Entschlafen

Kurzprosa zum Thema Tod

von  Regina

Dieser Text gehört zum Projekt    Texte vom Tod.
Die Jüngste steht an meinem Bett, so wie sie immer ist: gut aussehend, sportlich, chic, zuverlässig  und ungemein präsent. Die anderen sind nicht gekommen. Sie hat es besser gehabt als ihre Geschwister. Jüngere haben es oft leichter. Erfahrenere Eltern. Andere Zeiten. Warum hängt sie so an mir? Jetzt wird sie am meisten leiden. Die anderen haben sich schon gelöst. „Mama“, sagt sie, „was ist los?“ „Ich kann die Augen nicht mehr öffnen“, sage ich. Da dreht sie sich um, geht hinter die Zwischenwand, ins andere Zimmer, zur Haustür hinaus. Einmal öffne ich noch kurz die Augen. Sie ist gegangen. Sie muss da durch, da ist nichts zu machen. So wie ich sie kenne, wird sie es nach außen hin niemandem zeigen. Ihr Bruder wird heulen, ihre Schwester wird jammern. Dann werden sie sagen, dass es der Lauf der Dinge sei und zur Tagesordnung übergehen. Aber sie wird ihren Schmerz verbergen und stark sein wollen. Ich kenne sie. Sie hat nie was gesagt, auch nicht von Liebeskummer oder so. Und man durfte nicht fragen, das machte sie nervös. Sie macht es mit sich selber ab, alleine und tiefer.
Dann schlafe ich wieder ein. Der Arzt kommt, zieht seine Instrumente aus der Tasche, untersucht, macht ein ernstes Gesicht. Es ist vorbei.

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Kommentare zu diesem Text

BellisParennis (49)
(15.02.14)
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