Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun

Gedicht

von  autoralexanderschwarz

Als er das lässige T-Shirt schließlich kauft,
sterben in einer Fabrik zwei kleine Jungen
auf eine grausame Art.

Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.

Eigentlich sollten sie nur den Stoff
mit den bunten Farben besprühen,
aber der Kleinere der Beiden
war mit der Hand
in die Maschine
geraten, die dann auch den anderen
- als er helfen wollte -
erfasste
und sie zog und riss
und schnitt und quetschte
den Arm,
die Schulter
und den schreienden Kopf.

Der Fabriklärm übertönte das Knacken und die Schreie.
Der Tod der Kinder fiel erst nach einigen Minuten auf.
Die Reste sind mit einem Tuch bedeckt worden.

Alles, alles ist verschmiert.

Niemand informierte bislang die Mütter,
die noch immer auf die Rückkehr
und das Geld für den nächsten Einkauf
warten.

Auf einer Feier beeindruckt er seine Freunde
mit seinem lässigen T-Shirt.

Das eine hat nichts mit dem anderen zu tun.

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Kommentare zu diesem Text


 TrekanBelluvitsh (06.06.14)
Ich denke, also bin ich. Denk ich nicht, bin ich nicht!

 sandfarben (06.06.14)
Traurig.

Wenn er aber das T-Shirt nicht kauft, warten noch mehr Mütter auf das Geld für einen Einkauf.
christa
Metulskie (32) meinte dazu am 06.06.14:
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 sandfarben antwortete darauf am 06.06.14:
Es müssen dringendst die Arbeitsbedingungen bzw. die Löhne der Arbeiter/innen in diesen Ländern geändert werden. Die Handelsketten könnten dazu beitragen, indem sie höhere Löhne zahlen und die Arbeitssicherheit kontrolliert.

Du kannst dich hier gerne unter meinem Text verbal auskotzen, ich bin weder ein Billigklamottenkunde, noch verteidige ich die Kunden derselben. Nur, wenn niemand mehr etwas kauft, wird sich die Situation dort auch nicht ändern.
christa

 monalisa schrieb daraufhin am 06.06.14:
Das Problem dabei: teure Produkte sind nicht zwangsläufig unter besseren Bedingungen produziert als günstigere nur die Gewinnspannen sind beträchtlich höher. Wer allerdings ein T-Shirt um 3€ kauft, dem muss klar sein, dass es nicht 'fair' produziert worden sein kann. Ein weiteres Problem ist die weltweite Verflechtung in einer schier undurchschaubaren Produktionkette. Labels wie 'Fairtrade' (unter fairen und rein biologischen Bedingungen angebaut) und 'GOTS' (Global Organic Textile Standards = deckt alle Stufen ab vom Anbau über Herstellung, Verpackung bis zum Vertrieb von Textilien. Das umfasst ökologischen Anbau, umweltfreundliche Produktion und soziale Mindestkriterien für die Mitarbeiter), geben wichtige Hinweise. GOTS ist ein grünes Label mit weißem Hemd, vielleicht beim nächsten Einkauf mal darauf achten – ein erster Schritt!
Fair produzierte Mode ist in Österreich wie in Deutschland noch ein Nischenprodukt, wenn die Nachfrage steigt, wird sich aber deren Anteil erhöhen und damit auch der jener Menschen, die unter einigermaßen verträglichen Bedingungen arbeiten können.
Fair muss aber nicht zwangsläufig teuer sein. Sportbekleidungsmarken wie Jack Wolfskin, Mammut, Odlo und Schöffel oder das Textilunternehmen Grüne Erde und die Vertriebsfirma Takko gehören z.B. der Fair Wear Foundation an, einer niederländischen Initiative, die die Einhaltung der ILO-Richtlinien für Textilien (International Labour Organization) kontrolliert und bieten durchaus 'leistbare' Mode an.

Liebe Grüße,
mona

 autoralexanderschwarz äußerte darauf am 06.06.14:
@ Metulskie: Ich sehe das genauso: Wenn wir den Grund suchen,
begegnen wir uns selbst. Und: deine Wut ist mir sympathisch.

@ sandfarben: Wenn niemand etwas kauft, würde sich definitiv
etwas ändern, weil die Ausbeutung ja nicht genuin böse ist,
sondern rein marktwirtschaftlichen - gewissermaßen amoralischen -
Prinzipien folgt. Dass dies nicht passiert ist ebenso einkalkuliert,
wie der Preis für Farbe oder Kindersärge.

@ monalisa: Vielen Dank für die zusätzlichen Informationen,
wobei TAKKO - wie ich einmal las - ja in chinesischen Gefängnissen
produzieren ließ, was nun nicht unbedingt FAIR klingt.
(Antwort korrigiert am 06.06.2014)

 monalisa (06.06.14)
Was mir an deinem Text gefällt, ist grundsätzlich, dass du dieses Thema aufgreifst und bearbeitest und das in drastischen, abschreckenden und gruseligen Bilder. Man kann das gar nicht oft und laut genug anprangern. Möchte aber auch anmerken, dass ich es nicht sehr schlüssig finde, dass die Kinder 'in eine Maschine graten', ie sie zerschneidet, zerquetscht, zermalmt, wo sie doch gerade dabei sind T-Shirts mit Farbe zu besprühen. Um welche Art von Maschine soll es sich dabei handeln? Eine Zuschneidemaschine ...?
Viel plausibler wäre Bewusstlosigkeit durch die giftigen Dämpfe, ein Blutsturz, weil die Lunge zerfressen ist ...
Oder du lässt die Kinder etwas zuschneiden oder ähnliches. Ich finde es sehr schade, wenn da die 'Ausrede' mangelnder Logik herangezogen werden könnte, um sich mit dem eigentlichen Thema nicht auseinandersetzen zu müssen.

Liebe Grüße,
mona

 autoralexanderschwarz ergänzte dazu am 06.06.14:
Ich verstehe, wie du es meinst. So was wie: "Eigentlich sollten sie nur die Nieten in den lässigen Stoff stanzen..." oder "eigentlich sollten sie nur den Stoff mit der kreisenden Klinge zerteilen...".
Ich ändere es aber dennoch nicht, weil ich finde, dass die "bunten Farben" so etwas Naiv-Kindliches transportieren, was einen Kontrast zu der - zunächst - nüchternen Beschreibung aufbaut.
Ich mag auch die "prosodische" Seite dieser Stelle und ich möchte die Maschine auch unbestimmt lassen, weil sie symbolisch für die Industrie steht, das "Ziehen", "Reißen", "Schneiden" und "Quetschen" für den Leidensweg der Kinder.
Auf der rein inhaltlichen Ebene hast du natürlich Recht, aber wenn mir jemand "mangelnde Logik" vorwirft, dann antworte ich ihm, dass das eine ja ohnehin nichts mit dem anderen zu tun hat.
ixantuerk (42) meinte dazu am 11.07.14:
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 autoralexanderschwarz meinte dazu am 11.07.14:
Das ist schön - auch wenn es mit Religion getränkt ist.
Panta Rhei.

 FrankReich (20.04.19)
Hi Alex, recht beeindruckend, dieses Gedicht. aber nicht wegen der Länge, sondern weil es trotzdem Biss hat. Da bin ich wohl zu sehr Ästhet und baue zugegebenermaßen etwas mehr auf Mystik als auf Theatralik. Dennoch werde ich in der Hinsicht an meinem Aus-druck arbeiten, und mir natürlich auch einen Überblick zu Deiner Dichtung verschaffen.

 autoralexanderschwarz meinte dazu am 21.04.19:
Danke für deinen Kommentar (und die kleine Spitze). Es ist wirklich etwas theatralisch.
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