vergessene Kinder

Text zum Thema Vergangenheitsbewältigung

von  Feuervogel

lange bevor ich
überhaupt denken konnte
jemals nachgedacht hatte
war alles schon in dir
verankert
waberte unerkannt dunkel
hinter jeder Zellwand
tief in deinem Innern
trieb sein böses Spiel
verließ dich nie
und traf doch mich
unschuldig schwer
wie so viele
was ist uns nur geschehen
dir und durch dich
auch mir
vielleicht nun auch noch ihm
dem Kleinsten unter uns
es geschah damals
lange vor uns
als die ersten Bomben fielen
die erste Not des Hungers
jene traf
die lange vor uns
vor dir
vor mir
ins Leben
erste Schritte gingen
wohl schon über jene Tote
die zu retten niemand
Kraft besaß
es geschah als jene Kinder waren
niemand ahnte je
was diese Taten
noch nach Jahren
an grausamsten
eingravierten
zerrissen deine Seele
zerschlugen dein Leben
zerfetzten dich
der du immer auf der Flucht
auch mich zur Heimatlosen machtest
keiner ahnte
keiner verstand
was dich zu jenem Täter machte
der du mir gewesen bist
nun steh ich da
in meinem Bombentrichter
umringt von deinen Kellerleichen
was bleibt mir nun
ist nichts als tiefe Trauer
um den Mann und Vater
der du niemals warst
ich netze deine Welt
mit meinen Tränen
Oh hoffe so
dass dies zum Ende eines Leides führt
sich nun aus meinen Zellen schabt
damit der Kleinste
hier in unserm Bunde
endlich in Frieden leben kann

Ela


Anmerkung von Feuervogel:

Für meinen Vater, einem Kriegskind!

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Kommentare zu diesem Text


 Sanchina (14.11.13)
grauenhaft gut!

 Songline (14.11.13)
"nun steh ich da
in meinem Bombentrichter
umringt von deinen Kellerleichen"

Eindrucksvoller Text. Und ja: Die Geschehnisse des Krieges ziehen sich in die nächste und übernächste Generation. Vor allem dann, wenn nicht darüber gesprochen wird.
Liebe Grüße
Song

 irakulani (14.11.13)
Es ist eine hochinteressante Tatsache, dass wir erlebte Traumate an unsere Nachkommen genetisch weitergeben, oder - wie hier bereits mit dem "Grauen in den Zellen" geboren werden.

Eine Perspektive, die selten betrachtet und erst seit kurzem wissenschaftlich erwiesen ist.

Wer aber hilft denen, die quasi bevor sie "wurden" schon das Grauen erleben mussten?

Nachdenklich und beeindruckt gelesen,
herzlichst,
Ira
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