Damals und danach

Text zum Thema Erinnerung

von  susidie

Wie weich der Atem ist in meinem Nacken. Wie nahe, wie vertraut. Ich drehe mich nicht zu dir um, ich will den Augenblick auskosten. Diesen einen, auf den ich so lange gewartet habe. Und immer wusste, er kommt, holt mich ein, überholt mich. Ich spüre, wie du dich neben mich setzt und von hinten deine Arme um mich schlingst. So ruhig alles, so ruhig wird mir. Jahre in einem Moment vereint. „Liest du“? fragst du leise. „Ja“, und ich berühre deine Hände, deine Schenkel. „Ja, und ich lese das Leben heraus, das uns niemals trennte. In der Schatzkammer unseres Dachbodens.“ In jedem Wort ist es vereint. So geschah es in mir. Vorsichtig nehme ich die Kerze und im warmen Schein erkenne ich dich. Als ob du nie weg warst, als ob, als ob...! „Ich muss gehen“, flüsterst du mir zu. Jeder Antwort beraubt, sehe ich dir nach. Briefe in deiner Hand. Die Stufen knarzen nicht. Dein Handy. Du hast es vergessen. Die Kerze verlöscht. Ich bleibe stumm.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (17.12.13)
Wahrheit? Traum? Albtraum? Nach dem Lesen dieses Textes kann ich es nicht ausmachen - und das gefällt mir!

 susidie meinte dazu am 18.12.13:
Vielleicht eine Mischung aus all dem? Verwischt die Erinnerung nicht manchmal? Freu mich, dass es dir gefällt. Liebe Grüße von Su :)

 kirchheimrunner (17.12.13)
Hallo Susidie,

eine schwere Aufgabe stellst du dem Leser:
Du schreibst ein Kurzprosa; - die fast poetisch zu lesen sein könnte.

Der Schluss bleibt offen. Nicht nur das: Er bleibt im Dunkel. Mehr noch: Die Kerze ist verlöscht. Das was Zeilen vorher im hellen Schein gewesen war, ist nun auch in die dunkle Ecke des Dachbodens verschwunden.

Man weiß also nicht: Wer liest, wer tritt nahe heran. Welches Leben, das nicht trennte, wird herausgelesen.

Alles bleibt unbestimmt. Als ob die Fenster offen wären und der Wind alles verweht. Was bleibt dann noch.

Es bleibt die Erinnerung an jemand der sitzt und liest und jemand der von hinten herantritt. Es bleibt das "Atelier" des Dachbodens. Ein Stilleben sozusagen.

Nun, über die Qualität dieses Textes brauchen wir nicht viel zu sagen: Die Geschichte ist sehr gut erzählt. Das Unbestimmte leitet den Spannungsbogen zurück zu der Person die "sitzt und liest"; - die wartet, die sich sicher ist.

Letztlich darf man auch vermuten, dass der Dachboden nur Erinnerung, nur Staffage und so wenig wirklich ist, wie das ganze Geschehen.

Gratuliere
Hans

 susidie antwortete darauf am 18.12.13:
Lieber Hans,
vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar, der sehr gut diese Unbestimmtheit beschreibt. Mich freut, dass der Text so beschäftigen kann. Danke für dein Lob. Liebe Grüße von Su :)

 AZU20 (17.12.13)
Geheimnisvoll. LG

 susidie schrieb daraufhin am 18.12.13:
Pscht, nix weitersagen. Mysteriöse Grüße von Su :) Danke!
Scrag (28)
(17.12.13)
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 susidie äußerte darauf am 18.12.13:
Der Dachboden ist geheimnisvoll, so oder so. Finde das gar nicht weit hergeholt. Ganz im Gegenteil. Unverhofft kommt oft. Und was ist schon endgültig? Außer dem Tod, wenn man es denn so sieht. Aber hier geht es um Leben, intensives Leben und Er-leben. Vielen Dank Markus. Freue mich sehr, dass dich der Text anspricht. Ganz liebe Grüße von Su :)

 TassoTuwas (18.12.13)
...wao
...mit einem grandiosen Titel!
Liebe Grüße TT

 susidie ergänzte dazu am 21.12.13:
Vielen Dank TT. Freu mich sehr, dass die Text sowie Titel gefallen. Schön :) Ganz liebe Grüße von Su :)
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