Kapitel 2

Parodie

von  shinai

Hoch oben auf dem Olymp hockte Zeus auf einem goldenen Schemel und schmollte. War er nicht der Höchste der Götter? War er nicht etwa der Gott mit den Blitzen? Hatte er nicht zu befehlen? Nach allgemeinem Dafürhalten, und das hätten ihm Myriaden verdriesslicher Ehemänner bestätigt – nein.

Zwar lasen sich die Geschichten der Menschen so, als sei er wirklich Herr der Lage, mehr oder weniger zumindest, sah man einmal vom Trojanischen Krieg, der Odyssee und gewissen anderen Episoden ab, aber Propaganda war das eine, die Realität etwas ganz anderes, und allein der Umstand, dass die Menschen nichts von seinem Schicksal ahnten, bewahrte ihn vor millionenfachem, verständnisvollem Schulterklopfen.

Er hätte es schlechter treffen können, vermutete Zeus, und anfangs war alles bestens gewesen. Damals, als die Welt noch jung, und die Götter unbeschwert waren, glich das Zusammenleben mit Hera einem ewigen Frühling, und keiner machte die Giganten so gekonnt zur Schnecke wie seine Frau – was natürlich in den Schriften der Menschen so nicht stand; das war eine Frage des Stils.

Aber dann kamen die Kinder, und Hera verwandelte sich von der holden Maid in eine Mutter. An Müttern war im Grunde nichts auszusetzen; sie waren notwendig, wollte man die eigene Art erhalten. Leider wussten die Mütter das und benahmen sich entsprechend: Aus Kichern wurde Lachen, aus Wünschen Befehle, und Ehemänner sanken auf das Niveau eines gerade noch geduldeten Übels herab, dass sich am Besten ein Hobby zulegte.

Zeus’ Versuche in dieser Hinsicht waren leider nicht mütterkonform: Ausflüge zu jungen Damen in Gestalt von Stieren, Schwänen, Goldregen und dergleichen wurden für unannehmbar erklärt, und er solle sich doch bitte mit den Blitzen zurückhalten, der Palast sei frisch renoviert und ob er sich eigentlich die Füsse abgetreten habe, ehe er besagten Palast betreten hatte?

Zeus seufzte schwer und liess einen Blitz von der einen zur anderen Hand flackern. Manchmal hatte er das Gefühl, nicht mehr gebraucht zu werden, ein schreckliches Gefühl für einen Gott, der so viel zu geben hatte – Blitze zum Beispiel. Und Kriege und Unruhen und Zorn und – so. Einst hatte es sogar einen Orakelkult gegeben, der sich auf ihn bezog, und er hatte sich alle Mühe mit den Sprüchen gemacht und Tage daran herumgekritzelt. Aber heute rannten ja alle nach Delphi zum Heiligtum seines Sohns Apollon, weil das schicker war. Ha! Was bitte war an hirnlosem Gebrabbel und mässig kreativen Deutungen schon schick?

Zeus warf den Blitz lustlos Richtung Kreta und bescherte den dortigen Fischern einen erstaunlichen Fischsegen, für den sie sich mit einem Opfer bei Poseidon bedankten. Menschen waren ja so undankbar.

Heras Stimme drang an sein Ohr und er hob den Kopf. Sie stand nicht weit von ihm entfernt und schimpfte Herakles aus, der schrecklich unglücklich dreinsah. Was auch immer die Menschen von ihr hielten, Hera war kaum nachtragend. Sie las Zeus zwar nach jeder Liäson die Leviten, aber jene Söhne und Töchter, die es in den Olymp geschafft hatten, behandelte sie wie ihre eigenen Kinder. Heute war Herakles an der Reihe:

„Warum hast du den Widder mit den goldenen Hörnern erlegt?“ fragte Hera und deutete auf das armselige Häufchen, das sich Herakles über die breiten Schultern gelegt hatte.
„Ich weiss nicht, oh Hera“, murmelte er und scharte mit den Füssen in den Wolken.
„Habe ich dir nicht gesagt, dass du das lassen sollst?“
„Ich glaube schon, oh Hera.“
„Und wie gedenkst du das wieder gutzumachen?“ Herakles zuckte hilflos mit den Schultern.
„Ich könnte was anderes jagen.“ Hera reckte das Kinn nach oben und mass ihn mit einem durchdringenden Blick.
„Das würde nicht wirklich helfen, oder?“
„Nein, oh Hera“, sagte Herakles düster.
„Na schön. Dann geh und hilf Hebe mit dem Abwasch.“
Herakles liess den Widder auf die Wolken plumpsen und wankte erleichtert davon.

Hera sah ihm nach, wirbelte herum und stolzierte zu ihrem Gatten, der sich schlimmes ahnend aufrichtete.
„Liebster“, flötete sie zuckersüss. „Du erinnerst dich doch daran, dass du dieses Glaubenserneuerungspaket gekauft hast, nicht wahr?“ Zeus überlegte.
„Habe ich das?“
„Oh ja, und es ist in vollem Gange.“
„Ähm“, machte Zeus.
„Die unbefleckte Empfängnis“, soufflierte Hera jedes Wort betonend.
„Ach die.“ Zeus winkte ab. Es hatte mit einem hübschen Bauernmädchen zu tun gehabt, und Empfängnis klang immer gut. Das „unbefleckt“ hatte sich allerdings als äusserst unbefriedigend erwiesen und ihm im Nachhinein erklärt, warum Hera damit einverstanden gewesen war.

„Das liegt doch schon Monate zurück – oh.“
„Ja, oh. Ich dachte, du willst dir sicher ansehen, wie es so läuft. Unser barbarischer Gast meint, die Angelegenheit nähere sich einer entscheidenden Phase.“
„Ach, aber da war ja nichts dabei“, murmelte Zeus.
„Empfängnis bleibt Empfängnis, und was hineingeht, muss auch wieder heraus, also hör auf mit den Blitzen zu spielen und sieh es dir an.“
„Da kommt noch mehr?“ Hera seufzte und zog ihn auf die Beine.
„Komm mit. Ich erkläre es dir auf dem Weg.“

~0~

Götter besassen ein ausgezeichnetes Gespür für Wein: Sie witterten ihn auf tausende Stadien gegen Stürme, Erdbeben, Flutkatastrophen und Vulkanausbrüche – Zeiten also, in denen Menschen praktischerweise kaum einen Gedanken an Wein verschwenden, womit die oben genannten Unglücke erklärt wären. Wer sich eine Ewigkeit an Ambrosia und Nektar halten muss, wird eben erfinderisch, und es war Heras energischem Regiment zu verdanken, dass die Zeiten ohne Naturkatastrophen jene von Katastrophen beherrschten überwogen. Nicht, dass Ambrosia und Nektar ungeniessbar wären: Sie sind nett, mehr aber auch nicht.

Und so fanden Gott und liebevoller Vater ohne Umschweife in den Keller und machten sich über den grosszügigen Weinvorrat des Gasthauses her.
„Das ist immer noch zu griesgrämig für den liebevollen Vater“, lallte Hermes, der an der hinteren Kellermauer lehnte und eine grosse Amphore liebevoll umschlungen hielt.
„Lass mich in Ruhe“, grummelte Antalos. „Geh weg.“ Er wankte durch den niedrigen Raum, durchwühlte einige Töpfe und füllte sich eine Schale mit Wein.
„Aber das ist essen… essent... wichtig. Schau mal, hier neben dem Weinfleck – tschuldige.“ Hermes versuchte den Fleck wegzuwischen und gleichzeitig die Amphore festzuhalten, was gründlich misslang: Der Fleck breitete sich über Hirten, Schafe, Ochs und Krippe aus, und der Gott kippte mitsamt der Amphore langsam zur Seite. Wein gluckerte auf den Boden.
„Pass doch auf!“ kreischte Antalos und stolperte zur Rettung.

„Ein schöner Brauch“, seufzte Hermes glücklich, als die Amphore wieder ins Lot kam, und er einen kräftigen Schluck getrunken hatte. „Das mit dem Trinken.“
„Geh weg“, nölte Antalos halbherzig, die Nase tief in der Trinkschale.
„Sag mal: Wie lange dauert so eine Geburt?“ Antalos zuckte mit den Schultern.
„Stunden?“ schätzte er und plumpste neben Hermes.
„Herrlich.“

Eine Weile sassen sie schweigend nebeneinander, tranken Wein und starrten ins Leere.

„Warum magst du mich nicht?“ fragte Hermes schliesslich. Antalos hustete.
„Du hast mir mein Leben ruiniert.“
„Das habe ich nicht! Ich habe dir eine grosse Ehre erwiesen.“
„Ich will aber keine Ehre“, rülpste Antalos vage und leckte seine Trinkschale aus. Neben ihm machte Hermes seltsame Geräusche. Oh nein, dachte Antalos.

„Das ist nicht gerecht“, schluchzte Hermes. „Ich bin doch nur der Bote. Warum hassen alle den Boten?“ Tränen liefen in wahren Sturzbächen über das verquollene göttliche Gesicht.
„He, hör auf! Du verwässerst ja den Wein!“
„Ich bin immer der Dumme“, heulte Hermes weiter. „Und keiner nimmt mich ernst. Es sind die Flügelchen, nicht wahr?“
Antalos schielte zu den Flügelchen an Hermes’ Stiefeln, die geknickt und schlaf herabhingen und traurig vibrierten.
„Nana“, machte er ratlos und tätschelte Hermes’ Schulter.

„Dabei bin ich ein echter Gott“, wimmerte es. „Aber niemand mag mich.“
„Das stimmt doch gar nicht. Kaufleute und Reisende beten doch zu dir. Und vergiss die Diebe nicht.“ Hermes schnüffelte.
„Einmal hat mir ein Dieb eine Statue geweiht, die er aus einem Apollontempel stibitzt hat.“ Hermes grinste schüchtern.
„Na siehst du.“ Antalos goss sich Wein nach, stürzte ihn hinunter und begegnete Hermes’ sonderbaren Blick.

„Du hast schöne Augen“, säuselte der Gott.
„Ähm, danke“, erwiderte Antalos unsicher. Hermes wischte sich die Tränen ab, lächelte Antalos gewinnend an und tatschte nach dessen Oberschenkel. Der liebevolle Vater sprang auf.
„Vielleicht sollte ich nach Herake sehen.“ Hermes’ Lächeln zitterte.
„Du magst mich also auch nicht.“
„Doch, doch, aber Herake ist im Stall und…ich geh dann mal.“
Hermes sah der davoneilenden Gestalt kummervoll nach, richtete sich auf und unternahm den Versuch, sich in der Amphore zu ertränken.

~0~

„Jetzt stell dich nicht so an, Mädchen“, schnappte die Wirtin und zerrte entschlossen an Herakes Bein, die sich mit einer Hand vehement an einem Pfosten des Stalls festkrallte, während sie mit der anderen das Neugeborene an sich drückte. In der Ecke iahte der Esel, weil der neuernannte Ochse versuchte, seine Hörner mithilfe eines Eselbeins loszuwerden, und eine Gruppe Sklavinnen drängte sich zusammen und tat möglichst unauffällig.

„Ich muss hier bleiben“, presste Herake hervor. „Hermes hat uns die Zeichnung gezeigt und er wird sicher böse, wenn wir uns nicht dran halten.“
„Dieser manikürte Flattermann? Der hat doch keine Ahnung von Geburten und Kindern. Lass endlich los.“
„Nein.“
„Du weisst ja nicht, worauf es ankommt“, zischte die Wirtin, gab Herakes Bein frei und wischte sich den Schweiss von der Stirn.
„Was habt ihr euch überhaupt dabei gedacht? Durch die Gegend ziehen und das in deinem Zustand. Und komm mir nicht mit ‚Zeus’ Kind‛! Der hat genauso wenig Ahnung wie sein Laufbursche.“

Herake lehnte sich erschöpft ins Stroh und blickte auf den nuckelnden Säugling an ihrer Brust. Man hatte ihr gesagt, dass der Anblick eines Neugeborenen die Schmerzen der Geburt vergessen machte, aber sie fragte sich, wie lange der Junge sie noch aussaugen wollte. Hinter ihr scheuchte die Wirtin die Sklavinnen auf und jagte das geschundene Gesinde auf dem Stall, vermutlich um Energie für einen neuerlichen Angriff auf den göttlichen Plan zu sammeln.

Der neuernannte Ochse kroch zu Herake und legte seinen Kopf mit den verrutschten Hörnern in ihren Schoss.
„Ist das Vieh noch immer da? Kybros, schaff endlich den Hund weg. Kybros?“ Aber Kybros hatte im Laufe der Jahre einen starken Überlebenswillen entwickelt und bei Zeiten das Weite gesucht.
„Männer“, schnaufte die Wirtin und wandte sich wieder Herake zu.
„Und du: Nimm endlich Vernunft an und komm ins Haus.“
„Ich kann nicht“, erwiderte diese matt. „Das wäre gegen den Willen der Götter.“
„Götter, pah! Den Gott will ich sehen, der mir sagt, was ich zu tun habe. Kybros!“

Und dann füllte sich die Szene.

Aus der Dunkelheit schoss etwas Schmutziges hervor, prallte gegen die Krippe und blieb röchelnd liegen. Hirten gehörten sicher nicht zu den gepflegtesten Geschöpfen unter den Himmeln, aber Herake hatte noch nie ein derart zerfetztes Gewand gesehen. Ein zweiter Hirte tauchte auf, stolperte über seinen Kollegen und dahinter erschien eine vollbusige, kaum bekleidete schimmernde Dame mit einem Schwert in der Hand, warf sich in Pose und – nein, so etwas hatte noch niemand seit Bestehen der Welt mit einem Stück Eisen angestellt. Die Hirten seufzten selig und bedeckten notdürftig ihren Unterleib.

„Was zum“, begann die Wirtin und brach ab, als ein gewaltiger Berg bewusstloser Schafe heranwankte und vor dem Stall zu Boden plumpste.
„Hosianna“, grollte es, dass die Wände des Stalls zitterten. Die eben noch glücklichen Hirten rappelten sich hoch und krochen hinter der Wirtin in Deckung. Herake drückte ihr Kind an die Brust, und der neuernannte Ochse versuchte ein Winseln; es klang wie ein alter Blasebalg. Einzig die schimmernde Dame schien entzückt.

„Oh, du bist ja so männlich“, stiess sie hervor, und ein weiteres Manöver mit dem Schwert liess die Hirten röcheln.
Männlich war der Kerl allemal, dazu lächerlich muskulös und viel zu gross für einen Menschen. Er war so offensichtlich göttlich, dass ihn ein Blinder erkannt hätte, und ein Lahmer, der das Pech hatte, ihm über den Weg zu laufen, würde jeden Geschwindigkeitsrekord brechen.

„Ich gebe mir Mühe“, posaunte er, warf sich in heldenhafte Pose und liess die Muskeln spielen. Dann schlaffte er ab.
„Ähm, könnte ich jetzt bitte mein Schwert wiederhaben?“ Die schimmernde Dame zog eine Schnute.
„Gefällt dir denn nicht, was ich mit dem Schwert mache?“
„Doch, das ist wirklich – ich meine – hosianna hab ich gesagt, verdammt noch mal!“ brüllte er die Hirten an, die sich panisch aneinanderklammerten.

„Oh, sag es nochmals“, hauchte die Dame.
„Hosianna?“
„Ja“, quietschte sie.
„Hosianna!“
„Oh, du bist der Beste!“ Das Schwert flog in hohem Bogen durch die Luft, als die Dame sich auf den männlichen Gott stürzte und ihn zu Boden riss.
„Hosianna?“ wiederholte er versuchsweise.
„Hach!“ Ohnehin kaum vorhandener Stoff riss.

„Also wirklich, würdet ihr euch bitte ein wenig konzentrieren.“ Eine weitere schimmernde Gestalt trat ins Licht der Öllampe. Sie war wesentlich züchtiger gekleidet als die beiden anderen und schien an einer beginnenden Migräne zu leiden. Das göttliche Paar rollte unbeeindruckt über den Boden, bis eine aggressive Eule sich zu ihnen gesellte und leidenschaftlich nach empfindlichen Teilen hackte. Das hauchte der Wirtin wieder Leben ein.

„Du bist Athene, nicht wahr?“ fragte sie ungewohnt zaghaft und zögerte, als Athene nickte.
„Das tut mir leid“, murmelte die Wirtin schliesslich.
„Danke“, erwiderte Athene steif.
„Nimm den verdammten Vogel weg!“ kreischte die Vollbusige, während ihr Liebster blindlings nach dem Schwert tastete.
„Wenn ihr versprecht euch zu benehmen.“
„Ja doch.“ Die Eule stiess einen triumphierenden Schrei aus und liess sich auf dem Stalldach nieder, und das derangierte Paar richtete sich mühsam auf.

„Du hast keinen Sinn für Romantik“, zischte die Dame und fummelte an ihren Haaren. Athene schauderte.
„Das will ich schwer hoffen. Also gut, wo ist Hermes?“ Keiner meldete sich. In das Schweigen klangen eilige Schritte, und eine verängstigte Sklavin trat zaudernd zur Wirtin.
„Herrin, da steckt ein Mann kopfüber in der grossen Amphore mit kretischem Wein:“ Athene rieb sich die Schläfen.
„Das könnte er sein. Wärst du so nett…“ Aber die Wirtin brauste bereits zornentbrannt Richtung Gasthaus, die Sklavin rannte hintendrein. Athene seufzte.

„Also gut, mal sehen. Woran ich mich noch erinnere: Frau mit Kind, Esel – Hund?“ Sie betrachtete die Versammlung unschlüssig und zuckte dann mit den Schultern.
„Was soll’s. Hirten – würdet ihr bitte vortreten? So kann ich euch ja kaum erkennen. So ist es recht.“ Sie musterte die beiden verängstigten, zwischen Wonnen und Todesangst schwankenden Männer.
„Na schön, ich schlage vor, ihr sucht euch einen Brunnen mit sehr kaltem Wasser und kommt dann wieder. Aphrodite, würdest du das bitte unterlassen? Und du ermutige sie nicht auch noch, Ares.“

„Aber ich bin die Göttin der Liebe. Was soll ich denn sonst tun?“
„Wie wär’s mit platonischer Liebe?“ Aphrodite starrte sie verwirrt an und versank in angestrengtes Grübeln.
„Ja, das ist gut, bleib so. Nein Ares, du kannst nicht trinken gehen. Wo ist der liebevolle Vater?“

„Hier“, stammelte Antalos, der die ganze Sache ausserhalb des Lichtkreises beobachtet hatte, während er zu entscheiden versuchte, ob Hermes nicht doch das kleinere Übel war. Ein abschätzender Blick fand seinen Unterleib.
„Lauf den Hirten nach und, äh, beseitige das.“
„Antalos, wie kannst du nur?“ keifte Herake, aber Antalos stakste schon den Hirten hinterher.

„Platon war doch dieser zausselige Athener“, mutmasste Aphrodite.
„Vielleicht“, erwiderte Athene, und Aphrodite brütete weiter, während Ares die Gegend nach seinem Schwert absuchte.
„Dauert das noch lange? Ich bin nämlich ziemlich müde und der Junge saugt mich allmählich aus.“ Athene wandte sich zu Herake, die unter dem Blick der Göttin zusammensackte. Aphrodite war zwar ungerecht schön, aber zumindest nachvollziehbar. Athene hingegen – mit intelligenten Frauen war Herake noch nie zurecht gekommen. Athene lächelte dünn.
„Keine Sorge. Ich bin sicher, du bist uns bald los, immerhin steckt mein Vater dahinter. In diesem Sinne: Ares, beleb die Schafe wieder; so sehen sie ja aus wie ein Teppichvorleger.“ Ares brummte und schielte hilfesuchend zu Aphrodite, die allerdings im Moment in ganz anderen Sphären weilte.

„Nun denn, Herake, nicht wahr? Leg das Kind in die Krippe und schau – heilig drein, wenn es dir nichts ausmacht.“
„Endlich“, seufzte Herake und zog das Kind von ihrer Brust, aber schon auf halbem Weg zur Krippe erhob sich ein ohrenbetäubendes Plärren.
„Hosianna!“ donnerte es aus der Dunkelheit.
„Oh, ja!“ keuchte Aphrodite.
„Nimm das Kind, nimm das Kind!“ schrie Athene und umfasste ihren geplagten Kopf mit beiden Händen.
Herake hob den Säugling zurück an ihre Brust und dachte, dass hier so einiges im Argen lag.

~0~

Im Keller des Gasthauses drängten sich Sklavinnen, Kybros und Wirtin um die grosse Amphore.
„Götter!“ spuckte die Wirtin aus. „Haben noch nicht einmal den Anstand, Unterwäsche zu tragen.“
„Ist der echt?“ flüsterte eine Sklavin der anderen zu, die knallrot nickte.
„Ich glaube schon.“
„Niemand mag mich“, heulte es dumpf aus der Amphore.
„Kybros, mach was. Undine, lass die Finger davon. Du weisst doch nicht, wo der alles gewesen ist!“

~0~

Auf dem Olymp trat ein angeekelter Zeus vom Tor zur Erde zurück und pfiff den glücklosen Herakles herbei, der gerade mit einem Turm Teller vorbeiwankte.
„Hol mir diesen Barbaren her“, zischte der Göttervater. Herakles nickte, liess den Stapel fallen und eilte durch einen Schauer aus herumspickenden Tellern davon. Hera fing einen der hüpfenden Teller auf und lobte sich einmal mehr für ihren Einfall mit den Wolken. Ohne hätten Dionysos und die Jungs schon sämtliches Geschirr zerschlagen.

„Tja, das war zu erwarten“, kommentierte sie die irdischen Vorgänge und verschränkte die Arme. „Das kommt davon, wenn man irgendwelche dahergelaufenen Götter bei sich aufnimmt.“
„Gott hin oder her: Der Kerl kann was erleben, “ donnerte Zeus. Blitze zuckten um seinen Leib, zerbrachen herumschwirrende Teller und entluden sich an einem der nahen Paläste. Hera rümpfte die Nase.
„Beherrsch dich doch“, schalt sie Zeus über das Bröckeln der Fassade hinweg. „Den haben wir erst vor tausend Jahren renoviert.“

Athenes Stimme drang leise zu ihnen empor.
„Nein Ares, du sollst die Schafe doch nicht mit dem Schwert bearbeiten.“
„Aber das ist alles, was ich kann“, grollte Ares.
„Ich bin sicher, Platon war dieser vertrocknete Kerl mit Bart“, rief Aphrodite dazwischen.
„Ich habe doch ‚vielleicht‛ gesagt. Ares, lass das! Um Himmelswillen Aphrodite, hör auf damit. Hirten, zurück zum Brunnen!“
„Du bist so gemein, Antalos!“
„Mäh?“
Säuglingsweinen übertönte die neuerlichen Wiederbelebungsversuche.

„Stell doch jemand das Kind ab!“
„Hosianna!“
„Ach, nehmt euch ein Zimmer.“
„Finger weg von meinen Flügelchen!“
„Ich geb dir Flügelchen, du Lustmolch. Und jetzt setz meinen Mann ab, aber sofort.“
„Hab ich nicht gesagt, dass der echt ist?“
„Beeindruckend.“

Ein ganzes Bündel Blitze schlug in Sparta ein und demolierte ein Gymnasium mitsamt einer feuchtfröhlichen Männerrunde, die sich wenig später bei Charon eine Runde bestellte und den armen Fährmann zur Verzweiflung trieb.
„Wo bleibt der Barbar?“ brüllte Zeus ausser sich vor Zorn. Zu schade, dass er sich in diesem Moment nicht zu Hera umwandte. Ihre geröteten Wangen, und der bewundernde Blick hätten ihn für so manches Ehejahr entschädigt.

Hinweis: Du kannst diesen Text leider nicht kommentieren, da der Verfasser keine Kommentare von nicht angemeldeten Nutzern erlaubt.

Zur Zeit online:
keinVerlag.de auf Facebook keinVerlag.de auf Twitter keinVerlag.de auf Instagram