Sonde-rbar

Sonett zum Thema Arbeit und Beruf

von  Irma

Er kennt sich aus mit allen Frauenleiden,
erkennt Tumore, kann zumeist die bösen
von gutartigen Zysten unterscheiden.
Tagtäglich sieht er an die dreißig Mösen,

und führt den Schallkopf ein. Das Spekulum
eröffnet ihm den Weg zum Muttermund.
Verändert sich das Endometrium?
Die Wechseljahrbeschwerden (Schwitzen und

die Schlafstörung, Blutungen, Frigidität)
behandelt er fachmännisch, fühlt immer auch
nach Knoten und knetet die Mamma. Die Brust

der reizenden Gattin erwartet ihn spät
am Abend. Er küsst jenen schwangeren Bauch,
die tiefroten Lippen - ganz ohne Lust.

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Kommentare zu diesem Text


 niemand (07.02.14)
Ja, so ein Gynäkologe hat es nicht leicht. Ich stelle mir grade einen weiblichen Urologen vor (weiß nicht, ob es sowas gibt) aber eine Frau, die täglich Hoden und Schwänze kneten/tasten müßte (alte und junge gleichermaßen) ob die nicht genau das gleiche Problem hätte: Lustlosigkeit? Ich habe schon Schokoladen-Fabrik-Arbeiterinnen gehört, welche sprachen: Wenn ich Schokolade sehe, wird mir übel
Mit herzlichen Grüßen, Irene
Graeculus (69) meinte dazu am 07.02.14:
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 niemand antwortete darauf am 07.02.14:
@ Gracelus
ich denke man könnte das "Kneten" nennen, dieses
Abtasten auf eventuelle
Wucherungen/Veränderungen/ etc.
Hoden, oder Prostata, ich denke Männer müssen sich auch auf mögliche Veränderungen in diesem Bereich untersuchen lassen. Das es kaum weibliche Urologen/innen
gibt, weiß ich nun, es würde mich jedoch interessieren warum? Scham weiblicherseits, Sperre männlicherseits?
Ich könnte die Männer verstehen, dass eine Frau und so ...
ich persönlich gehe prinzipiell nur zu einer weiblichen
Gynäkologin. LG niemand

 Owald schrieb daraufhin am 07.02.14:
Bei meiner Musterung im Kreiswehrersatzamt zu Mettmann anno 1996 wurde ich von einer gänzlich weiblichen Ärztin untenrum abgetastet. Das nur mal zur Info. *g

 Irma äußerte darauf am 10.02.14:
Meine Erfahrung ist, dass Männer sich ohnehin mehr davor scheuen, zu solch einem Arzt zu gehen, als Frauen. (Vielleicht auch nur deshalb, weil sie es nicht schon früh an gewohnt sind? Männer müssen ja erst ab Mitte vierzig zur Krebsvorsorge.) Und ich könnte mir vorstellen, dass die Hemmschwelle noch wesentlich höher ist, wenn es sich dann auch noch um einen weiblichen Arzt handelt. Vielleicht, weil sie ein Abtasten immer mit sexueller Erregung in Verbindung (die dabei aber mit Sicherheit nicht eintritt) bringen? Ich danke jedenfalls insbesondere den beiden Männern hier ganz herzlich für die Stellungnahme! LG Irma
janna (66)
(07.02.14)
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 Irma ergänzte dazu am 10.02.14:
Das ist aber "sonderbar", dass du so erstaunt bist, liebe Janna! Aber ich versetze dich gerne in Erstaunen.

Ja, nicht nur das Endometrium verändert sich mit dem Klimakterium, sondern auch das Metrum. Herzlichen Dank! LG Irma
(Antwort korrigiert am 10.02.2014)

 AZU20 (07.02.14)
Auf welche Erfahrungen greifst Du zurück? Gern gelesen. LG

 Irma meinte dazu am 10.02.14:
Ich taste hier tagtäglich die Männer ab, lieber Armin. Wusstest du das etwa nicht!? ) LG und Dank, Irma

 AZU20 meinte dazu am 10.02.14:
Das wusste ich tatsächlich nicht. LG

 Emotionsbündel (07.02.14)
Das Berufsbild Gynäkologe hast du gut dargestellt, Irma, wobei ich die Erklärung für Mamma überflüssig und reimgeschuldet finde, da du den fachmännisch gehaltenen Text (mit Ausnahme der Mösen) auch nicht an anderen Stellen für erklärungsbedürftig hältst.

V12-14 wollen mir in ihrer Aussage gar nicht gefallen.
Würde man einem Bestatter, der sich täglich mit Tod und Bestattung beschäftigt/auseinandersetzt unterstellen, er würde am Grab seiner Frau emotionslos bzw. abgestumpft dabeistehen?
Ne du, da frage ich mich auch, auf was sich deine Aussage im Text stützt, ob es eigene Erfahrungen oder Erzählungen sind oder es lediglich eine Annahme ist!?

Oder verstehe ich hier möglicherweise irgendwas falsch?

Lieben Gruß,
Judith

P.S.:
Die Überschrift finde ich allerdings auch eher sonderbar
(Kommentar korrigiert am 07.02.2014)

 Irma meinte dazu am 10.02.14:
Hallo Judith,
ich danke dir für deine Kritik. Du hast Recht, das "die Mamma / die Brust" war wirklich nicht sehr elegant. Ich habe die Brust jetzt zur reizenden Gattin hinübergezogen, wodurch die von mir gewünschte Aussage sogar noch besser zum Ausdruck kommt. Ich hoffe, so gefällt es dir besser?

Du fragst, ob ich auf irgendwelche eigenen Erfahrungen zurückgreife. Nun ja, mein allererster Gynäkologe, zu dem mich damals meine Mutter mit hingeschleppt hat, war etwas "sonderbar". Es gab zwei Umkleidekabinen, in denen man sich bereits unten herum frei machen musste. Man saß dann also bereits entblößt beim Gespräch (ein seltsames Gefühl), wurde untersucht, ging wieder in die Kabine. Tür auf, Tür zu - der nächste bitte! Das ging wie am Schnürchen, völlig mechanisch. Der Oberkörper blieb hingegen immer verhüllt. Zur Krebsvorsorge der Brust, Mammographie etc. hat der Arzt immer an einen Kollegen überwiesen. Als Erklärung gab er einerseits seinen Glauben (er war Buddhist) an und zum zweiten meinte er, dass ihm das Beschauen und Betasten der Brust "zu intim" sei (was immer er auch damit meinte). Meine Erinnerung daran hat mich tatsächlich zum Schreiben dieses Sonetts bewogen.

Zum Titel "Sonde-rbar": Hier wird die Ultraschall-Sonde sozusagen bereits mit der Überschrift "eingeführt". Inwieweit dies sonderbar ist bzw. vielleicht sogar das ganze Sonett in seinem Aufbau (mit wechselnder Metrik von den Quartetten zu den Terzetten) oder seiner Thematik (Libidoverlust), mag jeder selbst beurteilen.

Den Vergleich mit dem Bestatter finde ich ehrlich gesagt nicht ganz passend. Ich denke, der Tod eines geliebten Menschen ist ein einmaliges, ein einschneidendes, ein in seiner Dimension kaum zu erfassendes Unglück, das mit Sicherheit jeden aus der Bahn wirft, egal wie gut er sich (durch vorherige Gedanken an einen bevorstehenden Tod oder durch den täglichen Umgang mit dem Tod) auch darauf vorbereitet fühlen mag. Ersthelfer berichten davon, wie sie immer wieder aufs Neue erschüttert sind, insbesondere bei Unfällen oder beim Tod von Kindern. Da gibt es kein Abstumpfen, und das ist, glaube ich, auch gut so. Die sexuelle Lust ist hingegen sehr anfällig, sie lässt sich in langjährigen Beziehungen oftmals ohnehin schwer aufrechterhalten (wie viele Paartherapien zeigen). Die Frage, ob eine tagtägliche Konfrontation damit (sei es nun berufsmäßig oder durch täglichen Pornokonsum o. ä.) in irgendeiner Weise einen Einfluss darauf hat, finde ich deshalb durchaus berechtigt.

Ich danke dir in jedem Fall herzlich für deine ausführliche Auseinandersetzung mit meinem Text und deine Anregungen. LG Irma
(Antwort korrigiert am 10.02.2014)

 Emotionsbündel meinte dazu am 18.02.14:
Hallo Irma,
nun möchte ich doch noch mal zu deinen Worten Stellung nehmen, die mich einerseits erfreuten, andererseits erstaunten.
Vielleicht fehlt mir die richtige Einstellung bzw. der nötige Ernst für diesen Text, auf jeden Fall habe ich Probleme, die Aussage, die Thematik, nämlich den Libidoverlust resultierend aus der Berufstätigkeit, so wie es in deinem Text rüberkommt, 'endgültig' zu akzeptieren.
Und genau aus diesem Grund stellte ich mir die Frage, auf was sich deine Aussage im Text stützt, ob es eigene Erfahrungen oder Erzählungen sind oder es lediglich eine Annahme ist!?
Damit meinte ich natürlich nur, ob du oder jemand aus deiner Familie oder deinem Freundes- und Bekanntenkreis in diesem Berufsfeld arbeitet, ob möglicherweise sogar jemand als Gynäkologe tätig ist und ebensolche Erfahrungen macht, ob halt jemand als 'Betroffener' Entsprechendes berichtet hat!? .... wohlgemerkt immer auf die Thematik 'Libidoverlust' bezogen - und da konnte ich jetzt mit der Schilderung deiner eigenen 'Frauenarzterfahrungen' nichts anfangen bzw. nicht nachvollziehen, ob dein in der Tat etwas merkwürdiger Arzt auf Grund seiner Tätigkeit an Libidoverlust leidet.

Den Vergleich mit dem Bestatter finde ich durchaus passend, geht es dabei doch um das Geschäft Tod und deren Abwicklung, ist also eher eine emotionslose Geschichte, wie es auch bei der 'Fließbandarbeit' eines Gynäkologen sein wird/sollte - und dennoch stumpft der Beruf nicht ab. Warum sollte ein Gynäkologe 'zuhause keine Lust mehr haben' bzw. ein geschäftstüchtiger Bestatter nicht am Grabe seiner Frau weinen?
Den von dir erwähnten Ersthelfer möchte ich auf gar keinen Fall mit einem Bestatter in einen Topf werfen, da dieser unmittelbar, immer wieder in einer neuen Situation Leben und Tod gegenübersteht und eventuell direkt am Ausgang der Situation beteiligt ist. Das kann man doch gar nicht mit den Geschäftsabläufen eines Bestatters vergleichen.
Genauso unpassend finde ich auch die Erwähnung der sexuellen Lust in einer (langjährigen) Beziehung an sich, ob die sich nun schwer aufrechterhalten lässt oder nicht.
Ich möchte diese Tatsache nicht mit der Thematik deines/dieses Textes vermischen.

Zum Schluss bleibt noch die geänderte Stelle "die Mamma/die Brust": Die Änderung gefällt mir insofern, da die Brust nicht mehr nach erklärendem Zusatz klingt, sondern sich flüssig in den Text fügt. Allerdings liest es sich für mich wie eine Stilblüte: "Die Brust der reizenden Gattin erwartet ihn spät
am Abend." Hehe, da steht die Brust in der Tür und wartet ...

Nichts für ungut, Irma.
Ich wollte dir wenigstens noch mal meine Gedanken hierlassen.

Liebe Grüße,
Judith

 Irma meinte dazu am 18.02.14:
Liebe Judith,
"der nötige Ernst" ist in diesem Fall gar nicht unbedingt vonnöten, denn das Sonett wurde mit einem leichten Augenzwinkern geschrieben. Die Brust der (auf-)reizenden Gattin steht insofern jetzt anscheinend genau richtig in der Tür! Sie wartet sehnsüchtig auf den guten Mann, in heiße Reizwäsche gepackt ... )

Ob meine Gedichte die von mir erwünschte Wirkung bzw. welche Art von Wirkung sie beim Leser erzielen, finde ich immer eine äußerst spannende Frage. Insofern freue ich mich über jede Art von Rückmeldung, auch über deine nochmalige und sehr ausführliche. Hab ganz herzlichen Dank dafür! Viele Grüße, Irma
(Antwort korrigiert am 18.02.2014)
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