Empedokles - Kraft aus Liebe und Streit

Essay zum Thema Philosophie

von  LotharAtzert

Kaum einer der sogenannten "VORSOKRATIKER" war umstrittener. Er hielt sich selbst für einen Gott, heißt es da von seinen Biographen und Gegner - nur weil er in der Ich-Form seinen Umgang mit den Göttern beschrieb und in Wort und Schrift also wenig bescheiden auftrat. Als ob dies sein Charakteristischstes gewesen wäre - und nicht das, was EMPEDOKLES von den Göttern mitbrachte: Das Asketische lebte er auf praktische Weise im Alltag, wo er als Arzt und Dichter einiges an Heilungen geleistet haben soll.
Um das Wesen der Schwerkraft den Unwissenden zu demonstrieren, soll er einmal einen mit Wasser gefüllten Eimer um die eigene Achse gewirbelt haben - bis zur Waagrechten - ohne daß ein Tropfen heraus lief.
Zu seiner Zeit, also 5. Jahrhundert v. Chr. waren die beiden bekanntesten Philosophen PARMENIDES und HERAKLIT.
Nach PARMENIDES ("Das Selbe ist Denken und Sein") ist nur das Unentstandene, Vollkommene wirklich, während bei HERAKLIT ("Alles fließt") Sein und Werden einander bedingen bzw. Bewußt-Sein durch Bewußt-Werden er-innert wird. Berühmt wurde auch der Satz: " Der Krieg ist der Vater aller Dinge." - also Erfahrung nur durch Meisterung von Gefahr - nicht, wie heute fatal-irrig geglaubt, durch bloße Information.
EMPEDOKLES nun versuchte, beide Anschauungen zu kombinieren. Das heißt, Werden und Vergehen sind real oder seiend, aber das göttliche Sein, das zugrundeliegende WÄHREN, bleibt von allem Seienden unberührt.
Dieses all-währende Sein bestehe aus den Aggregaten Feuer, Wasser, Luft und Erde. Sie galten noch als Wurzeln und nicht als Elemente, wie es erst später von Weniger-Klarsichtigen genannt werden sollte. Sie sind die unveränderliche Qualität des Raumes und können sich auch nicht ineinander umwandeln - dies im Unterschied zur Anschauung Heraklits. Was wir als Veränderung wahrnehmen, beruhe auf Positionswechsel kleinster Teilchen, der ihre Mischungsverhältnisse verschiebe - und damit das, was den Sinnen erscheint. -Änderung manifestiert sich als Wandel der sinnlich wahrnehbaren Eigenschaften physischer Objekte. (Die Letzteres speziell herausgreifenden materialistischen ATOMISTEN folgten kurze Zeit später.)

Die Wurzeln galten dem Denker als wesensgleich mit den Göttern ZEUS, HERA, (Feuer und Luft - das wirkende Prinzip) HADES und PERSEPHONE (Erde und Wasser - das leidende Prinzip). Und was die Veränderungen hervorrufe, seien Anziehung oder Liebe und Abstoßung oder Streit (Aphrodite und Mars) zu nennen. Empedokles sah in den Göttern keinesfalls an Menschenverstand angepasste, anthropomorphe Gestalten, die ins Dasein eingriffen, sondern dachte, wie schon die beiden anderen Philosophen, das All als Kugelsphäre, - was PLATON in der Ideenlehre aufgriff, während ARISTOTELES aus den vier Wurzeln später seine bekannten Kausalitäten entwickelte. Nur dachten sie niemals an den bildlosen Zustand, wie PLUS und MINUS, was ihr Kollege PYTHAGORAS praktizierte, weswegen HERAKLIT ihn als "vielwissenden Scharlatan" ablehnte, der nur Quantitäten lehre.
Die Anziehung zöge ins Innere der Kugelwelt, heißt es da und das Abstoßen als Gegenkraft wirke ringförmig zur Peripherie hin, wobei immer eine Kraft von beiden überwiegt und sich so vier voneinander unterscheidbare Phasen wiederholen - vergleichbar etwa den Mondphasen (Voll- Neumond, sowie die beiden Halbmonde). Der Annahme der Kugelgestalt ging zeitlich das Entdecken und Gebrauchen der Null voraus.
Beide Kräfte bedingen einander. Ohne Streit, der Zerstreuung bewirkt, strebt nunmal nichts in die Erscheinungswelt hinaus. Und ohne Liebe kehrte Zerstreutes nicht mehr zur Sammlung um. Was sich auch ein Leben lang in der Atmung voll-zieht: der Einatmung folgt notgedrungen die Ausatmung ... und im Körper unterscheiden sich sauerstoffreiches Venenblut von dem der blau schimmernden Adern, wie planetarisch Ebbe und Flut, Tag und Nacht und so weiter.
Ob dies nun auch das chinesische Yin-Yang und das TAO ist, oder ob es andere Namen trägt - die eine Natur ist immer identisch, nur die Bilder sind die den Hemisphären ent-sprechenden. Das heißt für unser Abendland: Ohne Streit keine Liebe, denn es zöge kein Objekt hinaus, dorthin, wo es erscheint. Was sollte dann geliebt, was angezogen werden können? Und vor allem: was sich entwickeln - ohne Liebe kein Streit ... erlöschte aller Unterschied.
Das Erloschensein gilt ja vielen Mystiker als das Ziel. Aber BUDDHA, wie übrigens auch Parmenides, geht darüber hinaus: Das Ziel, das sogenannte NIRVANA, ist immer hier, immer jetzt. Es ist das stets losgelöste So-Sein und wird nur erreicht durch ... sein lassen.
Doch zurück zu Empedokles. Er zeigt, wie der Himmel, den man seit Pythagoras anmaßenderweise gebrauchsgerecht "Kosmos" nennt, (statt UNIVERSUM) im Einzelnen sich offenbart: Vier Zustände, die sich immer, dh. solange die Illusion der Zeit existiert, periodisch ablösen: anziehende Liebe weckt mit dem Zug die Gegenkraft von Streit, bis sich am Ende beide neutralisieren, um das Spiel daraufhin erneut fortzusetzen. Vom goldenen bis zum eisernen Zeitalter, vom Frühling bis zum Winter und so sich ewig wiederholend, so dachten unsere geistigen Vorväter das Geschehen im All und im Es, im Großen, wie im Kleinen - und versuchten immer zu ermitteln, wo sie als Gegenwärtige gerade angekommen seien. Doch nur wenige sahen, daß es große und kleine, längere und kürzere Perioden gleich-zeitig gibt, woraus wiederum verschiedenste Schnittstellen resultieren und so rieten viele nur blind herum. Blind, weil sie ihr eigenes Schicksal und dessen -schläge zum Maßstab ihrer Zeit erhoben. Die Eintagsfliegen nahmen den Tag als Maß; die Steine die Jahrtausende. Doch die klarer Sehenden achteten mehr auf das Ordnungsprinzip. Und nur die "SEHER" Genannten dachten in "Weltzeitalter," hörten auf Himmelsbewegungen, erkundeten durch Orakel das Jenseits der Zeit genauso, wie Logos und Mythos - und erkannten unsere Erd-Zeit als dem EISERNEN oder streitsamen, peripher Dunklen angehörig, wo die Liebe gänzlich als Zukunftsvision im Verborgenen ruht. ... und die Sehnsucht nur als Schmerz und Verlangen ... in Einzelnen, wie Jesus CHRISTUS ... wiedererwachte. Doch die geistig Blinden nagelten ihn an das Symbol der vier Wurzeln, verhöhnten ihn, um dieses losgelöste Währen nicht wahr-nehmen zu müssen.
Dem entzog sich Parmenides, indem er das Vergängliche gering schätzte, während es der einsiedlerische Heraklit in den Lebensfluß integrierierte und Empedokles endlich beide Anschauungen vereinte. Aber die streitende Menge konnte ihnen schon damals nicht mehr folgen. Und ich vermute fast, die Drei werden sich dort, wo sie jetzt als Götter die Dinge erörtern, köstlich über solche Gedanken amüsieren.

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Kommentare zu diesem Text

hoor (22)
(15.11.13)
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 LotharAtzert meinte dazu am 15.11.13:
Boah, das sind aber jetzt viele Fragen - Danke für das aufmerksame Lesen, hoor.
Ich will versuchen, sie etwas zusammenfassend zu beantworten, da es sonst zur Überlänge käme, also länger als das eigentliche Essay.

Absatz - Leerzeile - ok, da hast Du natürlich recht.

1. Eigentlich heißt es STREIT statt Krieg. Warum, das ist ja im Text erklärt. Um Liebe und Streit geht es ja die ganze Zeit. Wir leben heute in einer Informationsgesellschaft, wo Erfahrungen schon von gesetzlicher Seite eingeschränkt werden. Beispiel: keiner kann sich im Wald sein Hüttchen bauen, ohne daß die Polizei erscheint und verbietet. etc. etc. etc.

2. Der "sondern" Teil ist Blödsinn.

3. Warum nur fürs Abendland- weil das Morgenland eine andere Terminologie hat. Streit und Liebe, darum ging es speziell bei den Vorsokratiker. Die Späteren haben es modifiziert, wie beschrieben. (Aristoteles und die vier C.)

4. Den Buddha-Absatz baue ich hier nicht aus. Als praktizierender Vajrayana-Buddhist (sorry!) gibt es und gab es Schriften zu diesem Thema von mir zuhauf. ZB. "Die vier Betrachtungen, die den Geist auf das Wesentliche fokusieren" - Rest auf autorenweb. de.

5. Pythagoras interessiert mich nicht wirklich. Ich bezog mich auf die Ablehnung des Heraklit gegenüber P. - und meine persönliche Ablehnung des Wortes "Kosmos" das den Himmel und das Schöpferische zur Hybris macht, bzw. zur menschlichen "Wissenschaft" erhebt.

6. Der "arme" Leser hat viele Möglichkeiten, sich zu bilden. Wenn ich schreibe, dann das, was in meinem Empfinden aufsteigt, ohne daß ich an einen Leser denke. Überhaupt gibt es ja nicht ein Leserkollektiv, sondern nur den Einzelnen. Dh. der eine versteht, der andere nicht - man kann es nicht jedem recht machen.

7. Das Mäandern ist eine Eigenheit meines Charakters, meines Ausdrucks ... ich bitte um Entschuldigung ...

8. Zusammenfassend - wir streiten uns hier doch einigermaßen im heraklitschen Sinne - ohne daß ein Tropfen Blut fließt. Wenn die modernen Menschen Krieg als abscheulich betrachten, so hat das nichts mit dem hier zur Sprache Kommenden zu tun. Ich hätte mir gewünscht, du hättest auch etwas zur Ansicht des Philosophen Empedokles gesagt - ohne Bezugnahme auf meine persönliche Verquertheit ...
hoor (22) antwortete darauf am 15.11.13:
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 Bluebird (15.11.13)
Dem Text ( und somit such dem Autor) ist nur EINES vozuwerfen: Er ist zu umfangreich! Der "Uneingeweihte" und "Normalsterbliche" packt die Fülle der Informationen nicht (auf einmal) Schon gar nicht online-lesend
Also ich hätte daraus mindestens dreif Abschnitte gemacht mit dem Überthema: Die VORSOKRATIKER oder GRIECHISCHE PHILOSOPHIE.

Du bist ja im AW von einem bestimmten" Herrn" sehr kritisiert worden, aber solche Texte wie dieser hier zeigen, dass Du richtig was "drauf" hast. Aber ich bleibe dabei: Weniger( in einem Abschnitt) wäre mehr!
(Kommentar korrigiert am 15.11.2013)
(Kommentar korrigiert am 15.11.2013)

 LotharAtzert schrieb daraufhin am 15.11.13:
Ja, Bluebird, Du hast sicher recht mit der Länge. So etwas bedenke ich im Überschwang zu wenig. Werde versuchen, mich zu bessern!
Für das "draufhaben" ein herzliches Dankeschön.

So und jetzt gibt es Fußball, diesmal gewinnen wir... was für ein Themenwechsel ...
Gruß
Lothar
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