Man kennt das ...

Gedicht zum Thema Verlassenheit

von  Nachtpoet

Als Kind nicht gefördert,
hin und her geschubst,
in Heimen, in Internaten,
(Man kennt das ...) 
keine Motivation,
zu fett, zu verfressen
und zu faul. Kein Antrieb.
(Man kennt das ...)

Dann die Chance!
Arbeit im Betrieb
der Verwandtschaft.
(Man kennt das ...)
Eine Lehre als Lagerist
"Sei uns eher dankbar dafür"
Hinterher kam 's raus:
Schon lange nicht mehr
in der Berufsschule gewesen.
Lehre abgebrochen,
Auto zu Schrott gefahren.
(Man kennt das ...)

"Der? Zu Hause
am vor sich hin gammeln."
Antwortet die Mutter immer nur.
(Man kennt das ...)
Letztes Jahr:
Bewaffneter Raubüberfall, halbherzig,
hinterher sich noch entschuldigt.
Richter urteilt: Drei Jahre ohne Bewährung.
(Man kennt das ...)

Ein Schild am Schuppen:
"Hier nicht reinkommen"
Drei Tage vor Antritt der Strafe
schnitten sie ihn ab.
(Man kennt das ...)


Anmerkung von Nachtpoet:

Das ist kein fiktives Gedicht.
Ich vergesse dich nicht Kollege!

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (31.05.14)
Das kommt dabei heraus, wenn man einen Menschen nicht ernst nimmt.
Ich kenn das...
Und könnte dennoch immer wieder kotzen!

 Nachtpoet meinte dazu am 31.05.14:
Ja, vor allen Dingen mal fragen wie er sich die Welt vorstellt, ihm zuhören, Mut und Motivation geben, statt immer nur zu verurteilen! Erst ihm kaum eine Chance geben und dann sowas sagen wie: "Das habe ich mir schon lange gedacht, dass der mal so endet." und alle sagen nur kurz: "Puh heftig!" Aber dann gehen alle wieder zur Tagesordnung über. Obwohl so ein Vorfall eigentlich danach schreit uns Menschen was beizubringen! Aber dann müsste man sich ja mal Zeit zum Denken nehmen. Siehste, ich könnte auch kotzen!

Danke für dein Kommentar! LG

 TrekanBelluvitsh antwortete darauf am 31.05.14:
"Stell dich nicht so an!"
"Hör auch mal, wenn man dir was sagt!"
"Das ist so!"

Die Dreifaltigkeit der Seelenzerstörer!

 AZU20 (31.05.14)
Jeder Mensch sollte eben ernstgenommen werden. Diese offensichtliche Wirklichkeit ist schrecklich. LG

 Nachtpoet schrieb daraufhin am 31.05.14:
Ja das stimmt. Danke. LG

 susidie (31.05.14)
Das schlimmste Schubladendenken, einmal drin, nie wieder raus. Und schon gar nicht fragen wie man da reinkam :(
Die Wiederholungen 'man kennt das' passen hier sehr gut ins Bild.
Liebe Grüße von Su :)

 Nachtpoet äußerte darauf am 31.05.14:
Ja du hast recht Su! Danke! Liebe Grüße!
BabetteDalüge (67)
(31.05.14)
Dieser Kommentar ist nur für eingeloggte Benutzer lesbar.

 Nachtpoet ergänzte dazu am 01.06.14:
Tja also ob das hier so zutrifft, kann ich nicht genau sagen. Aber sicherlich hat jeder, auch wenn er nicht ganz so intelligent ist, eine Chance was aus sich zu machen, wenn man ihm ein bisschen auf die Sprünge hilft.

Danke Babette!

 monalisa (01.06.14)
Deine Zeilen betreffen mich momentan mehr als mir lieb ist. Ich muss gerade meiner Staatsbürgerplicht nachkommen und fungiere als Laienrichterin (Schöffin) in einem 'Raubfall'. Da fragt man sich natürlich, wie weitreichend die Folgen eines Urteils sein können, fragt sich nach der 'Wirksamkeit' des Strafvollzuges, fragt sich, was da bisher alles 'verbockt' wurde und ob man nicht als Mitglied der Gesellschaft mitverantwortlich ist, für die kriminelle Karriere; auch wenn bisher mit den 'man kennt das' nicht direkt in Berührung gekommen ist.

Ich finde deinen Text spannend aufgebaut und dein 'Man kennt das' in den eindringlichen Wiederholungen auch an jede einzelne LeserIn als Frage gerichtet. Kennt man das und was macht man mit dieser Kenntnis!

Liebe Grüße,
mona

 Nachtpoet meinte dazu am 01.06.14:
Ja du hast recht Mona. Und in deiner großen Verantwortung als Schöffin gebe ich dir einen Gedanken von mir mit auf dem Weg: Das Strafrechtssystem halte ich für teilweise überholt. Nehmen wir an, ein junger Straftäter, der seinen ersten Raubüberfall gemacht hat, vorher noch nicht großartig straffällig wurde, kommt auch nur für 6 Monaten ins Gefängnis. Dann wird er mit erfahrenen Straftätern in Kontakt kommen, und "lernt" Gewalt, Brutalität und Gewissenloses, unemphatisches Denken und Handeln. Das ist das Schlechteste, was ihm passieren kann! Stattdessen bräuchte er einen Ort, wo er über das Leben wirklich nachdenkt, weil er selber dazu angeregt wird, in einer Palliativstation z. B., weil er da vielleicht das bekommt, was ihm fehlt: Emphatie, Mitgefühl, Denken über das Leben. Guck mal, wenn du Zeit hast, diese Dokumentaion über große Mängel auch in deutschem Strafvollzug.
https://www.youtube.com/watch?v=KFHm_EdDkkM

Liebe Grüße und danke für dein Lob.
Ralf
(Antwort korrigiert am 01.06.2014)

 monalisa meinte dazu am 01.06.14:
Stattdessen bräuchte er einen Ort, wo er über das Leben wirklich nachdenkt, weil er selber dazu angeregt wird, in einer Palliativstation z. B., weil er da vielleicht das bekommt, was ihm fehlt: Emphatie, Mitgefühl, Denken über das Leben.
Ich fürchte ganz so einfach wird es auch nicht sein, obwohl ich das sehr gern glauben möchte. Meist ist eine Kette unglückseliger Umstände dafür verantwortlich, wenn jemand auf die 'schiefe Bahn' gerät, sind große Defizite z.B. an Zuwendung und Geborgenheit vorhanden, die nicht einfach so von heute auf morgen ausgeglichen werden können, wurde gewaltbereites Handeln schon mit der 'Muttermilch' eingesaugt ... etc: Da stellt sich die Frage, ob so jemand der Belastung auf einer Palliativstation gewachsen sein kann, ob er nicht von vornherein 'dichtmacht', sich emotional abschottet und (um sich schadlos zu halten) am Hab und Gut von Pflegern, Kranken und Angehörigen bedient ... Meist ist da ja (und nicht einmal ganz zu Unrecht) ein großer Groll auf 'die Gesellschft' und alle, die er dazu zählt vorhanden. Natürlich ist der Strafvollzug auch in Österreich (warum sollte es bei uns anders sein?) im höchsten Maß suboptimal, auch wenn es nicht zu gewaltsamen Übergriffen zwischen den Gefangenen käme, müssten noch sehr viel mehr therapeutische, pädagogische und berufsbildende Begleitmaßnahmen gesetzt werden, sollte das Ziel nicht Bestrafung, sondern das Herausführen aus einer Sackgasse in ein sinnerfülltes Leben sein.
Das vorzuleben, was es heißt einander unabhängig von der Vorgeschichte zu achten und zu respektieren, sollte ganz am Beginn stehen.
Weißt du, als Schöffin habe ich eigentlich nur die Wahl zu sagen: 'Schuldig!' oder 'Nicht schuldig', kann eventuell mildernd oder verschärfend auf das Strafausmaß (das ja in seinem Rahmen festgelegt ist) einwirken und vielleicht eine bedingte Strafe erwirken, wenn es nicht bereits zu viele einschlägige Vorstrafen gibt. Da hat das persönliche Gewissen von vorherein ziemlich miese Karten :(

Liebe Grüße, mona
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