Vitale Dichotomie

Aphorismus zum Thema Denken und Handeln

von  Ephemere

"Wahr" oder "falsch" - was tut das zur Sache? Für das Lebendige zählt nur "fruchtbar" oder "unfruchtbar".

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (06.02.14)
Ich weiß, dass viel Menschen so denken und das als Rechtfertigung für ihr asoziales Verhalten für jeden sichtbar vor sich hertragen. Aber es gibt immer mehr Anzeichen dafür, dass es so etwas wie eine 'soziale Evolution' mit zu den Erfolgsgeheimnissen der Spezies HomoSpiens gehörte. Und in einer sozialen Gruppe gibt es vielleicht nicht immer ein klar definiertes 'falsch', aber zumeist ein 'wahr'.

 Ephemere meinte dazu am 07.02.14:
Darum ging es mir aber nicht - was ich meinte, war jenseits von Gut und Böse. Fruchtbar vs. unfruchtbar war in diesem Kontext nicht als reiner Biologismus zu verstehen, sondern eher im Sinne Erich Fromms. Als Leitfrage: "Erwächst daraus etwas Neues / Weiteres, oder ist es ein Punkt am Ende des Satzes." Damit erkennt man schnell, wie essentiell für alles Soziale (und, to begin with, die Kommunikation, damit sie sich verstetigen kann) das Fruchtbare ist - auch noch das "falsche" oder "böse" Fruchtbare leistet hier einen wertvolleren Dienst als das "gute" oder "wahre" Unfruchtbare. Alles Lebendige braucht Reflexivität (wie definiert nach Merten, Luhmann hätte das Referentialität genannt), keine finalen Antworten. Moralische Urteile fallen auf einer parallelen Ebene, die quer über dieser vitalen Dichotomie liegen und mal in die eine, mal in die andere Kategorie fallen.
(Antwort korrigiert am 07.02.2014)

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 11.02.14:
Ich finde schon, dass mein Kommentar in diese Richtung geht, dem widerspricht. Ich denke hier nur an den blinden Pygmäen, der von den anderen Jägern weiter versorgt wird, obwohl er - ganz gleich wie man 'Fruchtbarkeit' definieren mag - zur dieser nichts beiträgt. Tatsächlich steht hier die Moral im Mittelpunkt, denn ohne diese - zumindest für die In-Group' funktionieren Gesellschaften nicht. das ist es, was ich mit 'sozialer Evolution' meinte, ein Begriff den ja nicht ich geprägt habe.

Ich weiß, dass der größte Teil der Evolutionsbiologen dafür nicht viel übrig hat. Allerdings vergessen sie dabei einen wichtigen Punkt: Evolution hat kein Ziel! Die Frage "Erwächst daraus Neues?" stellt die Natur nicht. Darum gab, gibt und wird es auch immer wieder evolutionäre Entwicklungen geben, die in Sackgassen enden. Das ist nicht die Ausnahme, sondern (auch) die Regel.

Und ganz davon abgesehen gibt es noch einen Punkt, den man stets beachten muss: Es entwickelt sich keine Spezies, es entwickeln sie immer Individuen!

 Ephemere schrieb daraufhin am 13.02.14:
Wenn das Versorgen des Blinden dazu führt, dass sich Individuen gegenüber der Gruppe/Gesellschaft eher sozial Verhalten statt opportunistisch, weil sie sehen, dass diese ihnen als Mehrwert ein "soziales Netz" bietet, ist das durchaus "fruchtbar".

Es ist eine Frage, wie man argumentieren WILL: Die Diskussion um das "egoistische Gen" ist ja auch in (mindestens) zwei Lager gespalten, deren eines durchaus soziales und "moralisches" Verhalten als nach biologischen/ökologischen Regeln vorteilhaft für die eigenen Gene (die in dieser Argumentation ja den Bogen schlagen zwischen Individuum und Spezies, zumindest Verwandtschaft) herleitet.

Und ich meine, dass die Dichotomie "fruchtbar"/"unfruchtbar" mehr heuristisches Potenzial hat - auch im Blick auf Sozialverhalten und Moral - als von vornherein moralische und damit sozial konstruierte Begriffe wie z.B. "wahr", "fair", etc. ...denn ob Individuum oder Spezies: Alles Lebendige muss sich, um leben zu können, zunächst in seinem Habitat bewähren - und das ist nun einmal keine soziale Konstruktion, sondern Öko-, Klima-, Sonnen- etc. System. Das Soziale ist eine Form der Anpassung AN diese Gegebenheiten, des erfolgreichen Umgangs MIT ihnen - es muss dafür aber einen Output und Vorteile nach deren Regeln bringen, nicht nur nach seinen intrinsischen Kriterien, sonst hat es keinen Bestand.

Damit meine ich keineswegs, dass man ethische oder moralische Kategorien über Bord werfen kann, aber dass es erkenntnisbefördernd ist, sie im Bezug auf ihren Output zu betrachten und sie als ein notwendiges Mittel, nicht einen apriorischen Zweck zu sehen (was nicht heißt, dass es ein kostenfreies Opt-Out gäbe, siehe "notwendiges").

Dass Evolution blind ist, ist essentiell. Allerdings kann auch ein blinder Prozess durchaus erkennbare und feste Regeln haben - siehe Systemtheorie.

Und Evolution betrachtet per definitionem die Spezies - das Individuum ist hier nur ein Element der Grundgesamtheit und verliert sich in den Durchschnittswerten.
Das hat aber mit diesem Text und der Diskussion nicht zwangsläufig etwas zu tun: denn man kann und sollte hier durchaus auf das Individuum blicken - es wäre mir ein Graus, wenn mein Text so wirkte, als wollte ich den Menschen nur als Spezies sehen und nicht auf konkrete Situationen konkreter Individueln abzielen. Ich dachte zuallererst an interpersonelle Kommunikation, nicht an Evolution!

 LotharAtzert (06.02.14)
Auch wenn ich mir den Mund fusselig rede, muß ich es wieder einmal sagen:
Zu Wahr passt unwahr,
zu richtig passt falsch.
Wahr kommt vom Währen, während im Richtig bloß die Richtungsangabe steckt.

 Ephemere äußerte darauf am 07.02.14:
Danke für den richtigen Hinweis. Da ein Aphorismus aber verkürzen soll, wo es geht, fand ich "wahr" vs. "falsch" einen fairen Versuch, die Dichotomien "wahr-unwahr" und "richtig-falsch" gleichermaßen anzusprechen.
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