Des Guten zu viel

Glosse zum Thema Sorgen

von  loslosch

Qui monet, quasi adiuvat (Plautus, ~254 v. Chr. bis ~184 v. Chr.; Curculio). Wer ermahnt, ist quasi hilfreich. Oder: Warnen ist auch helfen.

In dieser Verallgemeinerung sehr anfechtbar. Wie war es um das Erziehungsgebaren der Mütter aus der Generation der Trümmerfrauen (Geburtsjahrgänge 1896 bis 1931) bestellt? Zumindest die jüngeren von ihnen lebten ständig in Angst und Sorge um das Wohl und Wehe ihrer kleinen Plagen, vor allem wenn es Einzelkinder waren. "Zieh dir lange Unterhosen an!" "Lauf nicht barfuß herum!" "Streif die Jacke über und nimm den Schal um den Hals!" Mach dies, mach jenes. Es war zum Gotterbarmen. Wenn das alles nichts half, folgte die fürsorgliche Drohung mit dem baldigen Tod oder seinen Frühformen (Mittelohrentzündung, Nierenbeckenentzündung, Lungenentzündung und so fort). Gehäufte Ratschläge wurden von den lieben Kleinen meist als Störung oder Belästigung empfunden und in den Wind geblasen.

Warnen heißt also nicht selten auch stören oder belästigen. So war es oft in den Nachkriegsjahren. Die Generation der zwischen 1935 und 1950 Geborenen kann ein Liedlein davon singen.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (11.02.14)
Ein schön wahrer Text. Aus eigener Erfahrung kann ich etwas beisteuern, das in eine ähnliche Richtung geht (aber nicht in Latein): "Oma zeigt!"

P.S.: Von dem, was Oma gezeigt hat, habe ich nichts im Kopf behalten.
MelodieDesWindes (36) meinte dazu am 11.02.14:
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 loslosch antwortete darauf am 11.02.14:
die omma kann einem schon mal auf den zeiger gehen.

@MDW: eher wenige. bei andreas baader, jg . 1943, wars zb so: er bekam von betuchten eltern als kind viel knete, aber kaum zuwendung.

 EkkehartMittelberg (11.02.14)
ja, es gibt immer wieder gut gemeinte Mahnungen von Erziehenden, die nerven.
Auch jene Mahnungen gehen einem auf den Senkel, in denen die Mahner primär ihre Klugheit dokumentieren wollen.

 loslosch schrieb daraufhin am 11.02.14:
wenn die mutti spürt, dass der 13jährige ihr "geistig" überlegen ist, könnte das in der tat ein motiv sein ...

 Regina (11.02.14)
Kleine Kinder durch eine lebensfeindliche Umgebung wie Krieg, Bombennächte, Mangelwirtschaft und Trümmerfelder zu ziehen, ist halt für Mütter eine kaum zu verkraftende Nervenbelastung. Später kommt die Angst vor diesen Entzündungskrankheiten dazu, gegen die vielleicht nicht so selbstverständlich Medikamente zur Verfügung standen wie heute. Das alles war nicht geeignet für Coolness, neben dem Zeitgeist, der nach dem Krieg irgendwo zwischen NS und Amerikanisierung torkelte. Erziehungsmethoden wurden wenig reflektiert, es ging ums Überleben. Fragwürdig ist, warum sie als Mütter den Hitlerworten "Ich will eine Jugend, zäh wie Leder, hart wie Kruppstahl und flink wie Windhunde" zugejubelt haben. Vor dem Krieg.

 loslosch äußerte darauf am 11.02.14:
ich schrieb: "Die Generation der zwischen 1935 und 1950 Geborenen kann ein Liedlein davon singen."

nach dem treffenden kommentar sollte ichs ändern, statt 1950 besser 1954.

 niemand (11.02.14)
Lothar, wer möchte schon jemanden den er liebt verlieren?
Ist es nicht verständlich, dass da die Mütter ein wenig über fürsorglich waren in solchen schweren Zeiten?
Klar, den Blagen war es lästig, aber wenn sie krank wurden, dann wurde gejammert. Heutzutage, wenn man bedenkt, was der Nachwuchs alles machen kann, ohne jegliche Fürsorge etc. könne man denken die Mütter wollten ihn wohl eher loswerden Heutzutage würden viele die Blagen am besten dem Staat auf die Backe drücken, so wenig wie sie bereit sind Verantwortung/Fürsorge für diese zu übernehmen. Mit herzlichen Grüßen, Irene

 loslosch ergänzte dazu am 11.02.14:
"wer möchte schon jemanden den er liebt verlieren?"

in deiner annahme (LIEBT) steckt des guten zu viel. mehr möchte ich nicht verraten.

das andere stimmt.

 niemand meinte dazu am 12.02.14:
Da kommst du eh nicht auf den "richtigen" Nenner -
wie man es macht, ist letztendlich oft mit einem "falsch" belegt. Lässt du das Kind z.B. nicht gegen Kinderlähmung impfen, weil du es nicht zwingen/bevormunden willst und es erkrankt daran, wird es dir ein Leben lang Vorwürfe machen und dieses ist nur ein ziemlich tragisches Beispiel, davon gäbe es dann noch abertausende, von der leichteren Sorte wie: Warum hast du mir dieses nicht gesagt und zu jenem nicht gedrängt (z.B. ein Kind, welches als Erwachsener merkt, dass ein Musikunterricht in Kindertagen sich nun "auszahlen" könnte) etc.
Kindern ist oft alles zu viel, was ihnen später fehlt und was man nicht mehr ändern kann. Heutzutage fragen manche stets: Kann ich dem Kind diese /jene Bevormundung zumuten und muten ihm dann letztendlich nix zu, mit oft nicht so gutem Ausgang. Wie gesagt, man kommt im Endeffekt nie auf einen befriedigenden Nenner. LG Irene

 ViktorVanHynthersin (11.02.14)
Zwar bin ich Jahrgang 1963, aber die Sprüche durfte ich z. T. auch noch hören )
Herzliche Grüße
Viktor

 loslosch meinte dazu am 12.02.14:
von der mutter mit eigenen kriegserinnerungen? lo

 ViktorVanHynthersin meinte dazu am 12.02.14:
so ists )
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