Epikurs Garten

Gedankengedicht zum Thema Philosophie

von  EkkehartMittelberg

Die Mittagshitze flimmert.
Zikaden zirpen unermüdlich.
Der geschäftige Lärm Athens
schallt gedämpft
durch dichte Zypressen.
Leise plätschert der Brunnen.
Dem alten Epikur auf seiner Kline*
fallen die Wimpern zu.
Er träumt von schöngestaltigen Göttern,
die angeblich Todesfurcht verbreiten,
obwohl ihnen die Menschen gleichgültig sind.

Als er aus seinem Traum erwacht,
liegt schon Schatten über dem Garten.
Er weiß jetzt,
worüber er zu seinen Schülern sprechen wird.
Er wird sie lehren,
dass alles aus Atomen besteht,
auch die menschliche Seele.
Mit dem Tode wird sie
wie der Körper zerfallen
und die Atome werden sich neue Verbindungen suchen.
Es ist ein Ende eines jeden Lebens absehbar,
und es gibt keinen Hades,
vor dem man sich fürchten muss.

Die irdische Zeit ,
- nur sie ist den Menschen gegeben -
ist begrenzt,
und darum gilt es,
sie mit Lust zu füllen,
jeden Augenblick.
Nicht mit der Lust politischer Macht,
die vergänglich ist
und Schmerzen bereitet,
wenn sie entzogen wird.
Auch nicht mit der groben Lust von Orgien,
die lieblos verrauscht,
eine Erfindung seiner Gegner,
die seine Schule diskreditieren soll,
sondern mit der feinen Hedone** kluger Gespräche,
die die Lust der Erkenntnis bieten,
mit der Freude, die klares Wasser,
duftendes frisch gebackenes Brot und
ein Krug würzigen Landweins bereiten,
wenn die Sonne gesunken ist.

Ein feiner Duft von Zitronenbäumen
hat sich verheißungsvoll über den Garten gelegt.
Bald werden seine Schüler kommen.
* antike Ruhebank
** griechisches Wort für Lust

© Ekkehart Mittelberg, April 2014


Anmerkung von EkkehartMittelberg:

Anmerkung: Unter den Philosophien der Antike scheint mir die des Epikur aus drei Gründen unserer Zeit nahe zu stehen: 1. Sie gründet auf der Atomtheorie des Demokrit, 2. sie betrachtet politisches Engagement mit Skepsis und 3. sie befürwortet das Genießen, hält sich aber von hemmungslosem Konsum fern.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (11.04.14)
Mir gefällt dieser Garten. Auch weil man zum Denken (leider) ein entsprechenden Gegenpart braucht. Der Gläubige - ganz gleich ob er/sie sagt "Ich glaube an Gott" oder "Ich glaube das Wachstum unendlich ist" -taugt dazu ebensowenig wie der Ideologe, weil beide die Antwort ja schon kennen, zumeist sogar bevor jemand eine Frage gestellt hat.

Und um deinem Garen wenigstens ein Stück weit nahe zu kommen, hohle ich mir morgen im Supermarkt Zitronenlimo!

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Danke Trekan.
Es ist interessant, wie du erklärst, dass man zum Denken einen Gegenpart braucht. Das von dir beschriebene Denken nennt man wohl dialektisch.

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 11.04.14:
Sonst wird man ja auch ganz schnell zu einem "Denk-Formel-1-Pilot" und fährt/denkt immer nur im Kreis!

 SapphoSonne (11.04.14)
Eine gute Art zu lernen und sich auseinanderzusetzen. Mit anderen und mit dem Leben an sich. Und doch Frieden und Zufriedenheit zu empfinden, weil lernen und lehren einfach Freude macht. Das lese ich aus deinen Zeilen und sehne mich nach Treffen unterm Zitronenbaum.
LG Sappho

 EkkehartMittelberg schrieb daraufhin am 11.04.14:
Merci, Sappho. Du erwähnst das Wort Frieden. Das oberste Ziel von Epikurs Lehre war es, die Ataraxia (Frieden der Seele) zu gewinnen.
LG
Ekki

 Dieter Wal (11.04.14)
Um die 16 fielen mir in der Buchhandlung am Schlossplatz, in der wir Freunde nach Schulschluss immer herumlümmelten, Casanovas 12-bändige Memoiren in die Finger. Ich glaube, das war der erste Philosoph, den ich freiwillig las. Ich empfehle das Mammutwerk nach wie vor allen Menschen, die sich mit der Geschichte Europas und dem 18. Jh. beschäftigen. Danach las ich Seneca komplett zweisprachig, um mir zu beweisen, dass ich doch Zugang zu Latein finden konnte. Von da kam ich schnell zu Epikur, der neben Heraklit noch heute zu meinen Lieblingsphilosophen gehört.

Leicht nachpoliert hast du eine stimmungsvolle Epikurwürdigung in Gedichtform geschrieben. Sehr schön.
(Kommentar korrigiert am 11.04.2014)

 EkkehartMittelberg äußerte darauf am 11.04.14:
Danke, Dieter, unser Geschmack für Literaten und Philosophen scheint wetgehend übereinzustimmen.
Auch ich habe viel von Seneca gelesen und Gefallen an seinen philosophischen Schriften gefunden. Freilich schießt er mit den stilistischen Zuspitzungen gelegentlich über das Maß hinaus. Aber er schreibt interessant. Das gilt fürt Casanova besonders. Als ich ihn mit 14 Jahren las, wurde mir die philosophische Begabung nicht so bewusst, seine Verführungskünste beeindruckten mich mehr.

 Dieter Wal ergänzte dazu am 13.04.14:
Wenn man den kompletten liest, sind nicht nur die schlüpfrigen Stellen versammelt.

 monalisa (11.04.14)
Bemerkenswert, lieber Ekki, wie du die Leserin hier in die Beschaulichkeit des nachmittäglichen Gartens hineinnimmst, eine entspannte, gelöste Grundstimmung aufbaust und auf dieser erkenntnis- und lernfördernden Grundlage wesentliche Aspekte der hedonistischen Lehre Epikurs ausbreitest. Ich empfinde es als Einladung, mich darauf niederzulassen und dem Genuss nachzuspüren im Hier und Jetzt und finde es erstaunlich, wie mühelos sich mehr als 2000 Jahre überbrücken lassen.
Ja ich denke auch, dass Epikurs Philosophie aus den von dir genannten Gründen der heutigen Zeit nahesteht, dass sie aber auch, wie damals schon missverstanden, zu hemmungsloser Genusssucht führen kann. Sehr schön, wie du hier seine Anschauung von Hedone nahebringst und dem entgegenwirkst.
Was ich, unabhängig davon, ob ich an ein Weiterleben der Seele nach dem Tod glaube, für mich als wesentlichen Lebensgrundsatz mitnehme: ganz im Augenblick zu leben, konzentriert zu sein auf das, was ich gerade tue und nicht schon wieder mit den Gedanken vorauszueilen oder nachzugrübeln …, bewusst (maßvoll) zu genießen.
Daran denke ich mangelt es uns heute vielfach: an Konzentration und Sammlung, von der Vielzahl an Zerstreuungen, die sich uns bieten, dem Nebeneinander und der Gleichzeitigkeit so vieler Einflüsse be- und verhindert.
Zum Glück habe ich auch so einen kleinen Garten, in den ich mich zurückziehen, sammeln und genießen kann

Liebe Grüße,
mona

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Liebe Mona, ich danke dir sehr für deinen einfühlsamen Kommentar, der zusätzlich herausstellt, worin die Aktualität Epikurs heute liegen kann. Es stimmt, man muss sich nicht darin festbeißen, ob es eine Leben nach dem Tode gibt oder nicht.

Liebe Grüße
Ekki

 susidie meinte dazu am 12.04.14:
Ich möchte mich hier gerne Monas Kommentar anschließen wenn ich darf. Sonst würde ich nur alles wiederholen mit wenig anderen Worten. Mona sagt hier alles, was ich zu Epikurs Garten sagen möchte. Dein Text ist wunderbar Ekki und lässt mich auch in diesem, deinen Garten, verweilen.
Liebe Grüße von Su :)

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.04.14:
Ich freue mich, dass du dich Monas Kommentar anschließen kannst, Su. Grazie.
chichi† (80)
(11.04.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Liebe Gerda, wenn du Platon und die Gedanken des Sokrates gelesen hast, ist das sehr viel. Wir kennen bestimmt beide Menschen, die mehrere Philosohen gelesen haben, aber selbst nie ein paar erwähnenswerte philosohische Gedanken zustande gebracht haben. Vielen Dank.
Heitere Wochenendgrüße
Ekki

 AZU20 (11.04.14)
Epikur stand mir schon als Schüler bei der Betrachtung der Philosophen im Unterricht am nächsten. LG

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Danke, Armin. Schade, dass wir uns damals nicht austauschen konnten. Wir hätten uns bestimmt etwas zu sagen gehabt.
LG
Ekki

 AZU20 meinte dazu am 12.04.14:
Das glaube ich allerdings auch. Aber zumindest unser heutiger Austausch ist sehr erfreulich. LG
LottaManguetti (59)
(11.04.14)
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LancealostDream (49) meinte dazu am 11.04.14:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Liebe Lotta, ich vermute, dass Epikur, lebte er heute noch, genau an dem Anstoß nähme, was du kritisierst.
Kleine Gärten scheinen mir auch jetzt noch für Rentner erschwinglich zu sein. Auf deren Größe Kommt es ja nicht an.
Nachdenkliche Grüße
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Merci, Lanze, mit Gesamtschulen kenne ich mich ganz gut aus.
Aber dass es inzwischen Integrierte Gesamtschulen gibt, die sich zu Eliteschulen gemausert haben, lässt mich vom Glauben abfallen.
LG
Ekki

 loslosch (11.04.14)
aha, epicuri de grege porcus. bist du anhänger der gastrosophie? der knabe brachte es fertig, an die existenz der götter zu glauben und zugleich den materialismus zu ehren.

für meinen geschmack wäre ein fließtext (ohne zeilenumbrüche) angemessen.

 loslosch meinte dazu am 11.04.14:
by the way: ein solcher knabe scheint mir ehrlicher als ein pensionierter früherer limburger bischof ...

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Danke, Lothar. An dem Zugleich des Glaubens an die Götter und des materialistischen Denkens bin ich auch hängen geblieben. Vielleich war sein Götterglaube Straqtegie. Er musste ja als Oberporcus schon zu Lebzeiten viele Angriffe aushalten. Es wäre wohl zu viel geworden, wenn man ihn noch als gottlos hätte beschimpfen können.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Danke, Lothar. An dem Zugleich des Glaubens an die Götter und des materialistischen Denkens bin ich auch hängen geblieben. Vielleicht war Epikurs Götterglaube Strategie. Er musste als Oberporcus viel aushalten. Es wäre wohl selbst für Epikur zu viel geworden, wenn man ihn noch als gottlos hätte beschimpfen können.
Pocahontas (54)
(11.04.14)
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Avka (55) meinte dazu am 11.04.14:
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 11.04.14:
Grazie, Sigi, das Problem der Epikuräer liegt in ihrer großen Friedfertigkeit. Die meisten von ihnen sehen den Kapitalismus skeptisch, aber es fehlen ihnen Zähne und Klauen, um ihn zu bekämpfen.
Merci, Avka, ich glaube, dass Epikur heute ein hedonistischer Kapitalismuskritiker wäre.
Liebe Grüße
euch beiden

 LotharAtzert (11.04.14)
In gewohnter Weise schmirgelst Du die Ecken rund, so daß sie niemanden verletzen können.
Ich hab's da eher mit dem Frühlingsgott Mars, der alles Verdrängte austreibt, nicht nur das Angenehme und die Dufteblütlis.

"und es gibt keinen Hades,
vor dem man sich fürchten muss."
- hier kommt es auf die Betonung an. Natürlich muß man sich nicht vor den eigenen Verdrängungen fürchten, wenn sie beim Sterben aufsteigen und ihr Recht einklagen - aber zu glauben, daß ein Sünder ungeschoren davonkommt, wäre denn doch ein wenig arg naiv.
Liebe Frühlingsgrüße (im obigen Sinn)
Lothar

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.04.14:
Lothar, es gibt viele Götter und Halbgötter, genug für jeden, um seinen/ seine zu finden und zu versuchen, damit glücklich zu werden.
Heitere Frühlingsgrüße
Ekki

 LotharAtzert meinte dazu am 12.04.14:
Das mag schon sein, Ekkehart, aber glaubst Du persönlich, daß es möglich ist, zu sündigen, ohne dafür - irgendwann, irgendwo, irgendwie - zur Verantwortung gezogen zu werden? Glaubst Du nicht, daß das verdrängte Leben (beim Sterben des Verdrängers) erst leben muß, um sterben zu können?

Mir geht es weder um einen Gott, noch Rechthaberei, noch primär um Glück, (das sowieso unzuverlässig ist) noch neid' ich dir Deinen unkritischen Zujublerkreis, wie das früher mal ausgedrückt wurde - mir geht es einzig und allein um ausgewogenere Betrachtung resp. Körper und Geist, Leben und Sterben. Wobei ich zugebe, daß die sogenannten Materialisten, zu denen Epikur gerechnet werden muß, nicht zu meinen Favoriten zählen.

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.04.14:
Ich habe ein Gedicht über Epikur geschrieben. Zum Verdrängen hat er sich nicht geäußert.
P. Rofan (44)
(11.04.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.04.14:
Danke, Aron, ich habe bei meiner Anmerkung an die Grünen nicht gedacht, doch zu meiner Überraschung stimmt deine Anmerkung.
(Antwort korrigiert am 12.04.2014)
MissBluePiano (32)
(12.04.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.04.14:
Vielen Dank, Natascha. Ich freue mich, dass du wieder da bist.
LG
Ekki

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.04.14:
Die ursprüngliche Antwort wurde am 12.04.2014 von EkkehartMittelberg wieder zurückgenommen.

 ViktorVanHynthersin (12.04.14)
Einen vielschichtigen Text, lieber Ekkehart, hast Du hier geschrieben. Ich meine diesen Epikur und ein Stück von seinem Garten zu kennen.
Herzliche Grüße
Viktor

 EkkehartMittelberg meinte dazu am 12.04.14:
Grazie, Viktor. Diesem Epikur konnte nichts Besseres geschehen, als dich kennenzulernen.
Herzliche Grüße
Ekki
Graeculus (69)
(13.04.14)
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 EkkehartMittelberg meinte dazu am 13.04.14:
Ein sehr schmeichelhafter Vergleich, Graeculus. Ich wage es dennoch, ihn dankend anzunehmen.
LG
Ekki
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