Furcht verbindet

Fabel zum Thema Angst

von  EkkehartMittelberg

Im Schatten einer Eiche stand eine Margerite. Ein Marienkäferchen kletterte an deren Stengel empor, um ihr vertraulich etwas ins Ohr zu flüstern. Auf halbem Wege wurde ihm schwindlig, und es rief hinauf. „Mir wird erst jetzt bewusst, wie furchterregend groß du bist!“

„Tröste dich, das dachte ich auch gerade, als ich in die Krone der Eiche empor blickte“, entgegnete die Margerite.

Die Eiche hatte ein feines Gehör, und es war ihr nicht entgangen, was sich zu ihren Füßen abspielte.
So raunten ihre Blätter nach unten: „Freunde, wer von uns ist ohne Furcht? Sie befällt auch mich, wenn am Himmel Blitze zucken.“

© Ekkehart Mittelberg, Februar 2014

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (21.02.14)
Größe ist eben immer eine Frage der Perspektive - und der eigenen Existenz.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Danke, Trekan. Das könnte die sogenannte Lehre der Fabel sein.
Zweifler (62)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 21.02.14:
Merci, wenn du es so nennen willst. Man könnte auch sagen: Warnung vor Selbstüberschätzung.
Zweifler (62) schrieb daraufhin am 21.02.14:
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 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 21.02.14:
Das wird selbstverständlich akzeptiert.^^

 susidie (21.02.14)
Es gibt wohl immer etwas, was über uns steht, egal wo wir stehen. Wie klein, wie groß wir meinen zu sein. Nach oben kein Ende. Das sollte uns Menschen doch verbinden. In Furcht oder eher Ehrfurcht. Und außerdem mag ich hier den "Schutzgedanken", im Schatten einer Eiche - von oben nach unten. Schöne Interpretationsmöglichkeiten, lieber Ekki, mit vielen Lehren.
Herzlichen Gruß von Su

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 21.02.14:
Grazie, Su, ich habe nur geahnt, dass die Fabel nicht eindimensional ist.^^
Herzliche Grüße
Ekki

 Fuchsiberlin (21.02.14)
Furcht kann einander verbinden, dadurch kann ein Verständnis für die Angst des anderen entstehen. Empathie könnte hierbei durchaus auch das emotionale Zauberwort sein.

LG
Jörg

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Vielen Dank, Jörg. Klar, dass es Schöneres sein kann, das verbindet. Aber ich halte es durchaus für möglich, dass gemeinsame Furcht zu Empathie führt.
LG
Ekki

 Dieter Wal (21.02.14)
Dein Grünzeug und das Käferlein sind mit einem Wort gottgläubig, und das auch noch pantheistisch. Sodom und Gomorra.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Vielen Dank, Dieter, du meinst "gottgläubig" wegen der zuckenden Blitze. Man kann es so deuten, muss es aber nicht.

 Didi.Costaire (21.02.14)
Eine Art Majestix der Natur.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Merci, Didi. "Majestix" ließ mich schmunzeln.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa (21.02.14)
Hallo Ekki,
ich mag diese Fabel sehr, den Umgang, den deine Protagonisten miteinander pflegen, der getragen ist von gegenseitiger Achtung, von Achtsamkeit auch gegenüber dem jeweils Kleineren, fernab von Standesdünkelnn und Überheblichkeit.
Man sagt zwar, dass die Angst vor einem gemeinsamen (äußeren) Feind (im Inneren) eint. Das scheint mir aber in deiner Geschichte gar nicht das Thema zu sein. In mir hinterlässt sie das Gefühl: in diesem gewaltigen Universum sind wir alle bloß Staubkörnen, da macht es kaum noch einen Unterschied, ob du Milbe oder Elefant bist.
Es ist hier weniger die Furcht, die verbindet, meine ich. Es ist eher die Offenheit, das Eingeständnis, dass es für jeden etwas gibt, wovor er sich fürchtet; das auch vor den anderen, zuzugeben und wechselseitig auf einander zu achten. Ja, so würd man sich das wünschen unter uns Staubkörnern!

Liebe Grüße,
mona

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Grazie, Mona. Welch schöner Kommentar. Ja, es ist in meinem Sinne, dass du die Offenheit, das Eingeständnis der Furcht unter Staubkörnern pointierst.
Liebe Grüße
Ekki
chichi† (80)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Vielen Dank, Gerda. Ja, das ist auch eine Möglichkeit der Deutung. Man hätte die Fabel auch betiteln können: "Größe ist relativ."
Marienkäfergrüße
Ekki
Gringo (60)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Liebe Gringorette, ich habe lange überlegt, ob ich deinen Vorschlag "Verletzlichkeit" übernehmen sollte, weil mir diese Wortwahl eine Spur besser gefällt. Aber die Fabel bereitet die Überschrift "Furcht verbindet" vor und nicht "Verletzlichkeit verbindet".
Vielen Dank für deine Nachdenklichkeit und liebe Grüße
Ekki
Scrag (28)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Gracias, Markus. Die Phobie großer Menschen vor kleinen Tieren, sie ist schon seltsam.
Ich habe keine Furcht vor Spinnen. Aber man sollte sich vor Spinnern in Acht nehmen und sie nicht ermutigen. Sie richten viel Unheil an.
LG
Ekki

 ViktorVanHynthersin (21.02.14)
Lieber Ekkehart,
vielen Dank für die Anregung. Meiner erster Gedanke galt den Schicksalsgemeinschaften, die sich gemeinsam den Herausvorderungen stellen. Ich denke aber auch, dass die Paarungen ungleich sein können - siehe Stockholm-Syndrom.
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Merci, Viktor. Ich gebe zu, an die Schicksalsgemeinschaft gedacht zu haben, nicht an das Stockholm-Syndrom, obwohl es unter dem Stichwort "Furcht" hochinteressant ist. Du regst mich an, darüber eine Fabel zu schreiben.
Herzliche Grüße
Ekki
Pocahontas (54)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Grazie, Sigi. Menschen, die vor nichts Furcht empfinden, haben einen wesentlichen Teil ihrer Menschlichkeit eingebüßt.

An der Furcht vor Größe sollte man jedoch arbeiten, indem man sich zum Beispiel klarmacht, dass die Großen (Eiche-Blitze) nicht weniger gefährdet sind als die Kleinen.

Liebe Grüße
Ekki
LancealostDream (49)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Gracias, Lanze. Ich weiß, dass du es scherzhaft gemeint hast und antworte dennoch ernsthaft: Nicht selten hat Furcht Kleinmütige zu besinnungslosen Aktionen getrieben.
LG
Ekki

 AZU20 (21.02.14)
Schön die Perspektiven ausgelotet. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Vielen Dank, Armin. Ja, die Perspektive läuft sich von Station zu Station nach oben.
LG
Ekki

 irakulani (21.02.14)
Nicht alles/jeder, was/der nach außen stark erscheint ist, frei von Furcht.
Ein eher ungewöhnlicher, aber sehr feiner Zug der Eiche ist, dass sie ihre Furcht mit der des Marienkäferchens gleichsetzt. Das kommt in der Realität (leider) eher selten vor.

Aber es ist ja auch eine Fabel, lieber Ekki - die uns etwaas lehrt

Herzliche Grüße,
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Grazie, Ira. Die Eiche hat nicht weniger Grund sich zu fürchten als das Marienkäferchen, aber es stimmt: Dass sie ihre Furcht eingesteht, ist sympathisch und in der Realität eher selten.
Gerzliche Grüße
Ekki
Lena (58)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Grazie especiale, Arja. Ja, indem die Eiche sich nichts vormacht und sich nicht über das Marienkäferchen erhebt, zeigt sie echte Größe.
Liebe Grüße
Ekki
wa Bash (47)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Vielen Dank, wa Bash. Ich kenne Star Wars nicht. Deswegen war das Thema für mich nicht so geläufig.^^ Aber schön, dass es dir dennoch gefallen hat.

 TassoTuwas (21.02.14)
Mit einem kleinen Text den Kosmos erklären, einfach gigantisch!
Und wenn sich die Furcht zu Ehrfurcht wandelt, ist die Welt im Reinen.
Herzliche Grüße vom beeindruckten TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 21.02.14:
Grazie Tasso. Angesichts des Kosmos darf jeder ehrfürchtig sein, gleichgültig, ob er religiös ist oder Atheist.
Herzliche Grüße
Ekki
gaby.merci (61)
(21.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.14:
Besonderen Dank,, Gaby, für diesen prägnanten Kommentar, der es auf den Punkt bringt.
LG
Ekki
ichbinelvis1951 (64)
(22.02.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 22.02.14:
Das ist ein sehr gescheiter Hinweis, Klaus. Vielen Dank! Ich möchte ihn leider deshalb nicht einbauen, weil ich die senkrecht nach oben verweisende Linie vom Marienkäferchen über die Margerite, die Eiche in den Himmel verwischen würde.
Liebe Gruß zurück
Ekki
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