffentlich eine Lehre sein, ihr Wichser!"

Das Ganze hatte maximal zwei Minuten gedauert. Die Bahn fuhr in die nächste Station ein. Er winkte den beiden Afrikanern zu und stieg aus. Die Beiden folgten ihm und gemeinsam sahen sie zu, wie sich der Zug in Bewegung setzte und im Tunnel verschwand. Als sich die Beiden bei ihm bedanken wollten, winkte er nur ab, stieg die Treppe hoch zur Strasse und nahm das nächste Taxi, um endlich zu Stefans Party zu kommen.

Cornelia Warnke

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Kommentare zu diesem Text

Watchman (34)
(02.11.13)
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 modernwoman meinte dazu am 02.11.13:
tja, wenn das alles klischees sind. schade, dass du die skins nicht fragen kannst, wie sie sich gefühlt haben :v eigentlich kann so einen kommentar nur jemand schreiben, der null ahnung vom leben hat. aber trotzdem danke für deinen besuch und deine spuren :) ich hab grad gesehen, dass du 1979 geboren bist. als das mit der kiezgeschichte passierte, warst du noch nicht mal geboren und das intermezzo in der u-bahn, da warst du acht jahre alt ;)
(Antwort korrigiert am 02.11.2013)
Watchman (34) antwortete darauf am 02.11.13:
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 modernwoman schrieb daraufhin am 03.11.13:
Okay - Null Ahnung war vielleicht etwas übertrieben. ;)
Ich nehme Dir auch gern ab, dass Du nicht mehr viele Glatzen in der Öffentlichkeit siehst. Das war damals noch ganz anders! Mittlerweile unterscheiden sich Neonazis kaum noch in ihrem ganzen Habitus von anderen Mitbürgern. Die Klischees, von denen Du schreibst, sind Fakten, die sich nicht wegdiskutieren lassen. Natürlich ist nicht immer gleich ein Retter dabei. Die meisten wollen einfach nicht involviert werden und Angst spielt dabei ebenfalls eine grosse Rolle. Gerade diesem Umstand ist es ja zuzuschreiben, dass bereits eine ganze Reihe Menschen gestorben (für mich ermordet) sind. In den meisten Fällen wird dann auch noch ein rassistischer Hintergrund von der Polizei abgewehrt. Es steht dann im Protokoll ganz lapidar: Im Verlauf einer Schlägerei versterb XY. Das wars!

Ach ja - Afrikaner sind auch heute noch Angriffsziel bestimmter Gruppen. :D
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