Disharmonische Schwingung

Sonett zum Thema Loslassen

von  monalisa

Wie aufgespannt, die Haut, am knöchernen Rahmen,
Membran, die schon bei leichtem Luftzug schwingt,
verharre ich, als ob mich etwas zwingt.
Und alles summt verhalten deinen Namen.

Dir wurde ich, so scheints, zum unliebsamen
Relikt, das abzulegen nicht gelingt.
Doch wenn du mich nur fast berührst, durchdringt
ein jähes Beben meinen Körper, klingt,

nervös verstimmt, noch lange fort nach innen.
Begehren, schamgedämmt, verebbt und schwillt,
verstummt nie ganz; ich kann ihm nicht entrinnen.

Dich mit mir auszusprechen nicht gewillt,
entlässt du mich in nebuloses Sinnen,
das unvermutet plötzlich schmerzlaut schrillt.

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Kommentare zu diesem Text


 EkkehartMittelberg (11.04.14)
Bemerkenswert und gekonnt, dass man ausgerechnet ein Sonett, ein Klanggedicht, nutzen kann, um es durch ein Einstiegsbild der äußersten Anspannung, durch die Kombination harter und stimmloser Konsonanten und durch die schmerzlaut schrillende Wortwahl in ein Torturgedicht der Disharmonie zu verwandeln.
Liebe Grüße
Ekki

 monalisa meinte dazu am 12.04.14:
Liebe Ekki,
wie immer hast dus wunderbar auf den Punkt gebracht. Ich bedanke mich vielmals für deinen fachkundigen Kommentar und ganz besonders für die Attribute 'bemerkenswert' und 'gekonnt'.

Liebe Grüße,
mona

 Irma (11.04.14)
Fast etwas unheimlich, dieses Bild der zum Zerreißen gespannten Haut auf den spitzen Knochen. LyrIch ist dünnhäutig wie Pergament. Wie ein Trommelfell, das auf kleinste (Fast-)Berührungen (über-)reagiert, bis hin zu einem Tinnitus-artigen Schrillton im letzten Vers.

Die ersten disharmonischen Schwingungen treten bereits im ersten Vers hervor, wenn mit "knöchernen" der jambische Rhythmus durchbrochen wird. Der achte Vers endet "nervös verstimmt" ungewöhnlicherweise mit einem weiteren B-Reim ("klingt"). Damit bleibt die erwartete Paarreim-Umarmung in Strophe 2 aus, gemäß dem: "wenn du mich nur fast berührst". Zugleich verschwindet hiermit das letzte warme Schwingen des "a(h)men"-Reims und weicht den immer lauter und unangenehmer schrillenden "i"-Reimen.

Ein Paar, das sich nicht voneinander lösen kann, obwohl es längst nicht mehr harmoniert. LyrIch klebt wie eine zweite Haut am Partner, die er nicht "abzulegen" (Z.6) vermag. Eine Beziehung, die nur noch auf einer starken sexuellen Anziehung beruht, gegen die sich LyrIch nicht wehren kann (Z.11), obwohl es in hohem Maße darunter leidet.

Gerne gelesen! LG Irma

 monalisa antwortete darauf am 11.04.14:
Liebe Irma,
deine Kommentare sind wunderbare Geschenke. Selbst kleine Kunstwerke in Aufbau und Sprache, ein Vergnügen sie zu lesen, geben sie das warme Feedback, verstanden worden zu sein und zwar nicht nur mit dem Kopf sondern auch mit sehr viel Empathie.

Vielen herzlichen Dank dafür,
liebe Grüße,
mona
P. Rofan (44)
(11.04.14)
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 monalisa schrieb daraufhin am 12.04.14:
Will ich Intimes sagen? Nein, eigentlich nicht! Und sperrig ist nach minem Bauchgefühl hier genau richtig.
Danke für deinen Beitrag und liebe Grüße,
mona
wa Bash (47)
(11.04.14)
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 monalisa äußerte darauf am 12.04.14:
Am Ende mein ich das so, wies Irma so schön umschreibt, als tinitusartigen Schrillton! Freut mich, dass du da warst. Danke!

Liebe Grüße,
mona

 Nachtpoet (11.04.14)
Sehr guter Text, obzwar er mir ein bisschen zu lautmalerisch erscheint. Aber da es ein Sonett ist, nehme ich mal an, dass diese Weise zu schreiben in diese Gedichtform wohl reinpasst und du es extra ein bisschen so formuliert hast?

Liebe Grüße! Ralf

 monalisa ergänzte dazu am 12.04.14:
Ja, Ralf, wenn man natürlich bei Sonett gleich an reinen 'Wohlklang' denkt, wird man hier enttäuscht; es klingt zwar, aber eher schrill, ist vom Aufbau her eher sperrig und spitz, halt mein Versuch das 'ungemütliche' Thema umzusetzen.

Danke, Ralf, und
liebe Grüße,
mona

 Nachtpoet meinte dazu am 12.04.14:
Das ist dir aber gelungen.

 monalisa meinte dazu am 12.04.14:
DANKE )

 unangepasste (22.07.14)
Hier bin ich schon mal hängen geblieben, habe aber angesichts der großartigen Kommentare geschwiegen. Auch für mich ist es ein Kunstwerk. Nicht nur die bildliche Ebene ist einprägsam (die aufgespannte Haut als Bild der Dünnhäutigkeit und leichten Reizempfänglichkeit schmerzt fast beim Lesen), sondern mich fasziniert auch, wie die Konsonanten und Vokale die Aussage unterstützen. Das Gedicht wirkt durch die Gestaltung dieser zwei Ebenen geradezu schrill und schreiend, obwohl es durch das Metrum gleichzeitig ruhig bleibt. Diesen Gegensatz finde ich sehr passend, da sich das lyrische Ich ja auch in so einer Einerseits-andererseits-Situation befindet.

 monalisa meinte dazu am 06.08.14:
Dein Kommentar ist mir eine große Freude, meine Liebe; sehr schön, dass für dich die beiden Ebenen trotz den scheinbaren Diskrepanz so gut zusammengehen, offenbar jene Spannung erzeugen, die genau so von mir beabsichtigt war. Vielen herzlichen Dank (etwas verspätet - sorry!), da ich gerade durch verschiedene Umstände meilenweit entfernt von meinen lyrischen Quellen etwas auf dem Trockenen sitze.

Liebe Grüße,
mona
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