Unwiederbringlich

Alltagsgedicht zum Thema Vergänglichkeit

von  EkkehartMittelberg

ist das unbeschwerte Lachen der Jugend,
die erste große Liebe,
die alles in Sonnenlicht tauchte,
die erste Lektüre,
die man auch physisch verspürte
als wildes Herzschlagen, als Gänsehaut,
das jugendliche Feuer, das glaubte,
die Welt von Grund auf verändern zu können,
das Vertrauen in Worte,
die sich noch nicht abgenutzt hatten.

Du weißt das und verfällst
in Melancholie, die du manchmal
selbstironisch genießt.
Doch wenn die Anwandlung vorbei ist,
erkennst du,
dass jeder Lenz Blüten bringt,
die du noch nicht entdeckt hast,
dass aus den Trümmern jeder Revolution
etwas Neues sprießt,
dass Worte, die du als verbraucht
überhören wolltest,
in einem neuen Kontext stehen,
dass Liebe jeden Tag aufs Neue
gegen Zerstörung kämpft,
dass du noch immer Unwiederbringliches erfahren kannst,
wenn du dich offen hältst

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Kommentare zu diesem Text

Nimbus (38)
(07.03.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Merci, Heike, du hast meine Intention nicht falsch verstanden. Das Prinzip des Gedichts ist Hoffnung. Und was am Ende ist, wir wissen es nicht. Lassen wir uns tragen im Vertrauen auf den Sinn der Schöpfung.
LG
Ekki
(Antwort korrigiert am 07.03.2014)

 TrekanBelluvitsh (07.03.14)
Trotz oder gerade wegen der Überschrift ein echter Mutmacher. Schön auch dass du das hier
"dass Liebe jeden Tag aufs Neue
gegen Zerstörung kämpft"
mit hereingebracht hast. Den es gibt auch Niederlagen, manchmal sogar katastrophale Niederlagen.

Aber auch wenn ich das neulich schon einmal unter einen Text zitiert habe:

"Jemand hat mir mal gesagt, die Zeit würde uns wie ein Raubtier ein Leben lang verfolgen. Ich möchte viel lieber glauben, dass die Zeit unser Gefährte ist, der uns auf unserer Reise begleitet und uns daran erinnert, jeden Moment zu geniessen. Denn er wird nicht wieder kommen. Was wir hinterlassen, ist nicht so wichtig, wie die Art, wie wir gelebt haben; denn letztlich (...) sind wir alle nur sterblich."

Jean-Luc Picard, in: Star Trek: Treffen der Generationen

 EkkehartMittelberg antwortete darauf am 07.03.14:
Vielen Dank für den einfühlsamen Kommentar, Trekan, den ich so gerne unterschreibe.
Zweifler (62)
(07.03.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 07.03.14:
Es ist ganz in meinem Sinne, dass du den zweiten Teil des Gedichts metaphorisch als Frühling verstehst, Zweifler.
Vielen Dank!
Ekki

 Jorge (07.03.14)
Eine Lebenserfahrung, die zunächst melancholisch macht, ja fatalistisch scheint und dann aber kraftvoll in einen Optimismus wandelt, der anstecken kann.

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 07.03.14:
Schön, wie du den inneren Vorgang des Gedichts nachgezeichnet hast, Jorge.
Gracias
Ekki

 monalisa (07.03.14)
erkennst du,
dass jeder Lenz Blüten bringt,
die du noch nicht entdeckt hast,
ja genau! Solange das so ist, hat das Leben Glanz und Fülle und Sinn, mögen da auch immer wieder Momente sei, die daran zweifeln lassen.
An mir selbst merke ich, dass ich, je mehr dieser unwiederbringlichen Augenblicke ich erlebt, desto achtsamer mit den gegenwärtigen umgehe, auch in dem Wissen, dass die zahl der zukünftigen begrenzt ist.

Sehr schöne Gedanken, lieber Ekki, in denen ich mich und meine Hoffnungen wiederfinde.

Liebe Grüße,
mona

 EkkehartMittelberg ergänzte dazu am 07.03.14:
Grazie Mona, ja, die Achtsamkeit im Umgang mit unwiederbringlichen Augenblicken ist mir wichtig. Mit kommt es auch so vor, als würde ich sie mit fortschreitendem Alter intensiver erleben. Vielleicht eine Selbsttäuschung, aber eine beglückende.
Liebe Grüße
Ekki
Pocahontas (54)
(07.03.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Grazie, Sigi, ja, du hast Recht. Das Unwiederbringliche immer wieder neu erleben zu können, ist eher Glück als Verdienst. Doch trotz aller Schicksalsschläge liegt es auch an jedem Einzelnen, es zu wollen. Aber wenn das Schicksal stärker ist als der Wille, verbietet sich jedes Moralisieren.

Liebe Grüße
Ekki
chichi† (80)
(07.03.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Danke, Gerda, man muss sie nur sehen und dankbar sein, wenn man sie sehen kann.
LG
Ekki

 sensibelchen13 meinte dazu am 07.03.14:
Ja, lieber Ekki, ich bin da ganz Gerdas Meinung und schließe mich ihr gerne an.
Lieben Gruß
Helga
Fabi (50)
(07.03.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Vielen Dank, Fabi, es gibt Fatalisten, die über fehlende Kraft schwadronieren, sie aber nie ernsthaft erprobt haben, und es gibt Menschen, denen eine menschenverachtende Umwelt und, oft damit einhergehend, eine psychische Erkrankung die Kraft genommen haben. Manchmal ist jemand in der Lage, sie neu erstehen zu lassen. Wunder geschehen immer wieder.
LG
Ekki
Fabi (50) meinte dazu am 07.03.14:
Diese Antwort ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 susidie (07.03.14)
In vielen Phasen verläuft unser Leben und jede für sich hat ihren eigenen Charme, ihre eigene Spannung, ihre Liebe und Freude, ihre Flamme und auch Asche.
Die - für mich - dazu wichtigsten Erkenntnisse und Erfahrungen gipfeln im Schlusssatz. Ein wundervoller Text, Ekki.
Namasté und lieben Gruß aus Goa von Su (auf den Spuren von Unwiederbringlichem) :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Grazie,Su, du betonst zu Recht die Bedeutung des Schlusssatzes. Damit stellt sich die Frage, wie man diese Offenheit gewinnt. Es gibt kein Patentrezept für alle. Religionen, Philosophien, Psychotherapeuten bieten unterschiedliche Wege an, und jeder muss seinen finden. Ich denke, Dichtung kann dabei nur Anstöße geben, denn wenn sie versucht, Lebenshilfe zu sein, rutscht sie meistens ins Platte ab.
Die Spuren in Goa zu finden, stelle ich mir sehr spannend vor. Du wirst erfolgreich sein, weil du Pfadfinderin bist.^^
Glückauf
Ekki
MarieM (55)
(07.03.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
"trotz alle dem, und die aufgeschlossenen leuchtenden Augen und die Frühlingslippen zu bewahren, den Frühlingsmund."

Sehr schöne Metaphern für Offenheit, Marie.

Dieses wilde Herzklopfen, die Gänsehaut erlebte ich zum ersten Mal als 16jähriger bei der Lektüre von "Die Gebrüder Karamasov" von Dostojewski. Hier erlebte ich idealtypisch unterschiedliche Wege der Welt zu begegnen.
Die "Ansichten eines Clowns" thematisieren das auch. Nicht schlechter, nur anders.
Gracias
Ekki

 irakulani (07.03.14)
Gelebtes Leben ist unwiederbringlich. Das ist schön und traurig zugleich. Wer sich aber eine solche Einstellung wie du zu eigen macht und bewahrt, lieber Ekki, nämlich offen zu sein jeden unwiederbringlichen Moment, den uns Leben immer wieder neu schenkt, der gewinnt:
Zuversicht, neue Einsichten, neue Erfahrungen, neues Glück- bis zum letzten Atemzug!
Ich gratuliere all denen, denen es glingt sich dies immer mal wieder bewußt zu machen, so wie du es für uns durch dein Gedicht getan hast!

L.G.
Ira

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Ja, Ira, wenn die Offenheit gelingt, bringt sie Zuversicht, neue Einsichten, neue Erfahrungen, neues Glück"
Ich danke dir für diese Zusammenfassung des Begriffs Offenheit.
LG
Ekki
Gringo (60)
(07.03.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Welch schöner Wunsch! Ich danke dir herzlich, Gringorette.
Liebe Grüße
Ekki

 Fuchsiberlin (07.03.14)
Ein Text der hoffnungsgebend sein kann, auf jeden Fall hoffnungsvoll rüberkommt.

dass Liebe jeden Tag aufs Neue
gegen Zerstörung kämpft,
dass du noch immer Unwiederbringliches erfahren kannst,
wenn du dich offen hältst.

Ein schöne Abschluß. Und ein wahrer. Nicht immer und nicht für jeden leicht umsetzbar. Doch die Chance, dass dies gelingen kann, die existiert.

LG
Jörg
(Kommentar korrigiert am 07.03.2014)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Gracias, solange die Chance besteht, sind wir offen wie ein Scheunentor, nicht wahr, Jörg. ))

 Didi.Costaire (07.03.14)
Hallo Ekki,
selbst schon ein ziemlich alter Sack, kann ich deine Zeilen nur bestätigen.
Liebe Grüße, Dirk

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Merci, das freut mich sehr, Dirk.
Liebe Grüße
Ekki
(Antwort korrigiert am 07.03.2014)

 AZU20 (07.03.14)
Diese Hoffnung, die ich auch hege, hast Du sehr gut zu Papier gebracht. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Es ist mir wichtig zu wissen, dass du diese Hoffnung teilst, Armin. Danke!

 TassoTuwas (07.03.14)
Mag paradox klingen.
Je reicher das Leben, das Erleben, das Wahrnehmen des Lebenswerten war, umso leichter fällt es, die Unwiederbringlichkeit zu akzeptieren.
Liebe Grüße TT

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 07.03.14:
Merci, Tasso, ja, es ist merkwürdig, dass machmal auch das Paradoxe wahr ist.
Liebe Grüße
Ekki

 ViktorVanHynthersin (10.03.14)
Lieber Ekkehart,
gerade wenn etwas unwiederbringlich ist, haben wir die Chance zu erkennen wie kostbar der Moment war, den wir erleben durften. Du hast ein nichtalltägliches Alltagsgedicht geschrieben - gerne gelesen.
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 10.03.14:
Vielen Dank für dein Kompliment, Viktor.
Herzliche Grüße
Ekki
Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram