Der Druide von Detmold

Anekdote zum Thema Esoterik

von  Kleist

Meine Frau und ich machten einmal Urlaub in Ostwestfalen/Lippe. In Detmold suchten und fanden wir einen Platz zum Frühstücken: Ein Café direkt am zentralen Platz des Ortes. Wir nahmen draußen an einem Tisch Platz.
Unweit von uns, vor einem Denkmal, stand ein älterer Mann, dem Aussehen nach eine Art keltischer Druide, und spielte auf einer Flöte einfache, aber gekonnt vorgetragene getragene Melodien. Er hatte lange angegraute Haare und einen ebensolchen Bart, trug ein wallendes hellblaues Gewand und war barfuß. Vor sich hatte er, offenbar für Geldspenden, einen silbrigen Kelch aufgestellt.
Während er so spielte und wir frühstückten, hatte ich daran gedacht, ihm etwas Geld zu spenden, da ich seine Musik durchaus genoss. Wenig später war die Flöte allerdings verstummt und den Druiden hatte ich auch aus den Augen verloren und mich ganz dem Frühstück und dem Gespräch über unseren Urlaub gewidmet - bis der besagte Druide an unserem Nebentisch auftauchte, an dem zwei etwa vierzigjährige männliche Rucksacktouristen saßen.
Der Sommerwind wehte Teile des Gesprächs zu uns herüber: Der Druide war offenbar eine Art Wanderprediger, der die Heiligen Schriften ausgiebig studiert hatte. Wir alle seien zur Strafe für Verfehlungen in früheren Leben hier auf diesem Planeten inkarniert, gekettet an einen Körper, der uns zwingt, zu seiner Erhaltung zu essen und zu trinken, und der uns der Schwerkraft und der Notwendigkeit zur Körperhygiene unterwirft, so dozierte er.
Als Gegenmittel empfahl er, was ihn sein Schriftstudium gelehrt hatte: den wahren Gottesnamen, das Passwort des Universums. Und es wirkte, als sei er bereit, das magische Wort zu verraten, wenn man ihm irgendwie entgegen käme.
Einer der beiden Rucksacktouristen lehnte das jedoch barsch ab. Das Passwort interessiere ihn genau so wenig wie dieser spirituelle Spinnkram. Er sei Polizeibeamter und einer von der bodenständigen Sorte.
Doch da drehte der Druide erst richtig auf: Polizist? Viele derjenigen, die diesen Amtseid geschworen hätten, würden erst nach der Rente gewahr, auf was für einen Pakt mit dem Teufel sie sich da eingelassen hätten. Aber da sei es zu spät ... So und ähnlich beleidigte er den Beamten mit ausgesuchten, fast höflich klingenden Worten.
Meine Frau drohte, sie würde laut losschreien, falls der Mann uns in ein ähnliches Gespräch verwickeln sollte. Sie reagiert immer äußerst allergisch auf alle Arten von religiösem Geschwurbel, gerade wenn es allzu missionarisch daherkommt.
Als ich mich kurz darauf noch einmal nach dem Druiden umsah, hatte der sich mit dem Reisegefährten des Polizisten einige zehn Meter weiter – und leider außerhalb unserer Hörweite – unter einen Baum zurückgezogen. Offenbar wurde hier gerade das Passwort zum Universum weitergegeben.
Und irgendwie fand ich es schon schade, dass mir jetzt sozusagen die Pointe der Geschichte entging. Wer weiß: wäre ich alleine unterwegs gewesen, hätte ich mich vielleicht auch initiieren lassen – falls der Alte mich als würdig angesehen hätte, das Geheimnis mit ihm zu teilen.

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Kommentare zu diesem Text

Graeculus (69)
(01.03.14)
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 Kleist meinte dazu am 02.03.14:
Kann ich nicht so ganz beurteilen. Ein gewisses Hochgefühl der eigenen Erwähltheit hatte der Druide aber ganz bestimmt.

 loslosch (01.03.14)
deine frau verdient jegliche moralische unterstützung.

 Kleist antwortete darauf am 02.03.14:
Natürlich!

 Dieter Wal (01.03.14)
Beneide dich um den Druiden. Es gibt viel zu wenige originelle Verrückte.
(Kommentar korrigiert am 02.03.2014)

 Kleist schrieb daraufhin am 02.03.14:
Ja. Ich kann mich an solchen Menschen auch meistens erfreuen, und ich bin manchmal wohl auch einer von der Sorte.

Und das war ja noch eine harmlose Begegnung. Ich weiß nicht, wie ich reagieren würde, wenn ich so jemanden im Freundeskreis hätte.

 Regina (02.03.14)
Vielleicht ein Spinner oder ein Betrüger. Druiden haben zur Zeit nichts zu sagen. Aber mir ist was Ähnliches passiert.

 Kleist äußerte darauf am 09.03.14:
"Spinner", "Betrüger", "Druide", ...

Wie heißt es auf gut norddeutsch: Wat den een sin Uhl, is den annern sin Nachtigall!

 HarryStraight (20.08.15)
Ja, warum auch nicht, wenn einer meint das Passwort zu kennen, dann kann man ihm doch mal ruhig zuhören. Dann kann man ja noch entscheiden, ob das "Geschwurbel" ist, wie du es so schön ausgedrückt hast.

 Kleist ergänzte dazu am 16.09.15:
Wie gesagt: wenn ich alleine gewesen wäre, hätte ich mich vielleicht mit ihm unterhalten.

... wir haben schon überlegt, mal mit einer Gruppe nach Detmold zu fahren und ihn zu suchen. Könnte eine interessante Mission werden.
(Antwort korrigiert am 16.09.2015)

 Dieter_Rotmund (04.12.18)
"laut los schreien": Neee, entweder

"lautlos schreien"

oder

"laut losschreien".

Ansonsten gerne gelesen!

 Kleist meinte dazu am 05.12.18:
Danke!
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