Über Crush Videos

Essay zum Thema Sex/ Sexualität

von  toltec-head

Zoom: Eine Frau tritt barfuß auf einen rudernden Tausendfüßler, dessen Eingeweideflüssigkeit aus dem Anus hervorschießt wie ein Orgasmus. Kann man die Insektwerdung überhaupt stärker mißverstehen als Kafka? Nicht als traurig Ausgeschlossener der Familie, als Junggeselle mit nur noch schwesterlichen Beziehungen wird man zum Insekt, sondern man wird zum Insekt, zum rudernden Tausendfüßler, um sich von einem Frauenfuß lustvoll zerquetschen zu lassen. Der orgasmische Zusammenprall von Tod, Sex und Unterwerfung ist es, den der Crush Freak in der Insektwerdung sucht. Nur dem Fetischisten einer personalisierten Sexualität, die in der Sexualität nicht den Sex-Akt als solchen, sondern die Person des anderen sucht, mag das als Perversion erscheinen. Das Wort Sexualität kommt vom lateinischen secare, zerschneiden, von dem sich auch das Wort Insekt herleitet. In jedem guten Sex-Akt wird der Mann mehr oder weniger zu einem Insekt, das sich lustvoll von einer Frau zerquetschen lässt. Das Crush Video drückt daher das Wesen der Sexualität als solcher aus: Sexualität nicht als Form intensiver Personwerdung sondern als lustvolle Sprengung der Person - was sie mit dem (guten) Schreiben verbindet, denn auch das Schreiben ist eine Form des secare, des lustvollen Ein- und Zerschneidens der Person.

Und was passiert im Crush Video mit der Frau? Eine Frau ist nach Freud dadurch gekennzeichnet, dass sie mit aktiven Mitteln passive Ziele verfolgt. Deshalb ist der Flirt mit ihr oder überhaupt ein Flirt so unerträglich. Mit aktiven Mitteln passive Ziele verfolgen, weil man keinen Phallus hat oder derselbe auf 0 reduziert ist, versetzt den Mann beim Flirt in eine Art Todesstarre, in eine Situation des double binds, aus dem er erst in dem Moment des Zertretenwerdens wieder befreit wird. Im Moment des Zetretens verfolgt die Frau aus Sicht des Mannes auf einmal aktive Ziele mit aktiven Mitteln, verfügt über einen Phallus - ihre Füße werden zum Phallus - und wird so zum Mann. In jedem gelungenen Sex-Akt wird der Mann also zum Insekt und die Frau zum Mann.

Im mißlungenen Sexakt, der hetero-, homo- oder sonstwie sexuell sein kann, passiert, um Kafkas Geschichte vom Kopf auf die Füße zu stellen, etwas sehr trauriges: Die Frau bleibt Frau und der Mann bleibt Mann und beide bleiben als solche melancholisch Eingeschlossene der Familie. Die Melancholie ist auf Seiten der Familie und nicht auf Seiten der gelungenen, lustvollen Insektwerdung. Zwar werden die Eingeschlossenen der Familie nicht zerquetscht, sterben also nicht, sind aber melancholisch, weil sie ahnen, dass sie dafür ihr Leben verlieren.


Anmerkung von toltec-head:

http://de.wikipedia.org/wiki/Crush_fetish

weiterführend:

http://www.matthes-seitz-berlin.de/buch/insektopaedie.html

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Kommentare zu diesem Text

JakobJanus (35)
(29.12.13)
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 toltec-head meinte dazu am 29.12.13:
Bin doch so viel lieber Käfer oder Messdiener:)
JakobJanus (35) antwortete darauf am 29.12.13:
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Koka† (46)
(29.12.13)
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